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  • 22.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120526

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 17.11.2011 – 18 WF 227/11

    Bei steckengebliebenen Stufenanträgen richtet sich der Gegenstandswert mindestens nach der Höhe der außergerichtlich geltend gemachten Forderung. Für nicht verbundfähige Verfahren, die von einem Beteiligten im Verbund geltend gemacht und bis zur Beendigung des Verfahrens nicht abgetrennt werden, ist im Verbund ein Gegenstandswert festzusetzen.


    18 WF 227/11

    Tenor:
    Auf die Beschwerde des Antragsgegnervertreters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Böblingen vom 27.06.2011 in der Form des Teilabhilfebeschlusses vom 14.10.2011 - jeweils 15 F 1221/07

    abgeändert

    und die Gegenstandswerte wie folgt festgesetzt:

    Verbundverfahren

    Scheidung 6.300.- €
    Versorgungsausgleich 1.890.- €
    Zugewinnausgleich 238.050,13 €
    Kindesunterhalt 5.448.- €
    Trennungsunterhalt 8.584,92 €
    Mehrwert des Vergleichs 8.584,92 €

    Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.

    Gründe
    I. Die Antragstellerin hat im Scheidungsverbundverfahren mit Schriftsatz vom 26.11.2007 eine Stufenklage Zugewinnausgleich sowie eine Stufenklage auf Zahlung von Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt ab dem 01.11.2007 anhängig gemacht. Ferner beantragte sie Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gestellten Anträge. Das Familiengericht stellte die Antragsschrift am 29.11.2007 zu und bewilligte durch Beschluss vom 25.02.2008 Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug einschließlich Folgesachen.

    Mit außergerichtlichem Schreiben vom 22.05.2009 bezifferte die Antragstellerin ihren monatlichen Unterhaltsanspruch auf 715,41 €, mit ebenfalls außergerichtlichem Schriftsatz vom 12.02.2010 errechnete sie ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich in Höhe von 238.050,13 € und forderte darüber hinaus die Rückzahlung einer unbenannten Zuwendung in Höhe von 58.051,49 €. Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Verbundverfahren protokollierte das Familienrecht eine Scheidungsfolgenvereinbarung, worin sich der Antragsgegner zur Bezahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 454.- € monatlich verpflichtete. Weiterhin verzichteten die Eheleute auf etwaige aufgelaufene Ansprüche auf rückständigen Trennungsunterhalt sowie auf künftigen nachehelichen Unterhalt. Letztlich verpflichtete sich der Antragsgegner, zur Abgeltung der Zugewinnausgleichsansprüche der Antragstellerin 120.000.- € zu bezahlen, wodurch alle gegenseitigen vermögensrechtlichen Ansprüche untereinander beglichen sein sollten. Die Ehegatten verzichteten wechselseitig auf etwaige weitergehende Zugewinnausgleichsansprüche sowie sonstige vermögensrechtliche Ansprüche und nahmen den Verzicht gegenseitig an. Sie erklärten sämtliche wechselseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, für abgefunden und erledigt.

    Das Familiengericht setzte die Gegenstandswerte für Ehesache und Versorgungsausgleich unbeanstandet in Höhe von 6.300.- € bzw. 1.890.- € fest. Weiterhin setzte es für den Zugewinnausgleich einen Gegenstandswert in Höhe von 120.000.- € und für den nachehelichen Unterhalt einen solchen von 8.584,92 € fest. Den Mehrwert des Vergleichs bemaß es hinsichtlich des Kindesunterhalts auf 5.448.- €.

    Mit der Beschwerde macht der Antragsgegnervertreter geltend, dass der Gegenstandswert im Zugewinnausgleich mit 238.050,13 € und im Kindesunterhalt mit 5.448.- € festzusetzen sei. Außerdem erstrebt er die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes hinsichtlich des Ehegattentrennungsunterhalts in Höhe von 8.584,92 € und hinsichtlich eines Anspruchs auf Rückzahlung einer ehebedingten Zuwendung in Höhe von 58.051,49 €.

    Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

    II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellervertreters hat in der Sache teilweise Erfolg.

    Der Gegenstandswert des Zugewinnausgleichsverfahren beträgt 238.050,13 €.

    Gemäß § 38 FamGKG ist in Fällen eines Stufenklageanspruches für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höchste, maßgebend. Dies ist regelmäßig der in der Zahlungsstufe geltend gemachte Leistungsantrag. Kommt es zu dessen Bezifferung im gerichtlichen Verfahren nicht mehr (sogenannte steckengebliebene Stufenklage), ist der Wert nach der ursprünglichen Leistungserwartung zu bemessen (OLG Stuttgart FamRZ 2008, 533; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 71; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Keske, 8. Aufl., 2011, Kap. 17, Rn. 56). Abzustellen ist folglich auf den zunächst vorgestellten Zahlungsanspruch, auch wenn ihn die Antragstellerin letztendlich nicht mehr weiterverfolgt hat, selbst wenn dies darauf beruhen mag, dass es sich um eine übersetzt geäußerte Begehrensvorstellung gehandelt hat (OLG Celle JurBüro 2011, 483 [OLG Celle 17.06.2011 - 10 WF 164/11]). In einem solchen Fall ist der Wert gemäß § 3 ZPO nach objektiven Anhaltspunkten zu schätzen. Dabei ist anhand des in das Verfahren eingeführten Tatsachenvortrags der antragstellenden Partei danach zu fragen, welche Vorstellungen sie sich vom Wert des Leistungsanspruchs gemacht hat (BGH, FamRZ 1993, 1189). Einen sicheren und verwertbaren Anhaltspunkt dafür liefert insbesondere die Höhe der in Vergleichsverhandlungen außergerichtlich geltend gemachte Forderung (OLG Stuttgart FamRZ 2008, 534). Hier wurden von der Antragstellerin tatsächlich 238.050,13 € vom Antragsgegner gefordert, so dass auch in dieser Höhe Streit zwischen den Eheleuten über den zu bezahlenden Zugewinnausgleich bestand. Darauf, ob dieser tatsächlich in voller Höhe auch gerichtlich geltend gemacht worden wäre, oder ob die Antragstellerin zunächst nur einen Teilbetrag gefordert hätte, kommt es nicht an.

    Auch ist nicht auf eine eventuelle Erfolgsaussicht der gerichtlichen Geltendmachung abzustellen. Zwar weist das Familiengericht bei seiner Wertfestsetzung zu Recht darauf hin, dass im Falle lediglich teilweiser Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und entsprechender Anpassung des Antrags der Antragstellerin möglicherweise nur ein geringerer Anspruch rechtshängig geworden wäre, allerdings hat die Antragstellerin ihre Klage nicht von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, sondern ihren Antrag unbedingt eingereicht und lediglich "ferner" Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Dementsprechend hat das Familiengericht auch die Klage unverzüglich zugestellt und Prozesskostenhilfe unbeschränkt bewilligt und auch bis zur Verfahrensbeendigung nicht eingeschränkt. Somit ist auch zweifelsfrei der gesamte vorgestellte Anspruch auf Zugewinnausgleich mit Zustellung der Stufenklage rechtshängig geworden und der Gegenstandswert hieraus zu ermitteln.

    Der Vergleichsbetrag bietet keinen Anhaltspunkt für die Festsetzung des Gegenstandswertes, da ein Vergleich regelmäßig gegenseitiges Nachgeben in streitigen, teilweise auch berechtigten Forderungen, beinhaltet und die Eheleute im Vergleich ausdrücklich nicht nur die Abgeltung des Zugewinnausgleichs vereinbarten, sondern darüber hinaus auch einen Verzicht auf eventuelle weitergehende güterrechtliche Ansprüche. Schon vom Wortlaut her beinhaltet die Vereinbarung somit auch die Streitbeilegung weiterer verfahrensgegenständlich geltend gemachter Ansprüche.

    Im Verbundverfahren ist ein Gegenstandswert für die Verfahren Kindesunterhalt ab November 2007 und Trennungsunterhalt in nicht beanstandeter Höhe von 5.448.- € bzw. 8.584,92 € festzusetzen. Die Antragstellerin hat beide Verfahren durch ihre Stufenklage vom 26.11.2007 in den Verbund eingebracht, durch die gerichtliche Zustellung sind sie auch rechtshängig geworden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass es sich in beiden Fällen um nicht verbundfähige Verfahren handelt, da das Familiengericht bis zur Beendigung des Verfahrens eine Abtrennung nicht vorgenommen hat und beide Verfahren durch die Scheidungsfolgenvereinbarung abschließend erledigt wurden. Im Falle einer Abtrennung wären die Verfahren gebührenrechtlich aus dem Verbundverfahren ausgeschieden, hätten aber in den jeweiligen isolierten Verfahren einen Gegenstandswert ergeben, aus denen Gerichts- und Anwaltsgebühren entstanden wären. Die Fortführung der Verfahren im Verbund bis zu dessen Beendigung kann jedoch gebührenrechtlich nicht anders beurteilt werden, als wenn eine Verbundsache vor ihrer Abtrennung zurückgenommen oder (beispielsweise wegen verspäteter Geltendmachung) als unzulässig zurückgewiesen worden wäre.

    Unzutreffend hat das Familiengericht dagegen einen Gegenstandswert im Verbundverfahren für eine Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt festgesetzt, da ein entsprechender Sachantrag von den Parteien nicht gestellt wurde. Im Schriftsatz vom 26.11.2007 wurde Ehegattenunterhalt ab November 2007 verlangt, somit Trennungsunterhalt, ein weiterer Antrag auf Ehegattenunterhalt findet sich in der Akte nicht. Wenn die Eheleute den nachehelichen Unterhalt in der gerichtlich protokollierten Vereinbarung mitregeln, handelt es sich um ein zuvor nicht anhängiges Verfahren, weshalb insoweit ein Vergleichsmehrwert in - nicht in Streit stehender - Höhe von 8.584,92 € festzusetzen ist.

    Hinsichtlich des Anspruchs auf Rückforderung einer unbenannten Zuwendung in Höhe von 58.051,49 € hat das Familiengericht zu Recht keinen Vergleichsmehrwert festgesetzt. Die von der Antragstellerin behauptete unbenannte Zuwendung ist bei - wie vorliegend - regelgerecht durchgeführtem Zugewinnausgleich durch den aus § 1378 Abs. 1 BGB resultierenden Anspruch im Ergebnis abgegolten und kann nicht mehr gesondert geltend gemacht werden. Damit ist der Streit um die Zuwendung wirtschaftlich Teil der güterrechtlichen Auseinandersetzung und deshalb von dessen Gegenstandswert umfasst.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 57 Abs. 8 FamGKG.

    RechtsgebietFamGKGVorschriften§ 38 FamGKG § 44 FamGKG