21.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140233
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 04.12.2013 – XII ZB 159/12
a)Kann der Verfahrenspfleger die ihm entstandenen Kopierkosten nicht konkret darlegen, kann das Gericht die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen schätzen.
b)Fertigt ein zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt für die Führung der Verfahrenspflegschaft erforderliche Fotokopien auf einem in seinem Büro vorhandenen Fotokopiergerät, kann auf die Dokumentenpauschale in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG als Schätzgrundlage zurückgegriffen werden.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 14. März 2012 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3,00 €
Gründe
I.
1
Der Beteiligte zu 2 verlangt als anwaltlicher Verfahrenspfleger der Be- troffenen Ersatz von Fotokopierkosten in Höhe von 0,50 € je angefertigter Kopie.
2
Der Beteiligte zu 2 wurde vom Amtsgericht zum Verfahrenspfleger mit dem Aufgabenkreis "Ausschlagung einer Erbschaft" bestellt. Die Berufsmäßigkeit der Führung der Verfahrenspflegschaft wurde festgestellt.
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Nach Abschluss seiner Tätigkeit hat der Beteiligte zu 2 gegenüber der Staatskasse einen Vergütungs- und Auslagenersatzanspruch in Höhe von 103,82 € geltend gemacht. Darin enthalten waren Kosten für die Fertigung von sieben Kopien, die der Beteiligte zu 2 mit jeweils 0,50 € zzgl. MwSt. je Kopie abgerechnet hat. Das Amtsgericht hat die Fotokopierkosten nur mit 0,15 € zzgl. MwSt. je Kopie berücksichtigt und die Vergütung in Höhe von 100,91 € festgesetzt.
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Auf die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und unter Berücksichtigung von Fotokopierkosten von 0,50 € zzgl. MwSt. je Kopie die Vergütung des Beteiligten zu 2 auf 103,82 € festgesetzt. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 3 (nachfolgend: Staatskasse) die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und konnte von der Staatskasse nach § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG ohne Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Bestimmung in § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG, wonach für die Anfertigung der ersten 50 Ablichtungen und Ausdrucke 0,50 € je Seite ersetzt werden, finde vorliegend keine Anwendung. Der Beschwerdeführer sei als Verfahrenspfleger nicht in den in § 1 JVEG bestimmten Anwendungskreis der Vorschrift aufgenommen und § 1835 Abs. 1 Satz 1 BGB verweise ausdrücklich nur hinsichtlich des Ersatzes von Fahrtkosten auf § 5 JVEG. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Erstattung von Kopierkosten fehle es deshalb an einer planwidrigen Regelungslücke. Entscheidend sei nach Maßgabe des in Bezug genommenen § 670 BGB vielmehr allein, in welcher Höhe Kopierkosten tatsächlich angefallen seien und ob der Beschwerdeführer diese für erforderlich habe halten dürfen. Seien die Kopierkosten nicht exakt bezifferbar, seien sie zu schätzen.
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Dabei sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, die Kosten für die Anfer-Kein schließendes Satzzeichentigung einer Ablichtung auf 0,15 € je Kopie zu schätzen. Denn die Annahme, dies entspreche dem Preis für eine in einem Copyshop angefertigte Kopie, sei ohne weiteres gerechtfertigt.
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Dieser Maßstab dürfe vorliegend jedoch nicht herangezogen werden; Kein schließendes Satzzeichen denn es sei unstreitig, dass der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Kopien nicht in einem Copyshop habe anfertigen lassen, sondern sich als Rechtsanwalt des in seiner Kanzlei aufgestellten Kopiergerätes - und wohl auch der Unterstützung eines Mitarbeiters bzw. einer Mitarbeiterin - bedient habe. Die Erstattung von Kopierkosten, die einem Rechtsanwalt bei Fertigung von Kopien in seiner eigenen Kanzlei entstünden, regele indes Nr. 7000 VV RVG. Danach erhalte der Rechtsanwalt eine "Pauschale" für die ersten 50 abzurechnenden Ablichtungen und Ausdrucke in Höhe von 0,50 € zzgl. MwSt. Mit dieser Vorschrift solle die "wirklich notwendige oder sonst gerechtfertigte Abgeltung echter Unkosten" gesichert werden.
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Damit biete das anwaltliche Vergütungsverzeichnis eine rechtliche Grundlage für die Abschätzung der Kosten, die einem Rechtsanwalt für die Anfertigung einer Ablichtung bei Benutzung des in seinem Büro vorhandenen Kopierers tatsächlich entstünden. Für die Grundlage dieser Abschätzung sei es ohne Bedeutung, ob der Rechtsanwalt Ablichtungen im Zuge seiner anwaltlichen Tätigkeit oder - wie im vorliegenden Zusammenhang - aufgrund seiner Tätigkeit als bestellter Verfahrenspfleger fertige. Diese Kosten seien dem anwaltlichen Verfahrenspfleger tatsächlich entstanden und deshalb nach Maßgabe von § 670 BGB zu erstatten.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
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a) Gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB kann der Verfahrenspfleger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Hierzu zählen auch die Kosten, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit für die Erstellung von Fotokopien entstanden sind (MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 2. Aufl. § 277 Rn. 5). Kann der Verfahrenspfleger die hierfür angefallenen Kosten nicht konkret darlegen, weil er - wie im vorliegenden Fall - die Kopien in seinem Büro unter Verwendung eines eigenen Kopiergerätes angefertigt hat, werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, in welcher Höhe Fotokopierkosten zu erstatten sind. Teilweise wird ein Pauschalbetrag von 0,15 € für jede angefertigte Kopie für angemessen gehalten (OLG Dresden VersR 2001, 492, 493; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 864; BayObLG NJWE-FER 2001, 292; Dodegge/Roth Betreuungsrecht 3. Aufl. Teil F Rn. 15; Knittel Betreuungsrecht [März 2013] § 1835 BGB Rn. 30; Bamberger/Roth/Bettin BGB 4. Aufl. § 1835 Rn. 4; Deinert/Lütgens Die Vergütung des Betreuers 5. Aufl. Rn. 219). Nach anderer Ansicht sind entsprechend § 7 Abs. 2 JVEG 0,50 € für jede der ersten 50 Fotokopien und für jede weitere 0,15 € zu erstatten (LG Koblenz FamRZ 2001, 114; HK-BUR/Bauer/Deinert [Dezember 2012] § 1835 BGB Rn. 34 a; Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 9).
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b) Das Beschwerdegericht hat sich im Ergebnis der letztgenannten Auffassung angeschlossen und den Aufwand, der dem Beteiligten zu 2 durch die Fertigung der Kopien entstanden ist, pauschal auf 0,50 € pro Kopie geschätzt. Hiergegen ist für den Aufwendungsersatzanspruch eines anwaltlichen Verfahrenspflegers, der aus Anlass der ihm übertragenen Verfahrenspflegschaft Kopien auf einem in seiner Kanzlei vorhandenen Kopiergerät fertigt, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
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aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass für die Höhe der ersatzfähigen Kopierkosten nicht auf § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG abgestellt werden kann. Der in einem Betreuungsverfahren gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger wird vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 JVEG nicht erfasst. Auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG scheidet aus, weil es an der für eine Analogie notwendigen Regelungslücke fehlt.
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Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz - BtÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1580) am 1. Januar 1999 erklärte § 1835 Abs. 4 Satz 2 BGB die Vorschriften über das Verfahren bei der Entschädigung von Zeugen hinsichtlich ihrer baren Auslagen für sinngemäß anwendbar. Daraus wurde vereinzelt geschlossen, dass über diese Verweisung auch diejenigen Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen anwendbar seien, die materielle Regelungen über die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen treffen (so etwa Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1835 Rn. 19). Mit der Neufassung des § 1835 BGB und insbesondere der Bezugnahme auf § 9 ZSEG für den Ersatz von Fahrtkosten durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz sollte die bisherige unscharfe Verweisung in § 1835 Abs. 4 Satz 2 BGB a. F. durch eine klare, auf den Ersatz von Fahrtkosten begrenzte Regelung ersetzt werden (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 22). Diese gesetzgeberische Entscheidung, für den erstattungsfähigen Aufwendungsersatzanspruch des Vormunds neben § 9 ZSEG nicht auf weitere Bestimmungen dieses Gesetzes zu verweisen, kann nicht durch eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 JVEG, der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) die Regelung des § 11 ZSEG ersetzt, umgangen werden.
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Die Höhe der dem Verfahrenspfleger zu ersetzenden Kopierkosten ist demnach gesetzlich nicht festgelegt, insbesondere nicht auf bestimmte Beträge beschränkt. Vielmehr sind die Kosten nach Aufwand zu ersetzen.
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bb) Kann der Verfahrenspfleger die ihm entstandenen Kopierkosten nicht konkret darlegen, kann das Gericht die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen schätzen, wenn eine ausreichende Schätzgrundlage vorhanden ist (Prütting/Helms/Fröschle FamFG 2. Aufl. § 277 FamFG Rn. 19). Es wäre ein unverhältnismäßiger Aufwand, müsste ein Verfahrenspfleger, der über ein eigenes Kopiergerät verfügt, die für die Fertigung einer Fotokopie relevanten Kosten (z.B. Anschaffungskosten und Lebensdauer des Geräts, Aufwand an Toner und Papier) konkret darlegen (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 292).
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Keine Bedenken bestehen dagegen, bei der im Rahmen des § 670 BGB gebotenen Schätzung der einem zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt zu erstattenden Kopierkosten auf die Dokumentenpauschale nach Nummer 7000 Nr. 1 des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG (im Folgenden Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG) abzustellen.
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Für die notwendige Schätzung bietet die Höhe der Dokumentenpauschale in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG eine tragfähige Grundlage. Die dort vorgesehene Pauschale von 0,50 € für die ersten 50 Kopien übersteigt zwar die Kosten, die bei der Fertigung von Kopien beispielsweise in einem Copyshop entstehen. Sie berücksichtigt jedoch die marktüblichen Durchschnittspreise für die Fertigung von Kopien, erhöht um die anteiligen Gemeinkosten des Erstattungsberechtigten (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 181). Mit ihr sollen neben den reinen Materialkosten auch alle weiteren mit der Fertigung der Kopien verbundenen Aufwendungen abgegolten werden (vgl. Meyer/Höver/Bach Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG 25. Aufl. § 7 JVEG Rn. 7.20; Schneider JVEG § 7 Rn. 28). Hinzu kommt, dass außer in Nr. 7000 VV RVG inzwischen in allen gesetzlichen Kostenregelungen für die Fertigung der ersten 50 Kopien ein erstattungsfähiger Pauschalbetrag von 0,50 € für jede Kopie vorgesehen ist (vgl. Nr. 9000 Nr. 1 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 [KV GKG], Nr. 2000 Nr. 1 der Anlage zu § 4 Absatz 1 JVKostG, Nr. 31000 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 [KV GNotKG] und § 7 Abs. 2 JVEG).
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Mit der in Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG enthaltenen Dokumentenpauschale steht damit ein brauchbarer Orientierungsmaßstab zur Verfügung, der die einem zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwalt bei der Fertigung von Kopien in seiner Kanzlei entstehenden Kosten angemessen abbildet und daher als Grundlage für die im Rahmen des Erstattungsanspruchs nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m. §§ 1835 Abs. 1 Satz 1, 670 BGB erforderliche Schätzung herangezogen werden kann.
Dose
Klinkhammer
Günter
Botur
Guhling