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  • 03.02.2004 · IWW-Abrufnummer 040324

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.12.2003 – IXa ZB 234/03

    Während eines Vollstreckungsverfahrens gilt die Gebühr des § 57 Abs. 1 BRAGO auch eine Anfrage des Rechtsanwalts beim Einwohnermeldeamt über die Anschrift des Schuldners mit ab. Für eine solche Tätigkeit kann eine weitere Gebühr nach § 120 Abs. 2 BRAGO nicht verlangt werden.


    BUNDESGERICHTSHOF
    BESCHLUSS

    IXa ZB 234/03

    vom
    12. Dezember 2003

    in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

    Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, von Lienen, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Roggenbuck

    am 12. Dezember 2003

    beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 22. Juli 2003 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

    Der Beschwerdewert wird bis zu 300,00 ? festgesetzt.

    Gründe:

    I.

    Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlassen, mit dem die Ansprüche des Schuldners auf Altersruhegeld und sonstige Rentenanwartschaften bei der LVA Oberbayern gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen wurden. Von der geltend gemachten Gesamtforderung in Höhe von 858,19 ? hat es einen Teilbetrag von 79,85 ? abgezogen, der sich aus drei Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 120 Abs. 2 BRAGO für drei Anfragen des Gläubigervertreters beim Einwohnermeldeamt zusammensetzt. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers, mit der er die Erstreckung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf diese Gebühren erreichen wollte, ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Gläubigers.

    II.

    Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

    1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, das sich einer verbreiteten Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1998, 468 = Rpfleger 1998, 444; LG Konstanz Rpfleger 1992, 365; LG Hannover AnwBl. 1989, 687; LG Berlin JurBüro 1987, 71; Hansens JurBüro 1987, 809, 811 ff.) angeschlossen hat, ist die von einem Rechtsanwalt beim Einwohnermeldeamt eingeholte Auskunft über die Anschrift des Schuldners nicht als besondere Tätigkeit gemäß § 120 Abs. 2 BRAGO zu vergüten; vielmehr ist sie durch die für die Zwangsvollstreckung anfallende 3/10-Gebühr des § 57 Abs. 1 BRAGO mit abgegolten. Wenn die Anschriftenermittlung während eines laufenden gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens erfolge, verbiete es die Systematik der BRAGO, die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in gerichtliche (Zwangsvollstreckung) und außergerichtliche (Anschriftenermittlung) aufzuspalten. Die Anfrage beim Einwohnermeldeamt, die als Standardanfrage keinen besonderen Aufwand erfordere, sei als eine die eigentliche Vollstreckungshandlung vorbereitende Maßnahme gemäß § 58 Abs. 1 BRAGO zu qualifizieren, die nicht separat zu vergüten sei.

    2. Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde unter Berufung auf die Gegenmeinung (vgl. LG Konstanz AnwBl 1991, 168; LG Hamburg JurBüro 1990, 1291; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO 15. Aufl. § 120 Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze 32. Aufl. BRAGO § 120 Rn. 8) die Auffassung, die Anschriftenermittlung des Schuldners stelle nicht nur eine vorbereitende Handlung gemäß § 58 BRAGO, sondern eine eigene Angelegenheit im Sinne des § 120 Abs. 2 BRAGO dar. Diese sei nicht Aufgabe des Rechtsanwalts, sondern Sache des Gläubigers. Außerdem handele es sich bei der Einwohnermeldeamtsanfrage um ein besonderes behördliches Verfahren. Da sie eine außergerichtliche Tätigkeit darstelle, verstoße die Anwendung des Vergütungstatbestandes des § 120 BRAGO auch nicht gegen die Systematik der BRAGO. Die für die Ermittlung der Anschrift des Schuldners angefallenen Kosten seien notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, so daß sich die Erstattungspflicht des Schuldners unmittelbar aus § 788 ZPO ergebe.

    3. Der Standpunkt der Rechtsbeschwerde vermag nicht zu überzeugen. Zu Recht hat das Landgericht für die Einwohnermeldeamtsanfragen durch den Gläubigervertreter den Anfall von zusätzlichen Rechtsanwaltsgebühren aus § 120 Abs. 2, § 11 Abs. 2 Satz 1 BRAGO abgelehnt.

    Durch die 3/10-Zwangsvollstreckungsgebühr der § 57 Abs. 1 Satz 1, § 31 BRAGO wird jede der Vollstreckung dienende Maßnahme des Rechtsanwalts mit abgegolten, die zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen als dieselbe Angelegenheit anzusehen ist (§ 58 Abs. 1 und 2 BRAGO). Grundsätzlich bilden die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluß der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. Dabei stehen nur diejenigen Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, aaO § 58 Rn. 2, 4; Hartmann, aaO § 58 Rn. 3).

    Anfragen durch einen Rechtsanwalt beim Einwohnermeldeamt zur Ermittlung der Anschrift des Schuldners, die der Vorbereitung und Weiterverfolgung eines erteilten Zwangsvollstreckungsauftrags dienen, bilden zusammen mit den weiteren Vollstreckungshandlungen im Regelfall die gleiche Angelegenheit. Zum einen steht eine solche Anschriftenermittlung mit der eigentlichen Zwangsvollstreckung in einem ganz engen inneren Zusammenhang, weil sie unabdingbare Voraussetzung für das Ziel des Gläubigers ist, vom Schuldner befriedigt zu werden. Zum anderen ist sie als Standardanfrage regelmäßig mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden und in Vollstreckungsfällen häufig erforderlich. Im Gegensatz zu der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht ist es wegen des dargestellten engen Zusammenhangs unerheblich (a.A. Lappe, Kostenrechtsprechung BRAGO, §§ 57, 58 Nr. 70 und § 120 Nr. 7), daß es sich bei der Einwohnermeldeamtsanfrage um ein behördliches Verfahren handelt und es der Sache nach Aufgabe des Gläubigers und nicht des Rechtsanwalts wäre, die Anschrift des Schuldners zu ermitteln. Wenn der Rechtsanwalt die Anfrage beim Einwohnermeldeamt übernimmt, dient diese Tätigkeit der Durchführung der Zwangsvollstreckung.

    Die Systematik der BRAGO verbietet es, während eines laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens die Anfrage beim Einwohnermeldeamt als eine von den weiteren Vollstreckungsmaßnahmen losgelöste, selbständige Tätigkeit anzusehen und dafür eine gesonderte Rechtsanwaltsgebühr gemäß § 120 Abs. 2 BRAGO anzuerkennen. Innerhalb derselben Angelegenheit können anwaltliche Tätigkeiten grundsätzlich nicht in gerichtliche (Zwangsvollstreckung) und außergerichtliche (Ermittlung der Anschrift des Schuldners) aufgespalten, sondern nur entweder dem gerichtlichen oder dem außergerichtlichen Bereich zugeordnet werden. § 120 Abs. 2 BRAGO gehört zu den Vorschriften im Zwölften Abschnitt der BRAGO, durch welche die anwaltliche Tätigkeit in einer Angelegenheit abgegolten werden soll, die nicht im Dritten bis Elften Abschnitt der BRAGO geregelt ist. Fällt also - wie im Streitfall - die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter den Tatbestand der Vollstreckungsgebühr gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO und damit in den Dritten Abschnitt der BRAGO, ist rechtssystematisch der Ansatz einer Gebühr aus deren Zwölften Abschnitt ausgeschlossen (vgl. OLG Zweibrücken aaO; LG Konstanz Rpfleger 1992, 365; Hansens aaO; Mümler JurBüro 1992, 77; Lorenschat DGVZ 1989, 150).

    4. Da Rechtsanwaltsgebühren nach § 120 Abs. 2 BRAGO für die Anfragen beim Einwohnermeldeamt nicht angefallen sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob diese gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 ZPO als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung erstattungsfähig wären (vgl. LG Berlin aaO; Hansens aaO).

    RechtsgebietBRAGOVorschriftenBRAGO § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO § 58 BRAGO § 120 Abs. 2