· Fachbeitrag · Rechtsmittelrücknahme
Achtung: Fristwahrende Einlegung des Rechtsmittels schützt nicht vor Kostenerstattung
von RA Norbert Schneider, Neunkirchen
Wird eine Beschwerde ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt und gleichzeitig der Gegner gebeten, sich im Beschwerdeverfahren noch nicht zu bestellen, so ist die volle Verfahrensgebühr auf Seiten des Beschwerdegegners erstattungsfähig, wenn er dennoch seinen Anwalt im Beschwerdeverfahren beauftragt (BGH 28.2.13, V ZB 132/12, Abruf-Nr. 131671). |
Sachverhalt
Im Versteigerungsverfahren hatte das AG den Antrag auf einstweilige Einstellung zurückgewiesen. Dagegen wurde ausdrücklich „fristwahrend“ Beschwerde erhoben und der Anwalt des Gegners gebeten, sich noch nicht zu bestellen. Die Beschwerde wurde noch innerhalb der Begründungsfrist zurückgenommen. Der Anwalt des Gegners hatte sich entgegen der Bitte zuvor bei Gericht bestellt und Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Im Kostenfestsetzungsverfahren meldete er erfolglos eine 0,5-Verfahrensgebühr (Nr. 3500 VV RVG) an. Die sofortige Beschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg, da der Gegner nach Auffassung des LG die sich aus Treu und Glauben ergebende Verpflichtung, die Verfahrenskosten möglichst niedrig zu halten, verletzt habe. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Die Erstattungsfähigkeit der hier entstandenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG scheitert nicht daran, dass das Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt worden war. Eine solche Einschränkung der Kostenerstattung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (BGH NJW 03, 756). Es kommt auch nicht darauf an, ob bei nachträglicher Betrachtung die Einschaltung des Anwalts erforderlich war. Vielmehr ist aus der ex-ante-Sicht einer verständigen Partei zu beurteilen, ob die Einschaltung eines Anwalts zweckmäßig erscheint. Das aber ist grundsätzlich zu bejahen, wenn ein Rechtsmittel - sei es auch nur fristwahrend - eingelegt wird. Eine Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist. Dazu bedarf sie rechtlicher Beratung. Ihr kann auch nicht zugemutet werden, abzuwarten, ob das Rechtsmittel tatsächlich durchgeführt wird (BGH NJW 03, 756).
Die Entscheidung entspricht der einhelligen BGH-Rechtsprechung, wonach eine mit einem Rechtsmittel überzogene Partei sich sofort anwaltlicher Hilfe bedienen darf und die dadurch entstehenden Kosten zu erstatten sind. Bei einem nur fristwahrend eingelegten Rechtsmittel ist es allerdings noch nicht erforderlich, bereits einen Zurückweisungsantrag zu stellen. Daher ist in der Regel nur eine ermäßigte Verfahrensgebühr wegen vorzeitiger Erledigung zu erstatten (BGH NJW 03, 2992; NJW 07, 3723). Da die Verfahrensgebühr der Nr. 3500 VV RVG jedoch keine Ermäßigung bei vorzeitiger Erledigung kennt, spielte dies hier keine Rolle, sodass die volle Gebühr festzusetzen war.