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  • 21.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132667

    Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 04.03.2013 – 1 W 12/13

    Bei den Reisekosten eines im Verhandlungstermin für einen Versicherer auftretenden Rechtsanwalts handelt es sich nicht um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn zwar nicht der Versicherer, jedoch dessen mit der Vertragsabwicklung betrautes Tochterunternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt und diese die gesamten Regulierungsverhandlungen und auch den sonstigen vorgerichtlichen Schriftverkehr mit dem Versicherungsnehmer geführt hatte.


    OLG Bamberg
    04.03.2013

    1 W 12/13

    In Sachen

    - Kläger und Beschwerdeführer -

    Prozessbevollmächtigte:

    gegen

    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -

    Prozessbevollmächtigte:

    Streithelfer, am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt:

    Prozessbevollmächtigter:

    wegen Forderung

    hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde

    erlässt das Oberlandesgericht Bamberg - 1. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht xxx als Einzelrichter am 04.03.2013 folgenden

    Beschluss:
    Tenor:

    I.

    Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Würzburg vom 22. Januar 2013, Az.: 92 O 1222/09, abgeändert wie folgt:

    Die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei gem. § 104 ZPO nach dem rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2012 zu erstattenden Kosten werden auf

    3.308,83 Euro

    (in Worten: dreitausenddreihunderundtacht 83/100 Euro)

    nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 10.09.2012 festgesetzt. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Beklagtenpartei wird zurückgewiesen.
    II.

    Die weitergehende Beschwerde der Klagepartei wird zurückgewiesen.
    III.

    Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren gem. GKG KV Nr. 1812 ist nicht zu erheben.

    Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.
    IV.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    V.

    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 1.084,48 Euro.

    Gründe

    Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat überwiegend Erfolg. Die Beklagte war gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO kostenrechtlich gehalten, einen Rechtsanwalt am ursprünglich gewählten Gerichtsort B. zu beauftragen. Weil der Rechtsstreit nach Verweisung mit Beschluss vom 17.06.2009 beim Landgericht Würzburg geführt wurde, kann die Beklagte allerdings die in ihrer hilfsweisen Kostenberechnung vom 31.10.2012 geltend gemachten Reisekosten verlangen.

    1. Die Beklagte, eine französische Versicherungsgesellschaft, ist der Architektenhaftpflichtversicherer des Beklagten. Nach dem Versicherungsschein (Anlage K 1) war mit der Betreuung des Klägers im Rahmen der Kundenbeziehung die A. AG (im Folgenden: A. AG) mit Sitz in F. betraut. Diese verfügt über eine eigene Rechtsabteilung.

    Der Kläger nahm die Beklagte auf Zahlung aus einem Versicherungsfall in Anspruch, wobei er die Klage beim Landgericht B. einreichte. Dieses verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.06.2009 an das Landgericht Würzburg, das die Klage letztlich mit rechtskräftigem Endurteil vom 19.07.2012 abwies und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegte. Die Beklagte ließ sich im Verfahren durch eine H.-er Rechtsanwaltskanzlei vertreten. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 05.09.2012 beantragte die Beklagtenpartei unter anderem, Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder ihres Rechtsanwalts in Höhe von 911,33 € netto bzw. 1.048,48 € brutto gegen den Kläger festzusetzen.

    Das Landgericht hat diesem Antrag mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.01.2013 entsprochen. Der Ausnahmefall, dass die die Kostenfestsetzung begehrende Partei über eine eigene Rechtsabteilung verfüge und daher gehalten sei, einen Rechtsanwalt am Gerichtsort zu beauftragen, liege nicht vor.

    Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht die Klagepartei geltend, dass ein Ausnahmefall entgegen der Annahme des Landgerichts gegeben sei, weil die A. AG als 100 %-ige Tochter der Beklagten über eine Rechtsabteilung verfüge. Sämtliche Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Haftpflichtschaden sei auch mit dieser Rechtsabteilung geführt worden. Die Beklagte hält entgegen, sie sei nicht verpflichtet, den Rechtsstreit über ein F.-er Tochterunternehmen zu führen, zumal das Haftpflichtverfahren nicht mit dem hier vorliegenden Deckungsrechtsstreit gleichzusetzen sei. Höchst hilfsweise seien aber jedenfalls Reisekosten eines B.er Rechtsanwalts zum Landgericht Würzburg anzusetzen, die sich auf 285,73 € netto oder 340,01 € brutto beliefen.

    2. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 20.02.2013 nicht abgeholfen und zur Begründung lediglich ausgeführt, auch aufgrund der Beschwerdebegründung sei eine Änderung der Entscheidung nicht möglich.

    Diese Nichtabhilfeentscheidung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die durch das Landgericht in Beschlussform zu treffende Entscheidung. Begründungsumfang und -dichte des Beschlusses hängen naturgemäß vom Einzelfall ab. Jedenfalls muss der Nichtabhilfebeschluss in Verbindung mit dem Ausgangsbeschluss erkennen lassen, dass der Erstrichter das wesentliche Beschwerdevorbringen beachtet und seiner Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle im Abhilfeverfahren nachgekommen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 05.02.2013 - 6 W 6/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2011 - 3 Wx 269/11 - [...] Rn. 17; OLG München, Beschluss vom 04.02.2010 - 31 Wx 3/10 - [...] Rn. 5 m.w.N.). Das Landgericht hat sich vorliegend aber mit dem umfangreichen Beschwerdevorbringen und insbesondere dem neu vorgetragenen und nicht streitigen Umstand, dass die A. AG über eine Rechtsabteilung verfügt, in keiner Weise befasst.

    Der Senat sieht jedoch von der Möglichkeit ab, das Verfahren zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Landgericht zurückzugeben, weil dies lediglich zu einer vermeidbaren Verzögerung zum Nachteil der Parteien führen würde.

    3. Das zulässige Rechtsmittel ist überwiegend begründet. Die Beklagte war kostenrechtlich gehalten, einen Rechtsanwalt am Gerichtsort zu beauftragen, weil die durch sie im Vertragsverhältnis zum Kläger umfassend eingeschaltete A. AG über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

    a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den Reisekosten eines Rechtsanwalts nicht um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinn des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts feststand, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein würde. Dies ist unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In diesen Fällen ist im allgemeinen davon auszugehen, dass der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2012 - IV ZB 18/12 - [...] Rn. 12 f.; Beschluss vom 18.12.2003 - I ZB 21/03 - [...] Rn. 9; Beschluss vom 09.10.2003 - VII ZB 45/02 - [...] Rn. 8).

    b) Dieser Ausnahmefall ist hier gegeben. Die Beklagte hat sich zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger umfassend der A. AG bedient. Diese ist insbesondere auch allein gegenüber dem Kläger aufgetreten, als es um die Regulierung des streitgegenständlichen Versicherungsfalls ging. Ausweislich der bei der Akte befindlichen Unterlagen (Anlagen K 2 bis K 5, K 10, K 11) wurde die den Schadensfall betreffende Korrespondenz zwischen dem Kläger und seinem Versicherer ausschließlich mit der A. AG geführt. Dies gilt sowohl für den Haftpflichtprozess als auch für die Frage der Deckung.

    Wenn der Versicherer aber ein Tochterunternehmen mit der Vertragsabwicklung betraut, das die Auseinandersetzung mit dem Versicherungsnehmer bis zur Prozessreife hin durch seine Rechtsabteilung betreibt, dann ist er sowohl in der Lage als auch kostenrechtlich gehalten, einen Rechtsanwalt durch diese Rechtsabteilung umfassend schriftlich instruieren zu lassen. Weshalb es in dieser Konstellation seitens des Versicherungsunternehmens eines eingehenden Mandantengesprächs für die Prozessführung bedürfen sollte, ist nicht ersichtlich.

    Die von der Beklagtenseite geltend gemachten Reisekosten des H.-er Prozessbevollmächtigten sind daher nicht gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO erstattungsfähig, ohne dass die Frage entschieden werden müsste, ob sie die Reisekosten eines Rechtsanwalts vom Sitz der Beklagten in P. oder auch vom Sitz der A. AG in F. aus übersteigen.

    c) Die Beklagte verweist aber zutreffend darauf, dass sie kostenrechtlich so zu behandeln ist, als hätte sie einen Rechtsanwalt am Ort des vom Kläger zuerst angegangenen Gerichts - hier B. -beauftragt. Für diesen wären jedoch Reisekosten nach Würzburg angefallen, die die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2012 konkret beziffert und ausreichend glaubhaft gemacht hatte. Die Klägerseite hat sich gegen die Richtigkeit dieser (Hilfs-)Berechnung nicht gewandt, so dass diese der Kostenfestsetzung zugrunde zu legen ist.

    4. Es ist vorliegend sachgerecht, gemäß GKG KV Nr. 1812 zu bestimmen, dass eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben ist. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Nichtabhilfeverfahrens wäre das vorliegende Beschwerdeverfahren wahrscheinlich vermieden worden.

    Die Kostenentscheidung zu den außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Maß des Obsiegens und Unterliegens des Klägers als des Beschwerdeführers und der Beklagten im Beschwerdeverfahren.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO