09.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102805
Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 14.06.2010 – 8 U 21/09
1. Das grundsätzlich gegenständlich beschränkte Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO kann im Einzelfall soweit reichen, dass der Zeuge überhaupt keine Fragen beantworten und bei schriftlich vorab erklärter Zeugnisverweigerung nicht vor Gericht erscheinen muss. Dies gilt auch für Fragen in Bezug auf Taten, für die Strafklageverbrauch und Verjährung in Betracht kommen, falls sie ´Teilstücke in einem mosaikartigen Beweisgebäude´ für Taten bilden können, für die die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung besteht.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Zeugen im Zwischenverfahren hat in diesem Fall der Beweisführer zu tragen. der Streitwert kann im Einzelfall den Wert der Hauptsache erreichen (hier: 3/4).
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Zwischenurteil II
8 U 21/09
13 O 37/08 Landgericht Hannover
Verkündet am 14. Juni 2010
In dem Rechtsstreit XXX
hier: Zwischenstreit über die Rechtsmäßigkeit der
Zeugnisverweigerung des Zeugen H. S.,
…
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G. … im M.
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht … für Recht erkannt:
1. Der Zeuge H. S. ist wegen der bei der Staatsanwaltschaft Hannover unter den Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 und 4212 Js 16308/10 gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf die von der Klägerin erhobenen Behauptungen,
der Geschäftsführer der Firmengruppe H., Herr W., habe sowohl auf Versichererseite als auch auf Kundenseite aktiv Gehilfen gesucht, die seine Untreuehandlungen innerhalb der H. Firmengruppe deckten und verschleierten,
er habe den Zeugen S. direkt auf dieses Thema angesprochen und
mit diesem eine konspirative Absprache getroffen,
nach § 384 Nr. 2 ZPO umfassend zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
2. Die Kosten des Zwischenstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf bis zu 7.500.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem zwischen der Beklagten und der H. Gruppe (im Folgenden: H.) geschlossenen Versicherungsvertrag wegen ihr angeblich im Zusammenhang mit von H. durchgeführten Geldtransporten entstandener Schäden in Anspruch.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, aus dem Versicherungsvertrag keine Leistungen erbringen zu müssen. Unter anderem habe sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil H. die bestehende Pflicht, eine bei Abschluss des Versicherungsvertrages längst eingetretene Überschuldung der Firmengruppe, ein von ihr betriebenes Schneeballsystem zur Deckung von Kapitallücken sowie einen Schadensfall aus dem Monat Mai 2001 anzuzeigen, schuldhaft verletzt habe.
Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, dass der Beklagten die Überschuldung, das Schneeballsystem und der betreffende Schadensfall bekannt gewesen seien. Der Zeuge W. habe als Geschäftsführer der Firmengruppe H. sowohl auf Versichererseite als auch auf Kundenseite aktiv Gehilfen gesucht, die seine Untreuehandlungen innerhalb der H.Firmengruppe deckten und er hierzu den Mitarbeiter der Beklagten H. S. direkt angesprochen und mit diesem konspirative Absprachen getroffen habe. Die Klägerin hat sich zum Beweis u. a. auf das Zeugnis des K. W. und des H. S. berufen.
Gemäß Beschluss vom 17. Dezember 2009 (Bl. 829 d. A.) sollte über die Behauptungen der Klägerin Beweis durch die Vernehmung der Zeugen W. und S. erhoben werden. Gegen die Zeugen wird bei der Staatsanwaltschaft Hannover zum Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 u. a. wegen des Vorwurfs der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) ermittelt. Gegen den Zeugen S. zum Aktenzeichen 4212 Js 16308/10 zudem auch wegen des Verdachts der Geldwäsche. Unter dem 11. April und 12. August 2008 erließ das Amtsgerichts Hannover Durchsuchungsbeschlüsse (Anlage K 78, Bl. 564 f. Bd. III d. A. und Anlage Bk 3, Bl. 754 - 757 Bd. III d. A.). Dem Zeugen S. wird dort vorgeworfen, vom Zeugen W. zahlreiche Zuwendungen erhalten zu haben, damit er trotz oft tagelanger Verzögerungen bei Zahlungen der Kundengelder durch H. nichts unternehme, Schadenakten schließe sowie im Zusammenhang mit der Gewährung von GebäudeVersicherungsschutz auf die Einhaltung erforderlicher Sicherungsmaßnahmen an H.Gebäuden verzichte und erforderliche VDSZertifikate nicht einfordere, wodurch die H.Gruppe einen erheblichen finanziellen Vorteil gegenüber anderen Wettbewerbern erhalten habe.
Mit Verfügung vom 28. Mai 2010 hat der Senat unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 4. April 2010 darauf hingewiesen, dass dem Zeugen S. in Bezug auf die Beweisfragen des Beschlusses vom 17. Dezember 2009 ebenfalls ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zustehen dürfte.
Auch insoweit hat die Klägerin geltend gemacht, dass dem Zeugen S. kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO zustehe und das Beweisthema mit dem Gegenstand der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren in keinem Zusammenhang stehe. Der Zeuge sei zu befragen und im Hinblick auf die einzelnen Fragen müsse geprüft werden, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht bestünde. Auch für den Zeugen S. bestehe eine Gefahr der Strafverfolgung schon deshalb nicht, weil wegen etwaiger ihm noch vorzuwerfender Straftaten (z. B. Untreue nach § 266 StGB und/oder Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB) bereits Verfolgungsverjährung nach § 78 StGB eingetreten sei und aus der Beantwortung der meisten Fragen nicht darauf geschlossen werden könne, dass mit einer möglichen Kenntnis der Beklagten von Straftaten bei H. gleichzeitig Bestechungen verbunden waren.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die umfassende Zeugnisverweigerung des Zeugen S. unzulässig ist.
Der Zeuge S. tritt dem entgegen und begehrt die Zurückweisung dieses Antrags. Er beruft sich mit Schriftsätzen seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21. Mai, 4. Juni und 13. Juni 2010 auf ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO, welches er unter Verweis auf die bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführten Ermittlungsverfahren damit begründet, dass er sich bei Beantwortung der von der Klägerin formulierten Fragen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetze. Im Raum stünden die Vorwürfe, kollusiven Zusammenwirkens und Annahme von Zuwendungen vom Mitbeschuldigten W. sowie Steuervergehen hierdurch. Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten. Auch er müsse sich auch nicht zu verjährten Taten äußern, weil solche Angaben im Sinne einer „Mosaiktheorie“ (BVerfG NJW 2002, 1411) einzelne Bausteine zu nicht verjährten Taten liefern könnten.
II.
A. Der Antrag der Klägerin auf Durchführung eines Zwischenstreits ist zulässig. Über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung des Zeugen S. war gemäß § 387 Abs. 1 ZPO zu entscheiden.
B. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Zeugnisverweigerung des Zeugen S. ist nach § 384 Nr. 2 ZPO berechtigt, denn durch die Beantwortung der Fragen, die zu den Beweisbehauptungen der Klägerin aus dem Beschluss vom 17. Dezember 2009 an ihn zu richten wären, würde sich der Zeuge der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen.
1. Die Gefahr der Strafverfolgung hat sich für den Zeugen S. schon insoweit realisiert, als gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 bereits ein Verfahren wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB und unter dem Aktenzeichen 4212 Js 16308/10 ein weiteres wegen des Vorwurfs der Geldwäsche nach § 261 StGB geführt wird. Dort wird dem Zeugen S. u. a. vorgeworfen, von dem Zeugen W. zahlreiche Zuwendungen erhalten zu haben, damit er trotz oft tagelanger Verzögerungen bei Zahlungen der Kundengelder durch H. nichts unternehme und Schadenakten schließe. Der Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens steht mit dem Inhalt des Beweisbeschlusses vom 17. Dezember 2009 in untrennbarem Zusammenhang, denn die Klägerin behauptet im hiesigen Verfahren, dass der Zeuge W. auf Versichererseite und auf Kundenseite aktiv Gehilfen gesucht habe, die seine Untreuehandlungen innerhalb der H.Firmengruppe deckten und verschleierten, er den Zeugen S. direkt auf dieses Thema angesprochen und mit ihm eine konspirative Absprache getroffen habe. Diesen Behauptungen ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens 4212 Js 27241/07 nachzugehen, um Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB nachweisen zu können.
a) Dem Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 2 ZPO steht nicht entgegen, dass die Ermittlungsverfahren bereits unabhängig von etwaigen Angaben des Zeugen im Rahmen einer Beweisaufnahme in diesem Verfahren eingeleitet wurden, denn es genügt auch die Gefahr der Beweiserleichterung für ein bereits anhängiges Strafverfahren (vgl. Greger in Zöller, ZPO 28. Auflage 2010, § 384, Rdnr. 6). Würde der Zeuge S. auf entsprechende Fragen dazu, ob der Zeuge W. ihn direkt darauf angesprochen habe, Untreuehandlungen innerhalb der H. Firmengruppe zu decken und verschleiern und ob er mit dem Zeugen W. eine konspirative Absprache getroffen habe, wahrheitsgemäß antworten müssen, könnten die Mitglieder des Senats und die den Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme wahrnehmenden Bevollmächtigten der Parteien als Zeugen in dem Strafverfahren angehört und der Zeuge S. insoweit der Begehung der ihm vorgeworfenen Straftaten auch dann überführt werden, wenn er sich in dem Strafverfahren auf das Recht als Angeklagter berufen würde, sich nicht zur Sache einzulassen. Er würde durch seine Vernehmung als Zeuge in diesem Zivilverfahren für das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren Beweismittel gegen sich selbst liefern, was mit der in Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. BVerfG NJW 1975, 103).
b) Auch wenn § 384 Nr. 2 ZPO grundsätzlich nur ein gegenständlich beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht enthält (BGH NJW 1994, 197. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO 30. Aufl. 2009, § 384, Rdnr. 1. Greger in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 384, Rdnr. 1. Huber in: Musielak ZPO, ZPO, 7. Aufl. 2009 § 284, Rdnr. 1. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 384 Rdnr. 1. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht 16. Aufl. 2006, § 119, Rdnr. 23) führt dies im vorliegenden Fall nicht dazu, dass dem Zeugen einzelne Fragen zu stellen und daran zu prüfen wäre, ob jeweils ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Auch das gegenständlich beschränkte Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO kann inhaltlich so weit reichen, dass der Zeuge überhaupt keine Fragen beantworten muss (BGH NJW 2008, 2038).
Bezogen auf die Beweisthemen des Beschlusses vom 17. Dezember 2009 sind keine sachdienlichen Fragen ersichtlich, die an den Zeugen S. gerichtet werden könnten, ohne von dessen Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO umfasst zu sein. Insbesondere die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Mai 2010 in Bezug auf den Zeugen W. formulierten Fragen (Bl. 900 ff. d. A.) sind auch von dem Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen S. umfasst, weil sie im Kern immer auf die These „Kollusion mit Versicherungen“ zielen und deshalb entsprechend umformuliert auch diesem Zeugen S. zu stellen wären.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Mai 2010 formulierten Fragen zu 2. a) bis d) und f) vom Beweisthema des Beschlusses vom 17. Dezember 2009 erfasst sind, weil deren und auch die Beantwortung der übrigen Fragen zu 2. e) sowie g) bis j) von dem Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen S. nach § 384 Nr. 2 ZPO umfasst sind. Auch wenn die Beantwortung einer einzelnen Frage zu den Beweisbehauptungen für sich genommen - z. B. die von der Klägerin unter 2. f) angekündigte Frage nach einer etwaig bestehenden Freundschaft zwischen dem Zeugen W. und dem Zeugen S. - nicht für eine Verurteilung des Zeugen S. in dem bei der Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ausreichen würde, gibt ihm die Vorschrift des § 384 Nr. 2 ZPO gleichwohl das Recht, sämtliche Fragen nicht zu beantworten. Denn nach der zum Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO ergangenen höchstrichterlichen Rechtssprechung genügt für die Begründung eines solchen Auskunftsverweigerungsrechts die Gefahr, dass der Zeuge Auskünfte über „Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude“ (BVerfG NJW 2002, 1411. BGH NJW 1999, 1413) geben und damit zugleich potentielle Beweismittel gegen sich selbst liefern müsste. Für das Zeugnisverweigerungsrecht nach der Vorschrift in § 384 Nr. 2 ZPO, die hinsichtlich des Rechts, das Zeugnis über solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung dem Zeugen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, mit der Bestimmung in § 55 StPO wortgleich ist, kann deshalb nichts anderes gelten. Entgegen der Ansicht der Klägerin bergen nicht nur die von ihr mit Schriftsatz vom 11. Mai 2010 formulierten Fragen zu 2. i) und j) die Gefahr
der Strafverfolgung im Falle einer Beantwortung, sondern auch die übrigen Fragen.
c) Zu den Fragen im Einzelnen:
Soweit die Klägerin mit ihren Fragen unter 2. a) bis e) darauf abzielt, in Erfahrung zu bringen, ob und wenn ja, ab wann der Beklagten dieses Rechtsstreits Zahlungsverzögerungen bei H. und/oder das dort betriebene Schneeballsystem bekannt gewesen ist, würde sich der Zeuge S. im Hinblick auf das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr mit deren Beantwortung deshalb der Gefahr der Strafverfolgung bzw. der Beweiserleichterung aussetzen können, weil jedenfalls bislang nicht - und zwar weder in dem durch das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Mai 2007 abgeschlossenen Strafverfahren (Az.: 25 KLs 5413 Js 18030/06) noch durch den Senat in den bislang zum H.Komplex ergangenen Entscheidungen (Urteile vom 19. September 2008 zu 8 U 11/08 [VersR 2008, 1532] und 8 U 63/08, vom 29. Januar 2009 zu 8 U 41/08 [veröffentlicht bei juris], 8 U 93/08 und 8 U 94/08, vom 26. März 2009 zu 8 U 170/08, vom 27. Mai 2009 zu 8 U 180/08 und 8 U 192/08, vom 19. Juni 2009 zu 8 U 213/08, vom 19. November 2009 zu 8 U 15/09, vom 22. Dezember 2009 zu 8 U 55/09 und 8 U 54/09 sowie vom 18. Februar 2010 zu 8 U 2/09 und 8 U 25/09) - festgestellt worden ist, dass die Beklagte und insbesondere der Zeuge S. bereits vor dem Zusammenbruch des Schneeballsystems im Februar 2006 tatsächlich Kenntnis davon hatte, dass die Zahlungen nicht taggleich und fristgerecht eingingen. Durch die Beantwortung dieser Frag könnte der Zeuge S. ein Motiv für die ihm zur Last gelegten Bestechlichkeit liefern, denn solange nicht festgestellt ist, dass er Kenntnis von den Untreuehandlungen hatte, hätte auch kein Grund bestanden, ihn durch etwaige Zuwendungen zum Schweigen hierüber zu veranlassen.
Soweit die Klägerin mit der unter 2. b) angekündigten Frage direkt danach fragen will, warum der Zeuge S. - nach den Angaben des Herrn A. M. - bei Prüfungen „beide Augen zu machte“, zielt diese Frage auf den Kern der gegen die Zeugen W. und S. geführten Ermittlungen ab. Gegebenenfalls müssten sie erklären, dass dem Zeugen S. Vorteile versprochen oder zugewandt wurden, damit er „beide Augen zu mache“.
Auch die von der Klägerin unter 2. c) und d) angekündigten Fragen sind von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO umfasst, weil sie letztlich - wie Frage 2. a) - auf eine mögliche Motivation abzielen, den Zeugen S. und/oder andere Mitarbeiter der Beklagten durch Zuwendungen zum Schweigen zu veranlassen. Entsprechendes gilt auch für die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Mai 2010 unter 2. e) angekündigte Frage, ob der Zeuge W. dem Zeugen S. oder einem anderen Mitarbeiter der Beklagten jemals von den Fehlbeträgen, dem Schneeballsystem, Liquiditätsengpässen, Unterschlagungen oder Untreuehandlungen bei H. erzählt habe. Die im Schriftsatz der Klägerin vom 11. Mai 2010 unter 2. d) weiter formulierte Frage, warum das Schneeballsystem bei etwaigen Prüfungen der Beklagten nicht aufgefallen sei, zielt wie die Frage 2. b) auf mögliche Zuwendungen an den Zeugen S. als Motiv zur Nichtbeachtung des Schneeballsystems. Das gleiche gilt für die Beantwortung der Fragen 2. g) nach fehlenden Reaktionen auf Kundenbeschwerden Sicherheitsprüfungen wie auch für die Fragen h), i) und j). Hinsichtlich der Frage 2. i) nach den dort aufgezählten Vorteilen, die der Zeuge S. von dem Zeugen W. erhalten haben soll, liegt die Relevanz für den Tatvorwurf der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr auf der Hand. Würde der Zeuge W. auf die Fragen nach der Zuwendung der dort aufgef ührten Vorteile antworten müssen, dass er diese Vorteile dem Zeugen S. habe zukommen lassen, könnte dies eine Beweiserleichterung in dem gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführten Ermittlungsverfahren bedeuten. Nichts anderes gilt für die Frage 2. j), ob der Zeuge S. „als Gegenleistung für die Zuwendungen auf Sicherheitsprüfungen verzichtet und/oder das Schneeballsystem und die Untreuehandlungen/Unterschlagungen sehenden Auges geduldet“ habe. Die Frage unterstellt Zuwendungen und zielt auf den Kern der Ermittlungen in dem Verfahren 4212 Js 27241/07 der Staatsanwaltschaft Hannover.
Sofern die Frage 2. f) nach einer Freundschaft zwischen dem Zeugen W. und dem Zeugen S. unter das Beweisthema des Beschlusses vom 17. Dezember 2009 fiele, zielt dies auf ein besonderes Näheverhältnis der beiden Zeugen und mutmaßlich von ihnen getroffene konspirative Absprachen als ´Mosaiksteine´ zur Beweisführung in den Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Bestechung im geschäftlichen Verkehr.
2. Die wahrheitsgemäße Beantwortung der Beweisfragen kann dem Zeugen S. auch zur Unehre gereichen, wenn er gezwungen wäre, sich selbst strafbaren Verhaltens zu bezichtigen. Gegen den Zeugen S. wurde bislang keine Anklage erhoben. Deshalb kommt auch ein Strafklageverbrauch nach Art. 103 Abs. 3 GG nicht in Betracht.
3. Der Zeuge S. hat nach Erhalt der Ladung zu dem Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 14. Juni 2010 durch Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. Mai, 04. Juni und 13. Juni 2010 erklärt, dass er vollumfänglich von dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO Gebrauch mache. Er hat auf die bei der Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Bezug genommen und das geltend gemachte Zeugnisverweigerungsrecht damit auch nach § 386 Abs. 1 ZPO in ausreichendem Maße begründet, denn die Berechtigung der Weigerung war auf der Grundlage der geschilderten Tatsachen nachzuprüfen (vgl. Baumbach/ Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 386, Rdnr. 4. Reichold in: Thomas/ Putzo, ZPO 30. Aufl. 2009, § 386, Rdnr. 1. Berger in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 6. §§ 328 - 510 b, 22. Aufl. 2006, § 386, Rdnr. 1). Einer besonderen Glaubhaftmachung bedarf es grundsätzlich nur in Zweifelsfällen (vgl. Berger in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 6. §§ 328 - 510 b, 22. Aufl. 2006, § 386, Rdnr. 1. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO 30. Aufl. 2009, § 384, Rdnr. 1. Greger in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 386, Rdnr. 1. Trautwein in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 1. Aufl. 2010, § 386, Rdnr. 3). Sind die vorgetragenen Tatsachen schon nach den Umständen, insbesondere aus dem Inhalt der gestellten Fragen, ohne weiteres glaubhaft, bedarf es keiner Glaubhaftmachung im eigentlichen Sinne von § 294 ZPO (vgl. ebenda). Hier bestanden an der Tatsache, dass gegen den Zeugen S. bei der Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren mit einem in Bezug auf die Beweisbehauptungen relevanten Gegenstand geführt wird, in Anbetracht der Mitteilung von Seiten der Staatsanwaltschaft Hannover keine Zweifel.
Zum heutigen Termin zur mündlichen Verhandlung musste der Zeuge nicht erscheinen, weil er sein Zeugnisverweigerungsrecht in gesetzlich zulässiger Weise schriftlich durch einen Bevollmächtigten hat erklären lassen (§ 386 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 3 Alt. 1, § 387 Abs. 2 ZPO).
4. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht feststellbar, dass hinsichtlich der dem Zeugen S. in den unter dem Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 und 4212 Js 16308/10 bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführten Ermittlungsverfahren vorgeworfenen Straftaten bereits Verfolgungsverjährung eingetreten wäre.
Die zuständige Ermittlungsbehörde hält die Taten nicht für verjährt. Die Ermittlungen dauern an und die Gefahr einer strafrechtlichen Ermittlung des Zeugen besteht fort. In dem Verfahren 4212 Js 16308/10 wurden die Ermittlungen ausweislich des Aktenzeichens erst in diesem Jahr aufgenommen. Bestechung im geschäftlichen Verkehr wird nach § 299 Abs. 2, 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, weshalb die Tat nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren - nicht, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 2010 vorträgt, in drei Jahren - verjährt. Absolute Verfolgungsverjährung nach § 78 c Abs. 3 S. 2 StGB tritt somit 10 Jahre nach Beginn der Verjährungsfrist ein, die gemäß § 78 a StGB mit Beendigung der Tat in Lauf gesetzt wird. Soweit ein Vorteil im Sinne von § 299 Abs. 2 StGB als Gegenleistung angeboten, versprochen oder gewährt wird, ist die Tat mit der letzten Annahme des Vorteils beendet. kommt es nicht zu einer Gewährung des Vorteils, so tritt Beendigung erst ein, wenn sich die Forderung oder das Versprechen endgültig als fehlgeschlagen erwiesen haben und der Täter mit einer Erfüllung nicht mehr rechnet (vgl. Heine in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 299, Rdnr. 31 mit Hinweis auf BGH NJW 2003, 2996).
Auch wenn hinsichtlich einzelner Vorteile, die der Zeuge W. dem Zeugen S. nach den Ermittlungen zum Verfahren 4212 Js 27241/07 in strafrechtlich relevanter Weise nach § 299 Abs. 2 StGB zugewandt haben soll, zwischenzeitlich absolute Verjährung nach § 78 c Abs. 3 S. 2 StGB eingetreten sein könnte, soweit die Vorteilsgewährung mehr als 10 Jahre zurückliegt, ist jedenfalls für etwaige Vorteilsgewährungen die weniger als 10 Jahre zurückliegen und die am 11. April 2008 noch nicht verjährt waren, festzustellen, dass die Verjährung durch den Durchsuchungsbeschl üsse des Amtsgerichts Hannover vom 11. April und 12. August 2008 (Anlagen K 78, Bl. 564 f., Bd. III d. A. und Bk 3, Bl. 754 - 757, Bd. III d. A.) nach § 78 c) Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrochen, die Frist nach § 78 c) Abs. 3 S. 1 StGB damit von neuem in Lauf gesetzt worden ist und - vorbehaltlich der Regelungen über die absolute Verjährung nach § 78 c Abs. 3 S. 2 StGB frühestens am 11. bzw. 12. April 2013 enden wird. Soweit der Tatvorwurf an etwaige Vorteilsgewährungen aus der Zeit von Juni 2005 bis Februar 2006 anknüpft, ist die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB noch nicht abgelaufen, sodass dem Zeugen S. insoweit auch weiterhin die Strafverfolgung droht.
Im Übrigen bestünde gleichermaßen die Gefahr, dass selbst die Beantwortung entsprechender Fragen aus - unterstellt - verjährten Zeiträumen ein „Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude“ (vgl. BVerfG NJW 2002, 1411. BGH NJW 1999, 1413) betreffend Taten in nicht verjährter Zeit darstellen können und der Zeuge schon deshalb auch insoweit zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des Zwischenstreits zu tragen, einschließlich der notwendigen Auslagen des Zeugen S., die ihm als Partei des Zwischenstreits entstanden sind.
Der Streitwert war gemäß nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage des Zeugen S. für den Ausgang des Verfahrens festzusetzen (vgl. Greger in: Zöller ZPO, 28. Aufl. 2010, § 387, Rdnr. 5. Damrau in: MüKo, ZPO, 3. Aufl. 2008, § 387, Rdnr. 19. Reichold in: Thomas/ Putzo, ZPO 30. Aufl. 2009, § 387, Rdnr. 1. Trautwein in: Prütting/ Gehrlein, ZPO, 1. Aufl. 2010, § 387, Rdnr. 3). Dabei war zu berücksichtigen, dass die Aussage des Zeugen für die Entscheidung des Rechtsstreits insoweit von großer Bedeutung ist, als die Beklagte nicht zur Anfechtung berechtigt gewesen wäre, wenn der Klägerin der Beweis der positiven Kenntnis von den die Anfechtung begründenden Umständen gelingen würde, andererseits eine im Sinne der Klägerin positive Aussage noch nicht ´automatisch´ zum vollständigen Obsiegen in dem Rechtsstreit geführt hätte, weshalb der Senat einen Abschlag von 1/4 bezogen auf den Streitwert der Hauptsache für angemessen erachtet.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient.