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  • · Fachbeitrag · Gegenstandswert

    Bei mehreren Teilanerkenntnisurteilen gibt es eine Terminsgebühr aus Summe der Einzelwerte

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Dem Anwalt steht nach Ansicht des LG Düsseldorf die Terminsgebühr aus der Summe der Einzelwerte zu, wenn im Laufe des Verfahrens eine fiktive Terminsgebühr aus einzelnen Gegenständen gesondert ausgelöst wird (hier: mehrere Teilanerkenntnisurteile ) . |

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall klagte die Klägerin K gegen die Beklagte B auf Zahlung eines Betrags von 1.804 EUR nebst vorgerichtlicher Kosten. B erkannte zunächst einen Betrag von 250 EUR an, sodass das AG ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren erließ. Anschließend nahm K die Klage in der Hauptsache i. H. v. 1.304 EUR zurück und verlangte jetzt nur noch weitere 250 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten. B erkannte die weiteren 250 EUR an. Daraufhin erging im schriftlichen Verfahren ein zweites Teilanerkenntnisurteil über die weiteren 250 EUR und ein Schlussurteil, mit dem der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten abgewiesen wurde. Den Antrag des Anwalts der K, den Gegenstandswert der Terminsgebühr auf 500 EUR festzusetzen, wies das AG zurück. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg (LG Düsseldorf 3.4.23, 22 T 20/23, Abruf-Nr. 235369).

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist richtig. Die Beschwerde gegen die unterbliebene Wertfestsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Terminsgebühr ist nach § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Das Erreichen eines Beschwerdewerts von mehr als 200 EUR ist nicht erforderlich. Nach einhelliger Rechtsprechung gibt es keine Mindestbeschwer (OLG Hamm JurBüro 21, 147). Nach Auffassung des KG ist eine solche Beschwerde sogar unbefristet möglich (NJW 66, 1369).

     

    MERKE | Zwar muss der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigen (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG) oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, muss die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulassen (§ 33 Abs. 3 S. 2 RVG). Zudem muss die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Dies gilt aber nur für eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG, also gegen eine Entscheidung, mit der das Gericht den Gegenstandswert festgesetzt hat. Wenn das AG dagegen ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ keinen Gegenstandswert festgesetzt hat, sondern dessen Festsetzung verweigert, greifen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 RVG nicht.

     

    Auch in der Sache ist die Entscheidung zutreffend. Die fiktive Terminsgebühr kann hinsichtlich verschiedener Gegenstände gesondert ausgelöst werden. Die einzelnen Werte sind sodann zu addieren. Dies gilt auch, wenn insoweit unterschiedliche Gebührentatbestände einschlägig sind. Für den Fall des LG Düsseldorf gilt: Der Gegenstandswert der Terminsgebühr richtete sich abweichend vom Streitwert des Verfahrens nicht nach dem eingeklagten Betrag von 1.804 EUR, sondern betrug 500 EUR. Aufgrund des ersten Teilanerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren sind zunächst gemäß Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG eine Terminsgebühr aus dem Wert von 250 EUR und für das zweite Teilanerkenntnisurteil eine weitere Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG entstanden. Da die Terminsgebühr gemäß § 15 Abs. 2 RVG insgesamt nur einmal entsteht, werden die beiden vorgenannten Werte gemäß § 22 Abs. 1 RVG addiert und der Gegenstandswert der Terminsgebühr auf insgesamt 500 EUR festgesetzt. Soweit das Gericht noch über die vorgerichtlichen Kosten im schriftlichen Verfahren entschieden hat, ist dies nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Insoweit handelt es sich um eine Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 1 GKG).

     

    • Beispiel 1

    K klagt gegen B auf Zahlung von 4.000 EUR. B erkennt 1.000 EUR an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren ergeht. Über die restlichen 3.000 EUR schließen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen schriftlichen Vergleich, den sie nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich feststellen lassen.

     

    Lösung

    Die Terminsgebühr entsteht nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG aus dem vollen Wert von 4.000 EUR, und zwar aus 1.000 EUR aufgrund des Anerkenntnisurteils und aus den weiteren 3.000 EUR aufgrund des schriftlichen Vergleichs:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

    361,40 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

    333,60 EUR

    1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 3.000 EUR)

    278,00 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    188,67 EUR

    1.181,67 EUR

     

     

    Die fiktive Terminsgebühr kann auch neben einer echten Terminsgebühr entstehen. Es kann hinsichtlich eines Gegenstands eine fiktive Terminsgebühr entstehen und hinsichtlich eines anderen Gegenstands eine echte Terminsgebühr. Die einzelnen Werte sind auch in diesem Fall zu addieren (a. A. nur OLG Schleswig SchlHA 22, 116).

     

    • Beispiel 2

    K klagt gegen B auf Zahlung von 8.000 EUR. B erkennt 5.000 EUR an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren ergeht. Über die restlichen 3.000 EUR wird mündlich verhandelt.

     

    Lösung

    Die Terminsgebühr entsteht aus dem vollen Wert von 8.000 EUR. Aus 5.000 EUR entsteht sie nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG und aus weiteren 3.000 EUR nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

    652,60 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

    602,40 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    242,25 EUR

    1.517,25 EUR

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 96 | ID 49427176