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  • 27.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113161

    Landgericht Detmold: Beschluss vom 22.03.2011 – 3 T 160/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Detmold

    3 T 160/10
    Tenor:
    Der angefochtene Beschlusses wird dahin abgeändert, dass der Geschäftswert für das Betreuungsverfahren auf 560.073,27 € festgesetzt wird. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
    Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

    G r ü n d e :

    I.

    Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 31 Abs. 3 S. 1 KostO i.V.m. § 14 KostO, § 567 ZPO statthafte und bedenkenfrei zulässige Beschwerde der Betroffenen hat auch in der Sache teilweise Erfolg und führt in dem tenorierten Umfang zur Herabsetzung des Geschäftswerts für das Betreuungsverfahren.

    Nach § 92 Abs. 1 KostO ist für die Führung eines Betreuungsverfahrens eine Jahresgebühr nach dem Wert des reinen Vermögens des Betroffenen zu erheben abzüglich eines Schonbetrags in Höhe von 25.000,00 € sowie des in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannten Vermögenswerts. Maßgeblich für die Gebührenberechnung ist gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 KostO der Wert, den das Vermögen des Betroffenen zur Zeit der Fälligkeit der Gebühr hat. In einem Betreuungsverfahren wird die Gebühr erstmals mit der Anordnung der Betreuung fällig, § 92 Abs. 1 S. 6 KostO.

    Das Amtsgericht Lemgo hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 – am selben Tage zur Geschäftsstelle gelangt – die Beschwerdeführerin unter Betreuung gestellt und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Bewertungsstichtag für die in dem Betreuungsverfahren erstmals angefallene Jahresgebühr ist daher der 29. Oktober 2008.

    Von dem Vermögen der Betroffenen zu diesem Bewertungszeitpunkt ausgehend, hat die Kammer – in Abänderung des angefochtenen Beschlusses – den Geschäftswert gemäß § 31 Abs. 1 KostO auf insgesamt 560.073,27 € festgesetzt. Der Geschäftswert errechnet sich wie folgt:

    1. Barvermögen 17.438,91 €
    2. Wertpapiervermögen 194.083,54 €
    3. Grundbesitz
    a) Hofstelle/Wohnhaus 107.385,60 €
    b) Landwirtschaftsflächen 242.775,35 €
    c) Forstwirtschaftliche Flächen 21.353,62 €
    d) Grünland e) Wegflächen 2.036,25 € 0,00 €
    abzügl. Schonbetrag - 25.000,00 €
    560.073,27 €

    Sofern die Betroffene die Festsetzung eines Geschäftswerts von nur insgesamt 126.096,68 EUR begehrt, greift ihr Rechtsmittel nicht durch. Die Kammer hat das Beschwerdevorbringen – insoweit wird auf die Schriftsätze des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen vom 5. Februar 2009, 19. Februar 2009, 19. März 2009, 25. September 2009, 15. Februar 2010, 16. Februar 2010, 18. Mai 2010, 25. Juni 2010, 12. November 2010 und vom 27. Januar 2011 Bezug genommen – eingehend gewürdigt. Eine weitergehende Herabsetzung des Geschäftswerts ist danach jedoch nicht gerechtfertigt.

    Das bei der Festsetzung des Geschäftswerts zu berücksichtigende Vermögen der Betroffenen setzt sich wie folgt zusammen:

    1. Ausweislich der Vermögensaufstellung der Sparkasse M (Bl. 47 d.A.) verfügte die Betroffene zum 29. Oktober 2008 über ein Kontoguthaben in Höhe von insgesamt 17.438,91 €.

    2. Die von der Betroffenen gehaltenen drei Wertpapierdepots hatten zum Bewertungsstichtag einen Stand von insgesamt 194.083,54 € und sind in diesem Umfang – ohne Abschlag – als Vermögensbestandteil bei der Wertberechnung zu berücksichtigen (Dekabankdepot 28.009,32 €; Dynamikdepot 44.669,80 €; Depot flex 121.404,42 €). Die Beschwerde geht fehl in der Annahme, wenn sie meint, aufgrund der Volatilität der Kurse und der sich aus dem spekulativen Charakter des Invests ergebenden Wertschwankungen sei ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 50 % geboten. Die Vornahme des von der Rechtsmittelführerin geforderten Sicherheitsabschlags hätte zur Folge, dass von den Beteiligten durch die jeweilige Anlageform oder eine ggf. nur vorübergehende Anlage von Geld in Spekulationsgeschäfte der Wert des anzurechnenden Vermögens und damit auch die Gebührenhöhe in Betreuungs- oder z.B. in Nachlassverfahren erheblich beeinflusst werden könnte. Dies widerspricht jedoch erkennbar dem Willen des Gesetzgebers mit dem Reinvermögen eines Betroffenen auf eine möglichst objektive Bewertungsgrundlage bei der Gebührenberechnung zurückzugreifen. Bei Wertpapieren mit einem Kurswert ist nach gängiger Bewertungspraxis der Tageskurs zum Bewertungsstichtag maßgebend (zu vgl. Schwarz in Korintenberg, Lappe, C, Reimann, KostO, 18. Aufl., § 18, Rz. 24; Assenmacher/Mathias, KostO, 16. Aufl., Stichwörter: "Aktien", "Wertpapiere"), bei Anteilspapieren der Rücknahmepreis (zu vgl. Rohs/Wedewer, Kommentar zur KostO, § 19, Rz. 60 ff.). Wie aus der Vermögensaufstellung der Sparkasse M (Bl. 47 d.A.) klar hervorgeht, lassen sich sowohl die Aktien als auch die von der Betroffenen gehaltenen Fondsanteile anhand von Kurswerten bzw. Rücknahmepreisen bewerten, so dass die darin aufgeführten Beträge der Wertfestsetzung zugrunde zu legen sind.

    3. Hinsichtlich des zum Vermögen der Betroffenen gehörenden Grundbesitzes kann sich die Beschwerde nicht mit Erfolg auf das Geschäftswertprivileg des § 19 Abs. 4 KostO berufen. Durch diese Bestimmung soll dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz Rechnung getragen werden (zu vgl. Bengel/Tiedke in Korintenberg, Lappe, Bengel, Reimann, a.a.O., § 19, Rz. 79). Der landwirtschaftliche Betrieb der Betroffenen ist nach den Angaben ihres Verfahrensbevollmächtigten seit Jahren stillgelegt. Dass eine Wiederaufnahme des Betriebs beabsichtigt und möglich ist, wird von der Beschwerde nicht einmal selbst vorgetragen. Insoweit erschließt sich nicht, weshalb dieser Ausnahmetatbestand vorliegend zur Anwendung gelangen sollte.

    a) Bei der Bewertung des Grundbesitzes hat die Kammer die Hofstelle einschließlich der aufstehenden Wirtschaftsgebäude und des Wohnhauses nebst einer Grundstücksfläche von 7.949 qm als Einheit betrachtet und hierfür nur einen einzigen Wert in Ansatz gebracht. Die Schutzvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, der zufolge ein angemessenes Hausgrundstück nicht anzurechnen ist, kann die Beschwerdeführerin nicht zu ihren Gunsten reklamieren. Anrechnungsfrei sind nur solche Hausgrundstücke, die ein Betroffener allein oder zusammen mit denjenigen Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt, denen es nach seinem Tode weiter als Wohnung dienen soll (zu vgl. Hartmann, Kostengesetze, KostO, § 92, Rz. 10). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Die Betroffene lebt seit Anordnung der Betreuung in einem Senioren- und Pflegeheim. Ihr Wohnhaus wird allein von ihrem Lebensgefährten – ihrem Betreuer – bewohnt, für den diese sozialrechtliche Ausnahmevorschrift indes nicht gilt.

    Bei der Bewertung des Hofes einschließlich des Wohnhauses ist nicht auf den letzten Einheitswert (Einheitswertbescheid des Finanzamts M v. 27. April 2007 i.H.v. 27.916,00 €) abzustellen, weil konkrete Anhaltspunkte für einen höheren Verkehrswert zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr bestehen, § 19 Abs. 2 S. 1 KostO. Hier ergeben sich die Anhaltspunkte für den Verkehrswert des Grundbesitzes vielmehr aus amtlich bekannten Tatsachen, nämlich aus dem Brandversicherungswert der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und dem vom Oberen Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen ausgegebenen Bodenrichtwert für das Jahr 2008. Nach der vereinfachten Sachwertmethode beträgt der Verkehrswert des Grundbesitzes "I-Straße" zum hier maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkt 107.385,60 € und errechnet sich wie folgt:

    (1) Gebäudewert

    - Brandversicherungssumme 1914 34.500,00 M
    - Faktor für 2008: 11,52 397.440,00 €
    - abzügl. eines Sicherheitsabschlags i.H.v. 20% -79.488,00 €
    = 317.952,00 €
    - abzügl. eines weiteren Abschlags in % wegen des Gebäudealters (1 % pro Jahr, höchstens 60 %) hier: 60 % = -190.771,20 € 127.180,80 €
    - abzüglich eines weiteren Wertabschlags i.H.v. 25 % wegen des Zustands der aufstehenden Gebäude -31.795,20 €
    = 95.385,60 €

    (2) Bodenwert

    - 800 qm á 20,00 €/qm,
    = 16.000,00 €
    - abzügl. eines Sicherheitsabschlags iHv. 25% -4.000,00 €
    12.000,00 €

    (3) Verkehrswert der Hofstelle/des Wohnhauses: 107.385,60 €.
    12
    Sofern die Beschwerde die Hofstelle und das Wohnhaus – deutlich unter dem Einheitswert – mit einem Wert von lediglich 20.000,00 € in Ansatz bringt, entbehrt diese losgelöst von konkreten Zahlen und Daten erfolgende Schätzung bereits jedweder Tatsachengrundlage und ist deshalb schon im Ansatz nicht nachvollziehbar.
    Die gegen das vorliegend angewandte Bewertungsverfahren erhobenen Einwendungen tragen indessen nicht. Die Ermittlung des Verkehrswerts eines Hausgrundstücks nach der – vereinfachten – Sachwertmethode gilt seit langem in der obergerichtlichen Rechtsprechung als eine zulässige und praktikable Bewertungsmethode (vgl. beispielhaft BayObLG, RPfleger 1972, S. 464ff; FamRZ 2002, S. 41ff und 2005, S. 823ff.; Assenmacher/Mathias, a.a.O., Stichwort "Grundbesitzwert", Kap. 3.6.1) und entspricht der ständigen Bewertungspraxis der Kammer (zu vgl. LG Detmold, Beschl. v. 9. März 2009 – Az. 3 T 236/08; Beschl. v. 5. Februar 2010 – Az. 3 T 273/09; Beschl. v. 8. Juli 2010 – Az. 3 T 16/10). Zudem ist dieses Bewertungsverfahren auch bei landwirtschaftlichem Grundbesitz anerkannt (zu vgl. Bengel/Tiedke a.a.O., § 19, Rz. 39 m.w.N.). Das Beschwerdevorbringen vermag zum einen an der vorliegend feststehenden Brandversicherungssumme nichts zu ändern. Zum anderen verläuft entgegen der Auffassung der Beschwerde auch dieses Bewertungsverfahren auf der Basis des Brandkassenwerts nicht streng schematisch. Vielmehr werden die individuellen Besonderheiten des zu beurteilenden Grundbesitzes (Lage, Zuschnitt, Alter, Zustand des Grundbesitzes pp.) durch entsprechende Sicherheitsabschläge berücksichtigt. So ist hier neben einem allgemeinen Abschlag von 20 % (zu vgl. Bengel/Tiedke a.a.O., § 19, Rz. 56) ein weiterer Abschlag von 60 % erfolgt, um der altersbedingten Wertminderung der Hofstelle Rechnung zu tragen. Mit Blick auf den baulichen Zustand gerade der früheren Wirtschaftsgebäude hat die Kammer einen weiteren Abschlag in Höhe von 25 % vorgenommen. Dadurch werden die von der Beschwerde vorgetragenen Bauschäden und die einfache, nicht mehr zeitgemäße Bauausführung des aufstehenden Wohnhauses hinreichend berücksichtigt. Für weitergehende Wertminderungsabschläge bietet die Beschwerdebegründung keine ausreichende Grundlage.
    Die Festsetzung des Bodenwerts beruht auf den Richtwertangaben des Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen ("BORISplus"), der für die Anschrift "I-Straße" in L bezogen auf das Jahr 2008 einen Bodenrichtwert von 20,00 €/qm ausweist. Obwohl dieser Bodenrichtwert sich direkt auf die Adresse des zu bewertenden Grundbesitzes bezieht, ist er zu Gunsten der Betroffenen mit einem Sicherheitsabschlag von 25 % in die Bewertung eingeflossen. Die in der Rechtsmittelschrift geltend gemachten Lagenachteile sind daher in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Hinsichtlich des Bodenwerts lässt die Beschwerde zudem außer Acht, dass von der Gebäude- und Freifläche des Hofes von insgesamt 7.949 qm überhaupt nur eine Fläche von 800 qm wertmäßig in Ansatz gebracht worden ist.
    b) Die Landwirtschaftsfläche von 211.109 qm hat das Amtsgericht mit einem Betrag von 1,15 €/qm zutreffend bewertet. Dass der Rechtspfleger bei der Wertermittlung eine telefonische Auskunft der Gemeinde L zugrunde gelegt hat, begegnet im Verfahren der Geschäftswertfestsetzung nach § 31 KostO keinen Bedenken. Zur Höhe des Bodenwerts wird darauf hingewiesen, dass der Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses des Kreis Lippe in seinem "Grundstücksmarktbericht 2010" auch auf die Vorjahre eingeht und für das Jahr 2008 einen Durchschnittskaufpreis für Ackerland in Höhe von 1,67 € ausweist. Sofern dieser Richtwert nicht gebietsbezogen und für Flächen ab einer Größe von 2.500 qm ermittelt worden ist, werden die aus der Lage der zu bewertenden Landwirtschaftsflächen und deren Stückelung resultierenden Nachteile durch einen Abschlag von 0,52 €/qm pro qm hinreichend ausgeglichen. Auf Basis der so gefundenen Berechnungsgröße sind die Landwirtschaftsflächen wie folgt zu veranschlagen:
    211.109 qm á 1,15 € 242.775,35 €.
    c) Ebenso ist der von dem Amtsgericht für die Bewertung des Grünlandes herangezogene Ausgangswert von 1,00 €/qm nicht zu beanstanden. Der vorzitierte Gründstücksmarktbericht gibt bezogen auf das Jahr 2008 einen durchschnittlichen Verkaufspreis für Grünland von 1,01 €/qm (Flächen ab 2.500 qm) an. In Anbetracht der mit der Beschwerde vorgetragenen Lagenachteile hat die Kammer insoweit einen Sicherheitsabschlag von 25 % zugrunde gelegt, so dass sich danach für die Grünflächen folgender Wert ergibt:
    2.715 qm á 1,00 €/qm 2.715,00 €
    abzügl. eines Sicherheitsabschlags von 25 % - 678,75 €
    = 2.036,25 €
    d) Letztlich wird in dem angefochtenen Beschluss für die forstwirtschaftlichen Flächen – auf der Grundlage der von dem Gutachterausschuss des Kreises Lippe mitgeteilten Wertspanne von 0,20 bis 0,75 €/qm – in nicht zu beanstandender Weise ein Wert von 0,50 €/qm zugunde gelegt. Sofern mit der Beschwerde vorgetragen wird, dass die mit Fichten bewachsenen Flächen verwildert sind und sich in ungünstiger Hanglage befinden, hat die Kammer diese wertmindernden Umstände mit einem Sicherheitsabschlag von 25 % berücksichtigt. Danach sind die im Eigentum der Betroffenen stehenden Waldflächen wie folgt zu veranschlagen:
    56.943 qm á 0,50 €/qm 28.471,50 €
    abzügl. eines Sicherheitsabschlags von 25 % - 7.117,88 €
    = 21.353,62 €
    Die Wegflächen hat das Amtsgericht aus zutreffenden Erwägungen außer Ansatz gelassen.
    II.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 Abs. 5 KostO.
    Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, da hier keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung anstehen (§§ 14 Abs. 5 S. 1, 31 Abs. 3 S. 5 KostO).

    RechtsgebietSGBVorschriften§ 90 SGB XII