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  • · Fachbeitrag · Videotermin

    Reisekosten zum Termin werden trotz möglicher Videoschalte erstattet

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | Die Reisekosten des Anwalts und seiner Partei zu einem Termin sind nach dem OLG Zweibrücken erstattungsfähig, selbst wenn das Gericht nach § 128a ZPO die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Video von einem anderen Ort gestattet hat. |

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall hatte der Kläger K durch den an seinem Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt R vor dem auswärtigen LG Klage erhoben. Das LG gestattete den Parteien und ihren Anwälten gemäß § 128a ZPO, an der mündlichen Verhandlung per Video teilzunehmen. Ungeachtet dessen reiste R persönlich zum Termin und nahm dort an der mündlichen Verhandlung teil. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren meldete K auch die Reisekosten des R zur Erstattung an. Hiergegen wandte sich der Beklagte B und machte geltend, dass die angemeldeten Reisekosten nicht erstattungsfähig seien. Die Reise sei nicht notwendig gewesen, da R per Video an der Verhandlung hätte teilnehmen können. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, persönlich anzureisen. Die Rechtspflegerin des LG hat die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das OLG Zweibrücken zurückgewiesen (9.10.23, 6 W 47/23, Abruf-Nr. 238124).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Teilnahme an einer Verhandlung per Video gemäß § 128a ZPO ist nicht verpflichtend. Nach dem Gesetz ist den Rechtsanwälten und Parteien die Teilnahme per Video zu „gestatten“. Daher steht es dem Anwalt und der Partei frei, dennoch zur mündlichen Verhandlung vor dem Gericht persönlich zu erscheinen. Entschließt sich ein Prozessbevollmächtigter dazu, handelt es sich um zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung, die nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO notwendig und daher erstattungsfähig sind.

     

    Relevanz für die Praxis

    Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 03, 898; NJW-RR 04, 858) und gefestigter Instanzrechtsprechung muss eine Partei für einen Rechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht nicht einen dort ansässigen Anwalt mandatieren, sondern darf grundsätzlich einen Anwalt an ihrem Wohnsitz bzw. an ihrer Niederlassung beauftragen. Reisekosten zum Termin sind in diesem Fall erstattungsfähig. Dies gilt auch, wenn die Kosten eines Terminsvertreters günstiger gewesen wären (BGH NJW-RR 05, 1662).

     

    Nur im umgekehrten Fall findet eine Vergleichsberechnung statt: Die tatsächlichen Reisekosten eines Rechtsanwalts dürfen die ersparten Kosten eines Terminsvertreters unbegrenzt übersteigen. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich eine Partei immer durch einen an ihrem Sitz bzw. an ihrer Niederlassung ansässigen Anwalt vertreten lassen darf. Ausnahmen gelten nur, wenn es der Partei aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne Weiteres möglich ist, einen Anwalt vor Ort zu beauftragen.

     

    Gleiches gilt für die Reisekosten der Partei zu einem Termin: Die Partei hat immer das Recht, am eigenen Termin teilzunehmen (OLG Koblenz AGS 10, 102; OLG Saarbrücken AGS 12, 496). Denn keiner kann besser zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Keiner kann besser einem Zeugen oder Gegner Vorhalte machen, wenn dieser die Unwahrheit sagt. Keiner kann besser entscheiden, ob ein Vergleich geschlossen wird oder nicht.

     

    An diesen Grundsätzen hat sich durch die Einführung der Möglichkeit, am gerichtlichen Verhandlungstermin per Videokonferenz teilzunehmen, nichts geändert. Insbesondere kann die persönliche Anreise nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Anwalt und Partei bestimmen die Taktik ihres Prozesses. Ob diese es für opportun halten, persönlich vor Gericht aufzutreten oder nicht, muss ihnen überlassen bleiben.

     

    So können gute Gründe dafürsprechen, von einer Videokonferenz abzusehen und persönlich zu erscheinen. Spontanität, Körpersprache, nonverbale Kommunikation und körperliche Reaktionen gehen oft aufgrund der Distanz verloren. Gebärden, Gesichtsausdruck, Gestikulieren und körperliche Bewegungen außerhalb des Kamerafeldes kommen bei einer Videoübertragung in vielen Fällen, gewollt oder ungewollt, nicht an. Persönlicher Ausdruck besteht nicht nur aus Worten, sondern ebenso aus Gestik und Mimik. Diese führen häufig zu Reaktionen, die dem Prozess dienlich sind. Darüber hinaus sieht so mancher Mandant erst in der direkten Konfrontation das Erfordernis, unangenehme oder schwierige Themen anzusprechen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 202 | ID 49777574