31.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060313
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.12.2005 – VII ZB 57/05
Die dem Gläubiger in einem Drittschuldnerprozess entstandenen notwendigen Kosten können, soweit sie nicht beim Drittschuldner beigetrieben werden können, im Verfahren nach § 788 ZPO festgesetzt werden.
Das gilt hinsichtlich entstandener Anwaltskosten auch dann, wenn der Drittschuldnerprozess vor dem Arbeitsgericht geführt wird.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 57/05
vom
20. Dezember 2005
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Bauner, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und Safari Chabestari
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 3. März 2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 746,56 ¤
Gründe:
I.
Der Gläubiger begehrt die Festsetzung der ihm in einem Drittschuldnerprozess entstandenen Anwaltskosten gegen die Schuldnerin.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin ließ der Gläubiger deren Lohnansprüche gegen die Firma D. (Drittschuldnerin) pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Sodann erhob er vor dem Arbeitsgericht gegen die Drittschuldnerin Zahlungsklage. In diesem Prozess entstanden ihm Anwaltskosten in Höhe von 746,56 ¤.
Der Gläubiger hat beantragt, diese Kosten gemäß § 788 ZPO gegen die Schuldnerin festzusetzen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das Beschwerdegericht hat ihm stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin. Diese erstrebt weiterhin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Die Beschwerdeentscheidung wurde vom gesetzlichen Richter erlassen. Wie sich aus den Unterschriften ergibt, hat die Zivilkammer nach Übertragung des Verfahrens wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung entschieden. Dass im Rubrum nur die Einzelrichterin als entscheidende Richterin genannt ist, beruht ersichtlich auf einem Versehen.
2. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die durch einen Drittschuldnerprozess ausgelösten Kosten könnten grundsätzlich als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO festgesetzt werden. Der Schuldner, der die Zwangsvollstreckung veranlasst habe, müsse für die daraus entstehenden Kosten haften. Ihm das Prozessrisiko des Gläubigers aus dem Drittschuldnerprozess aufzuerlegen, stehe im Einklang mit dem Normzweck des § 788 ZPO. Der Schuldner sei dadurch, dass er nur die notwendigen Kosten zu erstatten habe, ausreichend geschützt. Handele es sich bei dem Drittschuldnerprozess um ein arbeitsgerichtliches Verfahren, stehe der Erstattungsfähigkeit der Kosten auch nicht § 12 a ArbGG entgegen. Dieser gelte nur für die Parteien des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, also für Gläubiger und Drittschuldner, habe aber keine Auswirkungen auf die Kostenfestsetzung nach § 788 ZPO. Die Einschaltung eines Anwalts im Drittschuldnerprozess durch den Gläubiger sei auch notwendig gewesen.
3. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Ob die Kosten eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner über eine gepfändete und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO festgesetzt werden können, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur umstritten. Überwiegend wird die Frage bejaht (vgl. die Nachweise bei Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 788 Rdn. 13 Stichwort "Rechtsstreit" und Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rdn. 12). Die Gegenmeinung wird vor allem vom Oberlandesgericht München (JurBüro 1990, 1355) und ihm folgend von den Oberlandesgerichten Schleswig (JurBüro 1992, 500) und Bamberg (JurBüro 1994, 612) vertreten.
b) Die herrschende Meinung trifft zu. Die Kosten des Drittschuldnerprozesses sind Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 Abs. 1 ZPO.
aa) Nach dieser Vorschrift fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren, dem Schuldner zur Last. Kosten der Zwangsvollstreckung sind jedenfalls alle Aufwendungen, die gemacht werden, um unmittelbar die Vollstreckung aus dem Titel vorzubereiten oder die einzelnen Vollstreckungsakte durchzuführen (Schuschke in Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 788 Rdn. 6; weitergehend Zöller/Stöber, aaO., Rdn. 3; vgl. zum Meinungsstand BGH, Beschluss vom 14. April 2005 - V ZB 5/05, NJW 2005, 2460). Der Schuldner hat diese Kosten zu tragen, weil er sie verursacht hat. Er hat den titulierten Anspruch des Gläubigers nicht erfüllt (Veranlassungsprinzip, vgl. MünchKommZPO/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 788 Rdn. 1).
bb) Die Kosten des Drittschuldnerprozesses sind Kosten der Zwangsvollstreckung in diesem Sinne. Es handelt sich beim Drittschuldnerprozess um eine Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers. Er dient unmittelbar dazu, den die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner betreffenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu vollziehen (vgl. OLG Hamm, OLGR 1997, 224). Der Schuldner hat diese Kosten veranlasst.
c) Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Argumente der Mindermeinung, die sich auch die Rechtsbeschwerde zu Eigen macht, sind nicht stichhaltig.
aa) Zwar trifft es zu, dass die Kosten solcher Prozesse, die aus Anlass der Zwangsvollstreckung geführt werden, wie etwa die Vollstreckungsabwehrklage oder die Drittwiderspruchsklage, nicht nach § 788 ZPO festgesetzt werden können. Dort geht es jedoch um gerichtlichen Schutz gegen die Vollstreckung, also um die Verhinderung der Anspruchsverfolgung. Der Drittschuldnerprozess dagegen dient unmittelbar der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Beides ist nicht vergleichbar.
bb) Es ist nicht unbillig, über § 788 ZPO dem Schuldner das Kostenrisiko des Drittschuldnerprozesses aufzuerlegen. Der Hinweis darauf, dass jeder Gläubiger, der seine Forderung im Klagewege verfolgen müsse, das Prozessrisiko trage, geht fehl. Die Kosten des Drittschuldnerprozesses sind im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner nicht Prozesskosten, sondern Vollstreckungskosten. Für diese gilt das Veranlassungsprinzip.
cc) Der Gläubiger ist durch die Ansprüche, die ihm bei einem Misserfolg der Drittschuldnerklage gegen den Schuldner wegen unzureichender Auskunft nach § 836 Abs. 3 ZPO bzw. gegen den Drittschuldner wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung (§ 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO) zustehen können, nicht ausreichend geschützt. Diese Ansprüche erfassen nicht die Fälle, in denen es aus anderen Gründen zu einer Abweisung der Drittschuldnerklage kommt. Auch würde der Gläubiger, um auf diesem Wege zu einer Kostenerstattung zu kommen, in einen weiteren Prozess gedrängt, obwohl § 788 ZPO ein rasches und einfaches Verfahren zur Durchsetzung seines Anspruchs zur Verfügung stellt.
dd) Die Interessen des Schuldners sind ausreichend gewahrt. Er hat nur dann die Kosten des Drittschuldnerprozesses zu tragen, wenn dieser nicht von vornherein aussichtslos war, wenn die Kosten auch sonst notwendig waren und wenn sie beim Drittschuldner nicht beigetrieben werden konnten. Die Annahme, die herrschende Meinung verleite den Gläubiger dazu, leichtfertig Prozesse gegen Drittschuldner zu führen, ist durch nichts belegt.
ee) Dass die Kostenfestsetzung gemäß § 788 Abs. 2 ZPO dem Rechtspfleger übertragen ist und dieser daher zu prüfen hat, ob die entstandenen Kosten notwendig waren und ob der Drittschuldnerprozess nicht von vornherein aussichtslos war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es handelt sich um eine summarische Prüfung, bei der auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist (a.A. OLG Stuttgart, Rpfleger 1996, 117), und die der Rechtspfleger anhand der Gerichtsakten vornehmen kann. Dem Schuldner bleibt es unbenommen, ein für ihn negatives Ergebnis dieser Prüfung im Rechtsmittelwege überprüfen zu lassen. Die Behauptung der Rechtsbeschwerde, viele Schuldner seien nicht in der Lage, ihre Belange durch Einlegung eines Rechtsbehelfs zu wahren, trifft jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu.
d) § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG steht der Festsetzung der dem Gläubiger im Drittschuldnerprozess vor dem Arbeitsgericht entstandenen Anwaltskosten nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift besteht vor dem Arbeitsgericht im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs unter anderem kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Die Vorschrift ist sozialpolitisch motiviert. Sie soll den arbeitsgerichtlichen Prozess des ersten Rechtszugs verbilligen und auf diese Weise das Kostenrisiko der Parteien beschränken (Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, § 12 a Rdn. 4; BAG, Urteil vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 56/90, NJW 1990, 2643, 2645). Diese Zielsetzung betrifft nur die Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses, hier also Gläubiger und Drittschuldner. Sie lässt sich auf die Frage, welche Kosten im Rahmen des § 788 Abs. 1 ZPO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner festzusetzen sind, nicht übertragen (vgl. MünchKommZPO/Karsten Schmidt, 2. Aufl., § 788 Rdn. 13 und Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 788 Rdn. 21).
e) Danach sind die vom Gläubiger geltend gemachten Anwaltskosten des Drittschuldnerprozesses im Verfahren nach § 788 ZPO festzusetzen. Die Schuldnerin bezweifelt nicht, dass sie notwendig waren. Eine Erstattung durch die Drittschuldnerin scheidet selbst bei einem Obsiegen des Gläubigers aus, § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG.