· Fachbeitrag · Erledigungsgebühr
Keine Kostenerstattung, wenn Anwalt aus Zeitmangel Akte komplett kopiert
von Christian Noe B. A., Göttingen
| Ist ein Rechtsanwalt stark arbeitsbelastet, tappt er oft in eine „Kopierfalle“. „Selbst schuld“, meint das OVG NRW. Allein weil er die Akte schnell vom Tisch haben will, darf er sie nicht einfach komplett kopieren und dann alle Ablichtungen berechnen. |
Entscheidungsgründe
Gerichte haben schon in mehreren Entscheidungen betont, dass es auf die Sichtweise eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Anwalts ankomme, der sich mit der betreffenden Akte beschäftigt. Das heißt: Gerichte verlangen von einem Anwalt nicht, dass er mit wenigen Blicken sofort erfasst, welche Dokumente er aus der zur Einsicht überlassenen Akte benötigt oder nicht. Im Gegenteil gelte kein „kleinlicher Maßstab“ und dem Anwalt sei ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen. Er muss also nicht jede einzelne Seite begutachten. Sein „Ermessen“ muss ein Anwalt aber eben ausüben, so das OVG NRW (9.8.22, 6 E 324/22, Abruf-Nr. 231701). Er darf nicht einfach eine gesamte Behördenakte kopieren, ohne vorher hineinzuschauen.
Relevanz für die Praxis
Mit dem anwaltlichen Ermessen ist eine „grobe Prüfung“ und eine vorläufige Bewertung der Akte gemeint. Das bedeutet: Verwaltungsakten enthalten allgemein zahlreiche Schriftstücke, die ein Anwalt bereits zu Mandatsbeginn besitzt oder erkennbar nicht braucht. Der Bevollmächtigte kann deshalb nicht damit argumentieren, dass sich erst im weiteren Verlauf eines Verfahrens zeigt, welche Gesichtspunkte (und damit Aktenbestandteile) relevant sind. Im Übrigen erkennt ein Anwalt selbst, welche Unterlagen aus der überlassenen Akte schon vorliegen (z. B. eigene Schriftsätze; Schriftstücke, die die Mandanten haben oder haben müssen). Er braucht sich insoweit nicht zwingend mit dem Mandanten abzustimmen. Daher ging hier auch das Argument des Anwalts ins Leere, dass im Zeitraum der gewährten Einsichtnahme mit dem Mandanten kein Besprechungstermin möglich gewesen sei.
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