· Fachbeitrag · Mahnverfahren
Mehrvergleich im Mahnverfahren nutzen: Das können Sie abrechnen!
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Sog. Mehrvergleiche spielen in der gerichtlichen Streitpraxis eine große Rolle. Aber auch in gerichtlichen Mahnverfahren besteht für die Parteien die Möglichkeit, sich über weitergehende, nicht im Mahnverfahren rechtshängige Gegenstände zu einigen. Hier stellt sich oft die Frage, in welcher Höhe den beteiligten Rechtsanwälten eine Einigungsgebühr zusteht und ob eine Differenzverfahrens- und ggf. Terminsgebühr anfällt. Der folgende Beitrag klärt auf. |
1. (Differenz-)Verfahrensgebühr
Einigen sich die Parteien in einem Mahnverfahren auch über weitergehende, nicht im Mahnverfahren anhängige bzw. rechtshängige Gegenstände, entsteht zweifellos für den Rechtsanwalt des Antragstellers eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG und für den Rechtsanwalt des Antragsgegners nach Nr. 3307 VV RVG eine 0,5-Verfahrensgebühr.
Fraglich ist allerdings, ob dem Rechtsanwalt des Antragstellers wie im gerichtlichen Verfahren auch eine Differenzverfahrensgebühr zusteht:
- In der 1. Instanz eines Klageverfahrens entsteht in einem solchen Fall eine 0,8-(Differenz-)Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG.
- Im Mahnverfahren entspräche dies „einer“ 0,5-(Differenz-)Verfahrensgebühr nach Nr. 3306 VV RVG aus dem Wert der nicht anhängigen bzw. nicht rechtshängigen Ansprüche.
Denn im Mahnverfahren ist die Streitsache weder anhängig noch rechtshängig. § 696 Abs. 3 ZPO fingiert lediglich, dass die Streitsache als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden gilt, wenn sie „alsbald“ nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird. Wird die Sache jedoch nicht alsbald an das zur Durchführung des streitigen Verfahrens zuständige Gericht abgegeben, tritt die Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten beim Prozessgericht ein (BGH NJW 09, 1213).
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Rechtsanwalt R klagt auftragsgemäß 2.000 EUR ein. Nachdem die Klage zugestellt ist, unterbreitet der Beklagtenvertreter S ein schriftliches Vergleichsangebot über einen Zahlbetrag von 3.000 EUR. Hierdurch sollen auch weitere nicht rechtshängige Ansprüche von 5.000 EUR mit abgegolten sein. R nimmt im Auftrag des Mandanten das Vergleichsangebot an.
Sowohl Kläger- als auch Beklagtenanwalt verdienen die folgenden Vergütungsansprüche: | ||
1,3-Verfahrensgebür aus 2.000 EUR, Nr. 3100 VV RVG |
215,80 EUR |
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0,8-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG |
267,20 EUR |
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483,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,3 aus 7.000 EUR |
579,80 EUR |
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1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR |
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1,5-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
501,00 EUR |
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667,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,5 aus 7.000 EUR |
669,00 EUR |
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Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 222,30 EUR | |
1.392,30 EUR |
Überträgt man das Beispiel 1 auf das Mahnverfahren, stellt man fest, dass es dort an einer vergleichbaren Regelung wie im Klageverfahren nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG fehlt. Die Folge ist: Es entsteht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut daher für den Antragstellervertreter eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG und für den Antragsgegnervertreter eine 0,5-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3307 VV RVG aus dem Gesamtwert von 7.000 EUR.
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Rechtsanwalt R erwirkt auftragsgemäß einen Mahnbescheid über 2.000 EUR. Nach Zustellung des Mahnbescheids unterbreitet der Antragsgegnervertreter S ein schriftliches Vergleichsangebot über einen Zahlbetrag von 3.000 EUR. Hierdurch sollen auch weitere, nicht vom Mahnbescheid erfasste („nicht rechtshängige“) Ansprüche von 5.000 EUR mit abgegolten sein. R nimmt im Auftrag des Mandanten das Vergleichsangebot an.
Für die beteiligten Rechtsanwälte entstehen folgende Vergütungsansprüche: | ||
I. Antragstellervertreter R | ||
1,0-Verfahrensgebür aus 7.000 EUR, Nr. 3305 VV RVG |
446,00 EUR | |
1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR | |
1,5-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
501,00 EUR | |
667,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,5 aus 7.000 EUR |
669,00 EUR |
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Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 215,27 EUR | |
1.348,27 EUR | ||
II. Antragsgegnervertreter S | ||
0,5-Verfahrensgebür aus 7.000 EUR, Nr. 3307 VV RVG |
223,00 EUR | |
1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR | |
1,5-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
501,00 EUR | |
667,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,5 aus 7.000 EUR |
669,00 EUR |
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Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 172,90 EUR | |
1.082,90 EUR | ||
Beachten Sie | In der Praxis fällt auf, dass die Gebühr der Nr. 3305 VV RVG und der Nr. 3307 VV RVG regelmäßig nur aus dem anhängigen Betrag (hier 2.000 EUR) berechnet wird. |
Ob dieses Ergebnis vom Gesetzgeber beim Rechtsanwalt des Antragstellers tatsächlich so gewollt ist, muss bezweifelt werden:
- Denn der Rechtsanwalt kann im Mahnverfahren, in dem geringere Gebühren als im Rechtsstreit anfallen (1,3 gemäß Nr. 3100 VV RVG), für dieselbe Tätigkeit wie in einem Rechtsstreit (0,8 gemäß Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG) nicht höhere Verfahrensgebühren erhalten als im Rechtsstreit.
- Konsequenterweise müsste Nr. 3306 VV RVG angewendet werden. Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG verfolgt aber den Zweck, die Gerichte zu entlasten und ein langwieriges weiteres gerichtliches Verfahren zu vermeiden, weil die Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten durch die Einbeziehung von Gegenständen mithelfen, die bislang nicht bei dem Gericht an- bzw. rechtshängig gemacht worden sind (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 211 re. Sp.). Deshalb ist entsprechend Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG die Regelung der Nr. 3306 VV RVG anzuwenden.
- Hieraus folgt, dass aus dem Mehrwert der Einigung die Verfahrensgebühr der Nr. 3305 VV RVG gemäß Nr. 3306 VV RVG nur zu 0,5 unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG abzurechnen ist.
Für die Gebühren des Rechtsanwalts des Antragsgegners spielt die Nr. 3306 VV RVG hingegen keine Rolle. Diese Regelung ist nur im Zusammenhang mit der Nr. 3305 VV RVG anzuwenden („Die Gebühr 3305 beträgt …“). Bei diesem Rechtsanwalt bleibt es daher bei einer 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV RVG aus dem Gesamtwert der rechtshängigen und nicht rechtshängigen Ansprüche. Insofern ist im Beispiel 2 die Berechnung der Gebühren für den Rechtsanwalt des Antragstellers zu korrigieren und man kommt beim Antragstellervertreter zu dem folgenden Ergebnis:
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1,0-Verfahrensgebür aus 2.000 EUR, Nr. 3305 VV RVG |
166,00 EUR | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nrn. 3306, 3305 VV RVG |
167,00 EUR | |
333,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,0 aus 7.000 EUR |
446,00 EUR |
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1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR | |
1,5-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
501,00 EUR | |
667,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,5 aus 7.000 EUR |
669,00 EUR |
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Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 193,80 EUR | |
1.213,80 EUR |
2. Termins- und Einigungsgebühr
Auch in Mahnverfahren entstehen bei vergleichsweisen Besprechungen bzw. bei Einigungen regelmäßig eine 1,2-Terminsgebühr (vgl. Vorbem. 3.3.2. i. V. m. Nr. 3104 VV RVG) und eine Einigungsgebühr. Erzielt der Anwalt zudem über weitergehende, im Mahnverfahren nicht anhängige Ansprüche eine Einigung und führt darüber eine Besprechung i. S. d. VV Vorbem. 3 Abs. 3, entsteht die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG (VV Vorbem. 3.3.2. i. V. m. VV Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3104 VV RVG) aus dem Gesamtwert sämtlicher anhängiger und nicht anhängiger Ansprüche (§ 23 Abs. 1 RVG i. V. m. § 39 Abs. 1 GKG).
MERKE | Zusätzlich zur Terminsgebühr fällt stets eine 1,0-, 1,3- oder 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1, Nr. 1003 bzw. Nr. 1004 VV RVG an. Allerdings ist dabei die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Die Terminsgebühr entsteht hingegen nicht, wenn lediglich „schriftliche Besprechungen“ vorgenommen werden. |
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Rechtsanwalt R erwirkt für Mandant M einen Mahnbescheid über 2.000 EUR. Anschließend verhandelt R telefonisch mit dem gegnerischen Anwalt S, wobei dieser noch eine nicht anhängige Gegenforderung von 5.000 EUR einwendet. R und S einigen sich über die gesamten 7.000 EUR. Es entstehen folgende Gebühren:
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1,0-Verfahrensgebür aus 2.000 EUR, Nr. 3305 VV RVG |
166,00 EUR | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nrn. 3306, 3305 VV RVG |
167,00 EUR | |
333,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,0 aus 7.000 EUR |
446,00 EUR |
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1,2-Terminsgebühr aus 7.000 EUR, Nr. 3104 VV RVG |
535,20 EUR | |
1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR | |
1,5-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG |
501,00 EUR | |
667,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,5 aus 7.000 EUR |
669,00 EUR |
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Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 295,48 EUR | |
1.850,68 EUR |
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Rechtsanwalt R erwirkt für Mandant M einen Mahnbescheid über 2.000 EUR. Anschließend verhandelt R telefonisch mit dem gegnerischen Anwalt S, wobei dieser noch eine Gegenforderung von 5.000 EUR einwendet, die in einem anderen Verfahren erstinstanzlich anhängig ist. R und S einigen sich über die gesamten 7.000 EUR. Es entstehen folgende Gebühren:
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1,0-Verfahrensgebühr aus 2.000 EUR, Nr. 3305 VV RVG |
166,00 EUR | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nrn. 3306, 3305 VV RVG |
167,00 EUR | |
333,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,0 aus 7.000 EUR |
446,00 EUR |
|
1,2-Terminsgebühr aus 7.000 EUR, Nr. 3104 VV RVG |
535,20 EUR | |
1,0-Einigungsgebühr aus 7.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
446,00 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 253,49 EUR | |
1.587,69 EUR |
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Rechtsanwalt R erwirkt für Mandant M einen Mahnbescheid über 2.000 EUR. Anschließend unterbreitet der Gegenanwalt S ein schriftliches Vergleichsangebot, das auch weitere 5.000 EUR beinhaltet, die in einem Berufungsverfahren anhängig sind. R nimmt das Vergleichsangebot an. Es entstehen folgende Gebühren:
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1,0-Verfahrensgebür aus 2.000 EUR, Nr. 3305 VV RVG |
166,00 EUR | |
0,5-Verfahrensgebühr aus 5.000 EUR, Nrn. 3306, 3305 VV RVG |
167,00 EUR | |
333,00 EUR | ||
Gemäß § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,0 aus 7.000 EUR |
446,00 EUR |
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1,0-Einigungsgebühr aus 2.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
166,00 EUR | |
1,3-Einigungsgebühr aus 5.000 EUR, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG |
434,20 EUR | |
600,20 EUR | ||
Gem. § 15 Abs. 3 RVG höchstens 1,3 aus 7.000 EUR |
579,80 EUR | |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG | 177,23 EUR | |
1.110,03 EUR |