25.09.2013 · IWW-Abrufnummer 133000
Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 04.04.2013 – 2 Ws 86/13
Ein Kostenfestsetzungsantrag kann nur dann in eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung umgedeutet werden, wenn aus ihm Einwendungen erkennbar sind, die sich jedenfalls auch gegen die Kostengrundentscheidung richten.
OLG Celle
04.04.2013
2 Ws 86/13
In der Strafsache
gegen E. Ö.,geboren am xxxxxx 1982 in B.,wohnhaft J.-G.-Straße, O.-S.,
zur Zeit JVA O., C. Str., O.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt B., B. -
wegen Brandstiftung u.a.
hier: Kostenfestsetzung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Landgericht xxxxxx am 04. April 2013
beschlossen:
Tenor:
Der Senat ist nicht zu einer Entscheidung berufen.
Gründe
I.
Das Landgericht Verden hat mit Beschluss vom 14.08.2012 die Kosten der zurückgenommenen Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein den Angeklagten betreffendes Urteil vom 17.06.2011 der Landeskasse auferlegt. Einen Ausspruch über die notwendigen Auslagen des Angeklagten enthält der Beschluss nicht.
Mit Schriftsatz vom 18.08.2012, eingegangen am 20.08.2012, beantragte sein Verteidiger die Festsetzung seiner Wahlverteidigergebühren und führte hierzu aus: "Mit Schriftsatz vom 20.02.2012 wurde die Revision der Staatsanwaltschaft Verden/Aller zurückgenommen und unter dem 20.04.2012 wurde durch RA B. beantragt, im Hinblick auf die Revisionsrücknahme (...) der Staatskasse die Kosten und notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 14.08.2012 durch das Landgericht Verden/Aller (...) erfolgte dann die entsprechende Kostenentscheidung gem. § 473 Abs. 1 StPO."
Am 15.11.2012 übermittelte die Rechtspflegerin des Landgerichts Verden dem Verteidiger eine Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 12.11.2012, nach der mangels einer entsprechenden Kostengrundentscheidung für die Festsetzung notwendiger Auslagen gegen die Landeskasse kein Raum sei. Mit Schriftsatz vom 23.11.2012 erwiderte der Verteidiger, der Festsetzung der notwendigen Auslagen zu Lasten der Landeskasse ergebe sich zwingend aus dem Gesetz, die Kostengrundentscheidung des Landgerichts umfasse daher auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Nach einer erneuten ablehnenden Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 29.11.2012 beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 14.12.2012 die Berichtigung des "Kostenfestsetzungsbeschlusses" des Landgerichts Verden vom 14.08.2012 - gemeint sein dürfte die Kostengrundentscheidung vom 14.08.2012 - dahingehend, dass die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten von der Landeskasse zu tragen seien. Am 20.12.2012 wies der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer den Verteidiger darauf hin, dass eine nachträgliche Ergänzung der Kostenentscheidung durch die Kammer nicht zulässig und nur im Wege der sofortigen Beschwerde nach § 467 Abs. 3 StPO zu erreichen sei. Diese Ausführungen hielt der Verteidiger mit Schriftsatz vom 03.01.2013 für nicht überzeugend und beantragte erneut bei der Kammer die Ergänzung bzw. Berichtigung des Beschlusses vom 14.08.2012.
Die Staatsanwaltschaft Verden hat die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält den Senat nicht zu einer Entscheidung berufen.
II.
Dies trifft zu.
1. Der Senat wäre nur zuständig, wenn gegen die Kostengrundentscheidung des Landgerichts vom 14.08.2012 eine sofortige Beschwerde eingelegt wäre. Dies ist indes nicht der Fall.
a) Grundsätzlich ist eine sofortige Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 1. HS StPO gegen die Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen als Rechtsmittel statthaft; dies gilt auch, soweit eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen unterblieben ist.
b) Hier ist innerhalb der Beschwerdefrist aus §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO jedoch keine sofortige Beschwerde gegen die (unterbliebene) Entscheidung über die notwendigen Auslagen erhoben worden.
Sie liegt insbesondere auch nicht in dem am 20.08.2012 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers.
Zu dieser Problematik hat der Senat in seinem Beschluss vom 14.10.2010 (2 Ws 350/10) ausgeführt:
"Zwar ist es grundsätzlich möglich, einen innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde gegen die (unterbliebene) Auslagenentscheidung umzudeuten. Unter welchen Voraussetzungen dies erfolgt, ist jedoch umstritten.
aa) Nach einer Auffassung soll der Anwendungsbereich des § 300 StPO regelmäßig eröffnet sein, ohne dass es hierfür besonderer weiterer Voraussetzungen bedürfte. Dies folge daraus, dass der Freigesprochene oder in der Berufungsinstanz Obsiegende mit seinem Kostenfestsetzungsantrag das Ziel verfolge, die ihm nach dem Kostenrecht zustehenden Auslagen zu erhalten. Da er sein Begehren im Falle einer unrichtigen oder teilweise unterbliebenen Kostenentscheidung erfolgreich nur mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Kosten- oder Auslagenentscheidung erreichen könne, sei ein solcher Kostenfestsetzungsantrag regelmäßig nach § 300 StPO als sofortige Beschwerde auszulegen (vgl. OLG Düsseldorf, GA 1990, 267 f.; OLG Stuttgart StV 1993, 651 -[...]; OLG Hamm, NStE Nr. 6 zu § 300 StPO).
bb) Die Gegenmeinung erachtet es zwar grundsätzlich ebenfalls als möglich, einen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 300 StPO in eine sofortige Beschwerde gegen eine unterlassene Auslagenentscheidung umzudeuten. Hierfür sei jedoch Voraussetzung, dass aus der Erklärung ein Anfechtungswille hervorgehe, also deutlich werde, dass der Erklärende sich mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden wolle (vgl. KG Berlin, 1. Strafsenat, Beschluss vom 14.08.2007 - 1 Ws 107/07 -; KG Berlin, 5. Strafsenat, NStZ-RR 2004, 190 f. [KG Berlin 26.02.2004 - 5 Ws 696/03] - [...]; OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschluss vom 11.06.2008 - 1 Ws 221/08 -; Frisch in SK-StPO, § 300 Rdnr. 8; für die Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen in Zivilsachen ebenso OLG Rostock, 5. Zivilsenat, Beschluss vom 11.04.2008 - 5 W 63/08 - [...]). Dieser Anfechtungswille müsse sich aus dem Sinngehalt der Erklärung(en) selbst ergeben, soweit sie innerhalb der Anfechtungsfrist eingegangen sind (vgl. KG a.a.O.; Hanack in LR-StPO, 25. Aufl., § 300 Rdnr. 5; Plöd in KMR-StPO, § 300 Rdnr. 2; OLG Düsseldorf NStE Nr. 4 zu § 300 StPO). Für die Auslegung der Erklärung komme es auch auf die Person des Erklärenden an, insbesondere könne ein von einem Verteidiger, dem bekannt ist, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nicht zur Korrektur der Kostengrundentscheidung führen kann, gestellter Kostenfestsetzungsantrag nur dann als sofortige Beschwerde ausgelegt werden, wenn hiermit zugleich in irgendeiner Weise die Kostengrundentscheidung beanstandet werde (vgl. Kammergericht, 5. Strafsenat a.a.O.; OLG Celle, 1. Strafsenat a.a.O.).
cc) Der Senat folgt der letzteren Auffassung. Die regelmäßige Auslegung eines Kostenfestsetzungsantrages - welcher hier zudem nur an den Kostenbeamten des erstinstanzlichen Gerichts gerichtet ist - als Anfechtung der Kostengrundentscheidung würde den Anwendungsbereich des § 300 StPO in unzulässiger Weise ausweiten und die Rechtsanwendung in diesem Rahmen überspannen (so auch OLG Celle 1. Strafsenat a.a.O.). Es bedarf vielmehr eines aus dem Kostenfestsetzungsantrag hervorgehenden Willens, die vorliegende Kostengrundentscheidung nicht zu akzeptieren. Deutet in einer abgegebenen Erklärung jedoch kein Wort auf einen Anfechtungswillen hin, ist der Anwendungsbereich des § 300 StPO nicht eröffnet (in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, NStE Nr. 4 zu § 300 StPO)."
Diese Ausführungen gelten fort.
c) An einem solchen aus dem Kostenfestsetzungsantrag hervorgehenden Anfechtungswillen fehlt es hier, weil der Verteidiger ausdrücklich die Festsetzung von Kosten und Auslagen auf der Basis der ergangenen Kostenentscheidung begehrt hat. Eine Umdeutung des Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung ist somit nicht möglich.
2. Schließlich handelt es sich auch nicht um einen Fall der Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung. Auch aus den weiteren Schriftsätzen des Verteidigers geht eindeutig hervor, dass er nicht die Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts Verden durch das Beschwerdegericht begehrt. Vielmehr sieht er die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen als von der Kostengrundentscheidung umfasst an und erstrebt allein deren deklaratorische Berichtigung bzw. Ergänzung durch das erkennende Gericht. Dieses Begehren enthält ausdrücklich keinen Anfechtungswillen, eine Auslegung als sofortige Beschwerde ist daher nicht möglich. Zudem wäre keine der Erklärungen des Verteidigers innerhalb der Wochenfrist von § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO erfolgt, sodass bereits aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nicht erfolgen kann.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.