16.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123105
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 02.08.2012 – 5 W 745/12
Der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung bis zum -unbekannten- Zeitpunkt der Räumung richtet sich nicht nach § 9 ZPO sondern nach § 3 ZPO (Anschluss OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.01.2011, 5 U 158/10, MDR 2011, 513). Die Höhe des Streitwertes entspricht der geforderten Nutzungsentschädigung für die voraussichtliche Dauer vom Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO) bis zur tatsächlichen Räumung. Regelmäßig kann von einer Zeitspanne von einem Jahr ausgegangen werden.
5 W 745/12
In Sachen
...... GmbH & Co KG
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
- Beschwerdeführer -
gegen
...... KG
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigter:
wegen Forderung aus Mietvertrag; hier: Streitwert
hier: Beschwerde
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Richter am Oberlandesgericht Alberts als Einzelrichter
ohne mündliche Verhandlung am 02.08.2012
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Gebührenstreitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 42.780,91 EUR festgesetzt.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, wenden sich aus eigenem Recht gegen die -aus ihrer Sicht zu niedrige- Festsetzung des Gebührenstreitwertes für das erstinstanzliche Verfahren.
Mit der Klage vom 22.12.2011 nahm die Klägerin die Beklagte nach Kündigung des Mietvertrages auf Räumung und Herausgabe von in Leipzig gelegenen Gewerberäumen (Antrag zu 1), auf Zahlung rückständiger Miete von 12.705,94 EUR (Antrag zu 2), auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Monat Dezember 2011 von 1.421,86 EUR (Antrag zu 3) und auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung ab dem Monat Januar 2012 bis zur tatsächlichen Räumung (Antrag zu 4) in Anspruch. Der Rechtsstreit endete durch einen von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2012 geschlossenen Vergleich.
Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 14.05.2012 den Gebührenstreitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 28.692,16 EUR fest. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer. Sie beantragen, den Streitwert auf 42.780,91 EUR festzusetzen. Dieser Betrag ergebe sich aus der Addition der 4 Klageanträge. So seien der Räumungsantrag mit 11.590,79 EUR (Jahresmiete zzgl. Umsatzsteuer), die bezifferten Anträge zu 2 und 3 mit ihrem jeweiligen Wert von 12.705,94 EUR bzw. 1.421,86 EUR und der Antrag zu 4 mit 17.062,32 EUR (Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung) anzusetzen. Im Hinblick auf den Antrag zu 4 erscheine die Annahme einer voraussichtlichen Nutzungszeit von einem Jahr als angemessen.
Das Landgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen, indem es den Streitwert in seinem Beschluss vom 20.06.2012 auf 34.249,75 EUR festgesetzt hat. Im Übrigen hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Wert der Anträge zu 1-3 beziffere es wie die Beschwerdeführer. Der Wert des Antrages zu 4 liege aber nur bei 8.531,16 EUR, was der Nutzungsentschädigung für 6 Monate entspreche. Erfahrungsgemäß hätten Räumungsbegehren eine Dauer von 6 Monaten.
Die Beklagte erhielt im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme, äußerte sich aber innerhalb der ihr gesetzten Frist, welche am 31.07.2012 ablief, nicht.
II. Die aus eigenem Recht der Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde ist nach §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig. Der Senat entscheidet durch den Einzelrichter (§§ 66 Abs. 6 S. 1, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).
Die Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg, denn der Streitwert ist auf 42.780,91 EUR festzusetzen, wie die Beschwerdeführer zutreffend ausgeführt haben. Für die bezifferten Anträge (zu 2 und 3) ergibt sich dies ohne Weiteres aus §§ 48 GKG, 3 ZPO. Auch der Streitwert des Räumungsantrages (zu 1) wurde von den Beschwerdeführern und vom Landgericht zutreffend mit dem Betrag der Jahresnettomiete zuzüglich Umsatzsteuer angesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 02.11.2005, XII ZR 137/05, NZM 2006, 138).
In Bezug auf den Antrag zu 4 sprechen nach Auffassung des Senates die besseren Argumente dafür, den Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legen anstelle des Betrages für ein halbes Jahr.
Zunächst geht der Senat mit dem Landgericht und den Beschwerdeführern davon aus, dass sich der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung bis zum -unbekannten- Zeitpunkt der Räumung nicht nach § 9 ZPO sondern nach § 3 ZPO richtet (ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.01.2006, 2 W 94/06, NZM 2006, 540; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.01.2006, 24 W 65/05, ZMR 2006, 517; KG, Beschl. v. 20.12.2006, 12 W 66/06, NZM 2007, 600; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.01.2011, 5 U 158/10, MDR 2011, 513; a. A. OLG Hamm, Beschl. v. 13.02.2008, 33 W 18/07, FamRZ 2008, 1208). Der Senat teilt die Erwägungen des Oberlandesgerichts Stuttgart in seinem ausführlich begründeten Beschluss vom 17.01.2011 (aaO.).
Die Höhe des Streitwertes ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Sachgerecht ist danach der Ausgangspunkt der Landgerichts, wonach es auf die voraussichtliche Dauer vom Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO) bis zur tatsächlichen Räumung ankommt. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht allerdings in der Annahme, diese Dauer sei regelmäßig mit 6 Monaten anzusetzen. Vielmehr ist eine solche Zeitspanne regelmäßig schon für die Dauer des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens bis zu einem vollstreckbaren Räumungstitel anzusetzen. Selbst im vorliegenden Verfahren dauerte es von der Klageerhebung bis zum unwiderruflichen Vergleich gut 4 Monate. Sofern aber keine gütliche Einigung gelingt, sind im Erkenntnisverfahren nicht selten Beweisaufnahmen erforderlich, so dass die durchschnittliche Dauer für das Erkenntnisverfahren bis zum Räumungstitel auf mehr als 6 Monate zu schätzen ist. Rechnet man noch die Durchsetzung der Räumung im Zwangsvollstreckungsverfahren hinzu, erscheint eine Zeitspanne von einem Jahr sachgerecht.
Berechnet man den Wert des Antrages auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung in dieser Weise, erhöht sich der Gesamtstreitwert allerdings nicht, wenn der klagende Vermieter den Antrag in einer späteren mündlichen Verhandlung dem Zeitablauf anpasst, indem er für die inzwischen verstrichenen Fälligkeitszeitpunkte von künftiger Zahlung auf Zahlung umstellt. Hätten also im vorliegenden Falle die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.04.2012 ihren Antrag zu 3 wegen der inzwischen fällig gewordenen Nutzungsentschädigung für 4 Monate um 5.687,44 EUR erhöht, wäre es gleichwohl beim Gesamtstreitwert von 42.780,91 EUR geblieben.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG). Eine Beschwerde findet gegen diese Entscheidung nicht statt ( §§ 66 Abs. 3 S. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).