19.04.2011 · IWW-Abrufnummer 113163
BGH: Beschluss vom 10.03.2011 – IX ZB 104/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser und
die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und
die Richterin Möhring
am 10. März 2011
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 11. März 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 91.653,80 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Gläubigerin beantragte am 28. Februar 2008 aufgrund einer titulierten Forderung in Höhe von 11.079,69 € nebst Zinsen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Diese trat durch ihren Verfahrensbevollmächtigten dem Antrag entgegen. Nach einem Hinweis des Insolvenzgerichts auf die fehlende Darlegung eines Insolvenzgrundes nahm die Gläubigerin ihren Antrag zurück. Das Insolvenzgericht erlegte ihr die Kosten des Verfahrens auf und setzte den Gegenstandswert für die Gerichtskosten auf 11.079,69 € fest. Die Schuldnerin beantragte am 9. Mai 2008 die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV-RVG nach einem Wert von 11.079,69 €, insgesamt 649,74 €, gegen die Gläubigerin. Das Amtsgericht setzte diese Kosten am 26. Juni 2008 antragsgemäß fest. Der Beschluss wurde rechtskräftig. Mit weiterem Antrag vom 12. August 2008 beantragte die Schuldnerin die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV-RVG nach einem Wert von 27.232.274,80 €, insgesamt 99.086,54 € abzüglich der bereits festgesetzten 649,74 €. Den Gegenstandswert begründete sie mit den in ihrer Bilanz für das Jahr 2006 ausgewiesenen Aktiva.
2
Das Amtsgericht hat dem neuen Kostenfestsetzungsantrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren, das sie im Beschwerdeverfahren unter Vorlage der Bilanz für das Jahr 2007 auf 92.303,54 € abzüglich des rechtskräftig festgesetzten Betrags ermäßigt hat, weiter.
II.
3
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
4
1.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der angefallenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV-RVG sei nur ein Gegenstandswert von 11.079,69 € zugrunde zu legen. Die Bemessung des Gegenstandswerts richte sich nach § 28 Abs. 1 RVG. Danach berechne sich die Verfahrensgebühr des vom Schuldner beauftragten Rechtsanwalts im Eröffnungsverfahren zwar grundsätzlich nach dem Wert der Insolvenzmasse. Eine solche gebe es aber im Eröffnungsverfahren noch nicht, und der Wert einer fiktiven Masse sei schwer zu ermitteln. Eine Anknüpfung an die fiktive Insolvenzmasse berge auch ein hohes Kostenrisiko für Schuldner und Gläubiger. Die Verweisung auf § 58 GKG in § 28 Abs. 1 Satz 1 RVG erfasse auch die Regelung in § 58 Abs. 2 GKG, wonach der Wert der Gläubigerforderung maßgeblich sei, wenn dieser den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe. Auf die Frage, ob eine Nachfestsetzung bereits im Hinblick auf die Rechtskraft der ursprünglichen Kostenfestsetzung ausgeschlossen sei, komme es danach nicht an.
5
2.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben im Ergebnis keinen Erfolg.
6
a)
Der von der Schuldnerin begehrten Nachfestsetzung steht bereits die Rechtskraft der Kostenfestsetzung vom 26. Juni 2008 entgegen.
7
aa)
Kostenfestsetzungsbeschlüsse erwachsen formell und materiell in Rechtskraft (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - V ZB 51/02, NJW 2003, 1462). Die materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung steht einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen, soweit derselbe Streitgegenstand betroffen ist. Streitgegenstand des ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrags war die von den Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin im Verfahren über den Eröffnungsantrag der Gläubigerin verdiente Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV-RVG. Zwar beschränkt sich die Rechtskraft einer Entscheidung bei teilbaren Ansprüchen regelmäßig auf den geltend gemachten Betrag, auch wenn der Anspruchsteller nicht erkennbar gemacht hat, dass er nur einen Teilbetrag seines gesamten Anspruchs verlange und sich eine Nachforderung nicht vorbehalten hat. Voraussetzung einer beschränkten Rechtskraft bei der verdeckten Teilklage ist aber, dass Gegenstand des Begehrens verschiedene Teile eines Anspruchs sind und nicht ein einheitlicher, immer gleicher Anspruch, der lediglich in unterschiedlicher Weise berechnet wird (BGH, Urteil vom 9. April 1997 - IV ZR 113/96, BGHZ 135, 178, 181; vom 2. Mai 2002 - III ZR 135/01, BGHZ 151, 1, 3; vom 25. September 2007 - X ZR 60/06, BGHZ 173, 374 Rn. 15 f; vgl. auch Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 8 f).
8
bb)
Die Schuldnerin hat mit ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag erkennbar ihren gesamten Anspruch auf Erstattung der Verfahrensgebühr geltend gemacht. Indem sie die volle Verfahrensgebühr auf der Grundlage des von ihr für richtig gehaltenen Gegenstandswerts zur Festsetzung beantragt hat, gab sie zu erkennen, dass sie ihren ganzen Anspruch und nicht nur einen Teil davon festgesetzt haben wollte. Es sollte kein Rest zurückgestellt werden, der einer Nachforderung zugänglich wäre. Über diesen Anspruch hat das Amtsgericht rechtskräftig entschieden. In einem solchen Fall erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidung auf den ganzen geltend gemachten Gebührentatbestand, auch wenn der Antragsteller irrtümlich einen zu niedrigen Gegenstandswert zugrunde gelegt hat (a.A. OLG Hamm JurBüro 1975, 1107 und 1982, 450; HansOLG Hamburg MDR 1979, 235; wohl auch Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. § 103 Rn. 12 und § 107 Rn. 1 aE; für die Möglichkeit einer Nachliquidation nur bei Posten, die noch nicht Gegenstand eines rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses waren, hingegen OLG Frankfurt JurBüro 1986, 599; OLG Karlsruhe JurBüro 1994, 687; OLG München, MDR 2003, 55 und NJW-RR 2006, 1006; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Januar 2003, aaO). Eine Abänderung ist nach der Regelung des § 107 ZPO nur möglich, wenn der Wert des Streitgegenstands nachträglich vom Gericht abweichend festgesetzt wird. Dann wird die Rechtskraft der ursprünglichen Festsetzung durchbrochen (Musielak/Wolst, ZPO, 7. Aufl. § 107 Rn. 1; MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl. § 107 Rn. 1). Eine solche gerichtliche, vom ursprünglich zugrunde gelegten abweichende Festsetzung des Gegenstandswerts liegt jedoch nicht vor. Sie kann vom Senat auch nicht nachgeholt werden, denn die isolierte Abänderung des Streitwerts unterliegt nicht der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 33 Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 RVG).
9
b)
Ob die Nachforderung der Schuldnerin daneben auch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, etwa unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder demjenigen eines widersprüchlichen Verhaltens (dazu BVerfG JurBüro 1995, 421), kann offen bleiben.
Kayser
Raebel
Gehrlein
Grupp
Möhring