25.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121603
Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 18.01.2012 – 10 W 67/11
1. Nach Einlegung einer Berufung durch den Prozessgegner kann eine Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich und ob etwas zu veranlassen ist. Ihr ist deshalb nicht zuzumuten, zunächst die Entscheidung des seinerseits anwaltlich vertretenen Berufungsführers zur Durchführung der Berufung abzuwarten.
2. Die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts gem. Nr. 3201 der Anlage zum RVG entsteht bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information der Partei. Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens des beauftragten Rechtsanwalts bedarf es insoweit nicht.
10 W 67/11
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 15.09.2011 abgeändert.
Die von dem Kläger aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Naumburg vom 25.01.2011 (9 U 208/10) zu erstattenden Kosten für das Berufungsverfahren werden auf 391,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.06.2011 festgesetzt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 600 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung ihres Kostenfestsetzungsantrags für die im Berufungsverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten.
Der Kläger hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt und diese nach einem Hinweis des 9. Zivilsenats gem. § 522 Abs. 2 ZPO auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung zurückgenommen. Berufung und Berufungsbegründung sind den erstinstanzlich tätig gewesenen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden. Diese haben sich dem Gericht gegenüber im zweitinstanzlichen Verfahren weder angezeigt noch sonst Erklärungen zum Berufungsverfahren abgegeben.
Das Landgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, die zur Festsetzung angemeldete Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigen gem. Nr. 3201 VV zum RVG sei nicht entstanden, da eine Mandatsanzeige nicht erfolgt sei und auch sonst nicht dargelegt worden sei, dass eine gebührenauslösende Tätigkeit entfaltet worden sei. Die Entgegennahme der Berufungsschrift und deren Weiterleitung an den Mandanten genüge hierfür nicht. Es könne nicht geprüft werden, ob die Beklagte ein Mandat erteilt habe, und müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Beklagtenvertreter nur als Zustellungsbevollmächtigte tätig geworden seien.
Gegen diesen, ihren Prozessbevollmächtigten am 21.09.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, welche am 29.09.2011 bei dem Landgericht eingegangen ist. Die Beklagte stützt die Beschwerde wie schon erstinstanzlich auf die Auffassung, dass schon die Entgegennahme des Rechtsmittelschriftsatzes als gebührenauslösende Tätigkeit genüge. Einer Mandatsanzeige bedürfe es nicht, zumal diese lediglich auf Bitten des gegnerischen Prozessbevollmächtigten unterblieben sei. Zudem sei der Beschluss des 9. Zivilsenats vom 25.01.2011, auf welchen beiden Parteien eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt worden sei, durchzuarbeiten gewesen und eine Prüfung hinsichtlich der angekündigten Streitwertfestsetzung durchzuführen gewesen. Da die Ausführungen des Gerichts hierzu überzeugend gewesen seien, sei eine Stellungnahme dann nicht abgegeben worden.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Die von dem Landgericht in Frage gestellte Mandatierung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten steht nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten Vorlage der Prozessvollmacht nicht mehr im Streit.
Die Beklagte kann die Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten von dem Kläger verlangen, denn es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung (§ 91 ZPO). Nach Einlegung der Berufung durch den Prozessgegner kann eine Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich und sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann nicht zugemutet werden, zunächst die Entscheidung des anwaltlich vertretenen Berufungsführers abzuwarten, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird (BGH, 10. ZS, Beschluss v. 17.12.2002, X ZB 9/02, veröffentlicht u.a.: NJW 2003, 765 ff., hier zitiert nach juris, OLG Naumburg, 10. ZS, Besch. v. 12.07.2007, 10 W 96/06, zitiert nach juris). Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens des beauftragten Rechtsanwalts bedarf es insoweit nicht; die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 der Anlage zum RVG entsteht vielmehr bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information der Partei (Senat, aaO.). Sie ist hier jedenfalls dadurch verdient, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht nur die Berufungsschrift, sondern auch den Hinweis des 9. Zivilsenats entgegengenommen und geprüft haben, ob insoweit - und sei es auch nur hinsichtlich der angekündigten Streitwertfestsetzung- etwas zu veranlassen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der Höhe der zur Festsetzung angemeldeten Gebühr, §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.