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  • · Fachbeitrag · PKH-Anwalt

    Staatskasse muss angemessenen Vorschuss für Einholung eines Privatgutachtens zahlen

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Zur Vergütung eines PKH-Anwalts i.S. des § 47 Abs. 1 RVG zählen auch Auslagen, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung seines Auftrags erforderlich sind, z.B. die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens für die sachgerechte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seiner Partei. Dem beigeordneten Rechtsanwalt ist für derartige Auslagen aus der Staatskasse ein angemessener Vorschuss gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 RVG zu gewähren (OLG Hamm 14.5.13, 25 W 94/13, Abruf-Nr. 132252).

     

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt R des Klägers hat gemäß § 47 Abs. 1 RVG einen Vorschuss aus der Staatskasse für die Kosten der Einholung eines Privatgutachtens verlangt, um das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Der Antrag wurde vom Kostenbeamten abgelehnt. Die Erinnerung hat das LG zurückgewiesen. Die Beschwerde des R hatte beim OLG Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Zur Vergütung zählen auch Auslagen des R, es sei denn, sie sind nach § 46 Abs. 1 RVG nicht zur sachgemäßen Durchführung des Auftrags erforderlich. Die Aufwendungen für die Einholung eines Privatgutachtens stellten Auslagen dar, denn es handelt sich um Aufwendungen, die der beigeordnete R tätigt, weil seine Partei dazu nicht in der Lage ist (z.B. Bezahlung von Privatgutachterkosten). Wenn aber die Privatgutachterkosten als Auslagen anzuerkennen sind, muss R auch einen angemessenen Vorschuss beantragen können.

     

    Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, als es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen. Die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten ist aber zu bejahen, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Ebenso wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder den Beweisen des Gegners entgegentreten zu können oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient. Hier ist die erstgenannte Fallgruppe einschlägig. Der Kläger ist - auch wenn er als gelernter Kaufmann und selbstständiger Gewerbetreibender - über kaufmännische Kenntnisse verfügt, aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die betriebswirtschaftlichen Abhandlungen des gerichtlichen Sachverständigen in einem hinreichenden Maß zu hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzudecken. Hierfür bedarf es der Hinzuziehung eines Betriebswirts oder Steuerberaters.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist in einem Zivilverfahren ergangen. Die Ausführungen des OLG haben aber auch im Strafverfahren Bedeutung, da § 47 RVG nicht zwischen Zivil- oder Strafverfahren unterscheidet. Es kann also z.B. auch der Pflichtverteidiger einen Vorschuss auf seine Auslagen verlangen (zu Privatgutachten im Strafverfahren vgl. die Zusammenstellung bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., Rn. 1236 m.w.N.).

     

    Von Bedeutung sind auch noch Ausführungen des OLG zum Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag war nämlich vom Rechtsanwalt gestellt worden, nachdem das LG bereits die mündliche Verhandlung geschlossen hatte. Das hat nach Auffassung des OLG aber keine Auswirkungen auf das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar habe der Kläger nicht mehr die Möglichkeit, das durch das LG eingeholte Sachverständigengutachten mithilfe eines Privatgutachtens anzugreifen. Der Kläger habe aber bei Zubilligung eines Kostenvorschusses zumindest die Möglichkeit, im Fall eines auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gestützten, ihn beschwerenden Urteils des LG dieses im Wege der Berufung - gestützt auf ein Privatgutachten - anzugreifen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Das Antrags- und Rechtsmittelverfahren richtet sich nach den §§ 55 ff. RVCG.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 132 | ID 40338600