20.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121886
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 12.01.2012 – 18 W 76/11
Unterschiedliche Zahlungen, auf die ein Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG gestützt wird, betreffen nicht den gleichen Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG.
Oberlandesgericht Köln
18 W 76/11
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil des Landgerichts Köln vom 05.10.2011 – 91 O 101/06 – wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger hat den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung von 10 Mio. € in Anspruch genommen. Er hat die Klage in erster Linie auf eine Reihe von Zahlungen in Höhe von insgesamt 10 Mio. €, welche der Beklagte nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst hat, gestützt und Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG geltend gemacht. Hilfsweise hat er die Klage unter dem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt auf weitere Zahlungen in Höhe von insgesamt 16.145.707,69 € gestützt. Äußerst hilfsweise hat er geltend gemacht, der Beklagte hafte auch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, weil aufgrund mangelhafter Organisation des Unternehmens Kaufpreisforderungen in Höhe von insgesamt 16.615.220,61 € nicht durchsetzbar gewesen seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Gegenstandswert auf 42.760.928,30 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Streitwertbeschwerde des Klägers.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Streitwert zu Recht auf 42.760.928,30 € festgesetzt.
1. Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 und 3 GKG sind die Werte von Haupt- und Hilfsanspruch zusammenzurechnen, wenn über den Hilfsanspruch eine Entscheidung ergeht und Haupt- und Hilfsanspruch nicht denselben Gegenstand betreffen. So liegt der Fall hier:
a) Das Landgericht ist zurecht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass es sich bei den hilfsweise zur Begründung der Klageforderung herangezoge nen Sachverhalten um Hilfsanträge i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG handelt. Der Kläger hat seine Ansprüche nicht auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt, die sich aus demselben Sachverhalt ergeben, sondern vielmehr in erster Linie auf bestimmte, nach seiner Auffassung entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG geleistete Zahlungen, in zweiter Linie auf weitere derartige Zahlungen und in dritter Linie auf den nach seinem Vortrag aus mangelhafter Betriebsorganisation entstandenen Schaden.
b) Diese Hilfsanträge, über die das Landgericht entschieden hat, betreffen nicht denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG.
aa) Bei der Bestimmung, ob Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG betreffen, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, die zu anderen Ergebnissen führen kann als eine Beurteilung nach dem zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff. Eine Zusammenrechnung der Werte erfolgt, wenn das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag zu einer „wirtschaftlichen Werthäufung“ führt. Sie scheidet aus, wenn beide Anträge wirtschaftlich identische Interessen betreffen, was nach der sogenannten „Identitätsformel“ dann der Fall ist, wenn die Ansprüche einander ausschließen, mithin notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist (BGH NJW-RR 2003, 713; Dörndorfer in: Binz u.a., GKG, Rn. 19 f.).
bb) An diesen Grundsätzen gemessen ist der Gegenstand des Hauptantrags und der beiden Hilfsanträge nicht identisch. Die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten ste hen wirtschaftlich selbständig nebeneinander und schließen einander nicht aus. Das liegt für das Verhältnis der Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG zu denjenigen aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf der Hand, gilt aber ebenso für die auf unterschiedliche Zahlungen gestützten Ansprüche aus § 64 Abs. 2 GmbHG. Anstatt die Klage lediglich hilfsweise auf weitere Zahlungen und den nach seinem Vortrag aus der mangelhaften Betriebs organisation entstandenen Schaden zu stützen, hätte der Kläger sämtliche Ansprüche auch kumulativ verfolgen und den Beklagten auf Zahlung von 42.760.928,30 € in Anspruch nehmen können.
Dass das wirtschaftliche Interesse des Klägers nach seinen Angaben auf 10 Mio. € beschränkt war und er die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche lediglich zur Minimierung des Risikos einer Klageabweisung eingeführt hat, ist nicht ausschlaggebend. Die Motivation der Klagepartei, Ansprüche im Eventualverhältnis und nicht kumulativ geltend zu machen, ist für die Bestimmung, ob es sich um denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG handelt, ohne Bedeutung. Der Kläger wäre – bei hinreichender Bestimmung der Forderungen im Mahnbescheidsantrag – auch nicht aus Verjährungsgründen gehindert gewesen, im Laufe des Rechtsstreits die Hilfsansprüche klageerhöhend kumulativ geltend zu machen. Auch die Geltendmachung eines Anspruchs im Hilfsantrag hemmt die Verjährung (Grothe in: MüKo, BGB, § 203, Rn. 6).
cc) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.03.2007 (II ZR 310/05). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof einer auf § 130a Abs. 2 HGB gestützten Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die streitgegenständlichen Zahlungen zwar nicht entgegen dieser Vorschriften erfolgt seien, sich aber aus dem unstreitigen Parteivortrag ergebe, dass im gleichen Zeitraum Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto der Insolvenzschuldnerin geflossen seien, was ebenfalls gegen § 130a Abs. 2 HGB verstoßen habe. Hierbei handele es sich nicht um unterschiedliche Streitgegenstände, sondern lediglich um unterschiedliche rechtliche Aspekte des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Lebenssachverhalts (BGH aaO., Juris-Tz. 11).
Diese Entscheidung betrifft schon vom Ansatz her ein mit der Frage nach dem Gegenstand von Haupt- und Hilfsantrag nicht vergleichbares Rechtsproblem, nämlich die Frage, ob das Gericht seine Entscheidung auf Elemente des unstreitigen Parteivortrags stüt zen kann, aus denen die Parteien im Prozess keine Rechtsfolgen herleiten. Zudem hat der Bundesgerichtshof sich lediglich mit der Bestimmung des zivilprozessualen Streitgegenstands befasst, während vorliegend der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff maßgeblich ist.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.