· Fachbeitrag · Fehlervermeidung
So rechnen Sie im Güte- und Schlichtungsverfahren richtig ab
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Die Abrechnung in Güte- und Schlichtungsverfahren unterscheidet sich in vielen Punkten von der Abrechnung in anderen zivilrechtlichen Verfahren. Der folgende Beitrag zeigt Ihnen, worauf Sie achten müssen. |
1. Gütestellen zur obligatorischen Streitschlichtung
Als Gütestellen zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung nennt Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV die Gütestellen gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, also solche, die von der Landesjustizverwaltung eingerichtet oder anerkannt sind (vgl. § 15a EGZPO). Insofern müssen Sie diese anrufen, bevor Sie eine Klage einreichen. Beachten Sie dies nicht, können Sie sich u. U. regresspflichtig machen (s. u.).
§ 17 Nr. 7 RVG regelt, dass das
- gerichtliche Verfahren und ein
- vorausgegangenes Güteverfahren
- vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder,
- wenn die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen, vor einer Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt (§ 15a Abs. 3 EGZPO),
verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten darstellen.
Folge: Der Rechtsanwalt kann in jeder der im Folgenden aufgeführten Angelegenheiten seine Gebühren geltend machen, regelmäßig also in der
- außergerichtlichen Beratung bzw. Vertretung (§ 34, Nr. 2300 RVG VV),
- Tätigkeit im Güte- und Schlichtungsverfahren (Nr. 2303 RVG VV) und
- Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren (Nr. 3100 ff. RVG VV).
PRAXISHINWEIS | Beachten Sie unbedingt die jeweiligen Anrechnungsvorschriften hinsichtlich der Gebühren - nicht Auslagen. |
2. Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts
a) Geschäftsgebühr
Gemäß Nr. 2300 RVG VV erhält der Rechtsanwalt eine 1,5-Geschäftsgebühr und zwar berechnet aus den Beträgen der Tabelle eines Wahlanwalts gemäß § 13 RVG.
Die Gebühr erhöht sich bei Vertretung mehrerer Auftraggeber pro weiterem Auftraggeber um 0,3 (Nr. 1008 RVG VV). Die maximale Erhöhung beträgt dabei 2,0.
MERKE | Die Gebühr entsteht bereits mit der ersten Entgegennahme der Information (Vorb. 2.3 Abs. 3 RVG VV). Sie gilt die gesamte Tätigkeit des Anwalts im Verfahren ab. Insofern kann keine Terminsgebühr anfallen. Welcher Art und wie umfangreich die Tätigkeit ist, spielt hierbei keine Rolle. Der Anwalt erhält die Gebühr daher schon, wenn er „irgendeine“ Tätigkeit ausübt, also auch, wenn er nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt ist (Anwk-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., VV 2303 Rn. 11):
|
Obwohl es sich um eine Geschäftsgebühr handelt, ist § 14 Abs. 1 RVG - nach dem der Rechtsanwalt sein Ermessen frei ausüben muss - nicht anwendbar. Insofern stellt die Gebühr eine Festgebühr dar, unabhängig davon, ob die Sache schwierig oder umfangreich war. Das gilt auch im Fall einer vorzeitigen Erledigung. Eine der Nr. 3101 Nr. 1 RVG VV vergleichbare Ermäßigung, wonach eine Reduzierung auf 0,8 in Betracht kommt, ist nicht vorgesehen.
b) Einigungsgebühr
Zur Geschäftsgebühr kann auch noch eine Einigungsgebühr anfallen und zwar stets in Höhe von 1,5 (Nr. 1000 RVG VV). Grund: Das Güte- und Schlichtungsverfahren ist kein gerichtliches Verfahren (Ausnahme s. u.).
Beachten Sie | Wird die Einigung unter einem Widerrufsvorbehalt oder unter einer Bedingung geschlossen, gilt gemäß Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 RVG VV, dass die Gebühr erst mit Eintritt der Bedingung bzw. mit Ablauf der Widerrufsfrist entsteht (§ 158 BGB). Wird die Einigung dagegen widerrufen, entsteht keine Einigungsgebühr. Wenn allerdings die widerrufene Einigung auch weitergehende Ansprüche betrifft, bleibt die Geschäftsgebühr aus dem weitergehenden Anspruch erhalten, da diese bereits mit Einbeziehung der anderweitigen Ansprüche entsteht, unabhängig davon, ob die Einigung Bestand behält.
|
A leitet ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle wegen 300 EUR ein. A und B als Parteien einigen sich unter Einbeziehung einer weiteren Forderung von 400 EUR unter Widerrufsvorbehalt. Die Einigung wird rechtzeitig widerrufen.
Lösung: Der Rechtsanwalt erhält keine Einigungsgebühr, da keine Einigung zustande gekommen ist. Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV erhält er dagegen aus 700 EUR, da er nach diesem Wert im Schlichtungsverfahren tätig geworden ist. |
PRAXISHINWEIS | Es kann auch eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG VV entstehen. Dies ist der Fall, wenn in die Einigung Gegenstände mit einbezogen werden, die bereits anhängig sind, etwa in einem Rechtsstreit, im Mahnverfahren oder für die auch nur PKH beantragt worden ist (Anwk-RVG/N. Schneider, a.a.O., Rn. 22). |
| ||||||
Es wird ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle wegen 500 EUR eingeleitet. Die Parteien einigen sich unter Einbeziehung einer weiteren Forderung von 400 EUR, die bereits im Mahnverfahren anhängig ist.
Lösung:
|
c) Anrechnung
Bei der Anrechnung gelten folgende Grundsätze:
- Vorausgehende Beratung: Die Beratungsgebühr ist auf die Geschäftsgebühr des Schlichtungsverfahrens anzurechnen, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist (§ 34 Abs. 2 RVG).
- Vorausgehende außergerichtliche Vertretung: Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV ist auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 RVG VV anzurechnen (RVG VV Vorb. 2.3 Abs. 6 S. 1).
- Entstandene Auslagen werden niemals angerechnet; die Anrechnungsregelungen betreffen lediglich Gebührentatbestände.
aa) Anrechnung auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV
Die Anrechnung ist auf die Hälfte der zuvor angefallenen Geschäftsgebühr, maximal jedoch auf 0,75 aus der Geschäftsgebühr Nr. 2300 RVG VV begrenzt. Das gilt auch bei mehreren Auftraggebern (RVGprof. 07, 182). Folge: Von der Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 RVG VV verbleiben nach der Anrechnung mindestens 0,75. Soweit allerdings die Gegenstände von außergerichtlicher Vertretung unterschiedlich sind, wird nur nach dem Wert angerechnet, der in das Schlichtungsverfahren übergegangen ist.
| ||||||||||||||||||||
Rechtsanwalt R fordert auftragsgemäß vom Gegner G 600 EUR ein. G zahlt 200 EUR. Wegen des Restes von 400 EUR wird ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle eingeleitet. Die Parteien schließen eine Einigung dahin gehend, dass G insgesamt noch 150 EUR zahlt.
Lösung: 1. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 600 EUR)
2. Schlichtungsverfahren (Wert: 400 EUR)
|
bb) Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV
Verläuft das Güte- oder Schlichtungsverfahren ergebnislos und kommt es zum Rechtsstreit oder einem anderen gerichtlichen Verfahren nach Teil 3 VV, ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Verfahrens anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 4).
PRAXISHINWEIS | Da ggf. mehrere außergerichtliche Geschäftsgebühren anfallen können (z. B. Nr. 2300 RVG VV und Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV), müssen Sie beachten, dass nur die letzte Geschäftsgebühr, d. h. regelmäßig Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV, angerechnet wird (VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 2) und zwar ebenfalls zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 (VV Vorb. 3 Abs. 4). |
| ||||||||||||||||||||||||||||||
Rechtsanwalt R fordert auftragsgemäß vom Gegner G 600 EUR ein. G zahlt nicht, sodass ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle eingeleitet wird. Es kommt zu keiner Einigung, sodass R Klage einreicht. Im schriftlichen Verfahren kommt es zu einem der Klage stattgebenden Urteil.
Lösung 1. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 600 EUR)
2. Schlichtungsverfahren (Wert: 600 EUR)
3. Klageverfahren (Wert: 600 EUR)
|
Auch hier gilt: Wird das Klageverfahren nur wegen eines Teils der im Schlichtungsverfahren anhängigen Forderung durchgeführt, ist die Geschäftsgebühr der Nr. 2303 Nr. 1 RVG VV nur aus diesem Teilwert anzurechnen. Angerechnet wird auch hier nur, soweit sich die Gegenstände von Güte- oder Schlichtungsverfahren und nachfolgendem Rechtsstreit decken (RVG VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 4).
| ||||||||||||||||||||
B leitet ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle wegen 600 EUR ein. Gegner X zahlt 300 EUR. Wegen der restlichen 300 EUR reicht B Klage ein. Im schriftlichen Verfahren kommt es zu einem der Klage stattgebenden Urteil.
Lösung 1. Schlichtungsverfahren (Wert: 600 EUR)
2. Klageverfahren (Wert: 300 EUR)
|
d) Kostenerstattung
Immer wieder kommt es vor, dass Rechtsanwälte in Unkenntnis des jeweiligen Landesrechts vorschnell Klage erheben, ohne zuvor ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren angestrebt zu haben. Dies ist bei Geldansprüchen von weniger als 750,01 EUR zu beachten (vgl. § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO). Der BGH (PAK 05, 67) hat entschieden, dass das Schlichtungsverfahren nicht nachgeholt werden kann, sobald Klage erhoben wurde. Folge: Die Klage ist zurückzunehmen, ein Schlichtungsverfahren ist einzuleiten und nach dessen Scheitern muss erneut geklagt werden. Insofern fallen für zwei Klageverfahren auch Gerichts- und Anwaltskosten an.
PRAXISHINWEIS | Beachten Sie dies nicht, reichen Sie die Klage also ohne vorheriges Schlichtungsverfahren ein, machen Sie sich gegenüber ihrem Mandanten schadenersatzpflichtig. Die Kosten für das erste - unnötige - Klageverfahren können nicht abgerechnet werden. |
Eine Kostenentscheidung in Schlichtungsverfahren ist ausgeschlossen. Kommt es nach erfolglosem Schlichtungsverfahren zu einem Rechtsstreit, regelt § 15a Abs. 4 EGZPO, dass zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 ZPO die Kosten der Gütestelle gehören, die durch das Einigungsverfahren entstanden sind. Soweit in dem Rechtsstreit eine Kostenentscheidung ergeht oder ein Vergleich über die Kosten getroffen wird, sind also auch die Kosten des vorangegangenen Verfahrens entsprechend zu erstatten und festzusetzen.
MERKE | Die in den Verfahren nach Nr. 2303 Nr. 1 RVG angefallenen Anwaltskosten werden dann nicht erstattet. Ausnahme: Die Parteien haben die Erstattung z. B. in einem Vergleich vereinbart (OLG Hamm OLGR 07, 672; LG München I Rpfleger 97, 408; Anwk/N. Schneider, a.a.O., Rn. 49). |