17.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142132
Landgericht Magdeburg: Beschluss vom 02.04.2014 – 22 Qs 526 Js 36766/12 (21/14)
Bei dem dem Pflichtverteidiger gem. § 45 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4100 ff. VV zum RVG zustehenden Vergütungsanspruch handelt es sich um einen eigenen Anspruch des zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt gegen die Staatskasse, der selbstständig neben den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalt gegen seinen Mandanten aus § 52 RVG tritt und diesem gegenüber nicht subsidiär ist, sondern wahlweise geltend gemacht werden kann.
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Vergewaltigung
Hier: sofortige Beschwerde des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt S., gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Aschersleben vom 7. November 2013 hat die 2. Große Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Magdeburg durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin am 2. April 2014
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Pflichtverteidigers vom 11. Februar 2014 werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Aschersleben vorn 7. November 2013 und vom 30. Januar 2014 (Az.: 61 Ls 526 Js 36766/12) aufgehoben.
Die aufgrund des vollstreckbaren Urteils vom 7. August 2013 (Az.: 61 Ls 526 Js 36766/12) von der Landeskasse dem Pflichtverteidiger zu erstattenden notwendigen Auslagen werden auf 841,09 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Urteil vom 7. August 2013 sprach das Amtsgericht Aschersleben (Az.: 61 Ls 526 Js 36766/12) den Angeklagten wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung frei. Die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Landeskasse auferlegt. In dem Verfahren wurde der Angeklagte durch den Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger vertreten. Darüber hinaus bestand ein Wahlmandat zu Rechtsanwalt R.
Mit Schriftsatz vom 9. August 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der Gebühren als Wahlverteidiger in Höhe von insgesamt 1.190,12 €. Auf Aufforderung legte er mit Schriftsatz vom 11. September 2013 eine Geldempfangsvollmacht für den Angeklagten vor.
Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Aschersleben setzte mit Beschluss vom 23. September 2013 die beantragten Kosten als Wahlverteidigergebühren ungekürzt fest. Zu einer Auszahlung des Gebührenanspruches kam es jedoch nicht, weil die Landeskasse mit Verfügung vom 18. Oktober 2013 wegen weiterer Ansprüche der Landeskasse gegenüber dem Angeklagten die Aufrechnung erklärte.
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Kostenfestsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren in Höhe 841,09 €. Hinsichtlich der im Einzelnen geltend gemachten Gebühren wird auf den Antrag BI. 55 bis 56 Bd. II d. A. Bezug genommen.
Die Rechtspflegerin wies mit Beschluss vom 7. November 2013 den Antrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass eine nochmalige Kostenfestsetzung nicht in Betracht käme, weil die Landeskasse bereits den höheren Betrag der Wahlverteidigervergütung festgesetzt und geleistet habe.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18. November 2013, beim Amtsgericht Aschersleben am 19. November 2013 eingegangen, sofortige Erinnerung ein und führte zur Begründung aus, dass es sich hinsichtlich der Erstattung der Wahlverteidigergebühren grundsätzlich um einen Anspruch des Mandanten handeln würde, während der Anspruch des Pflichtverteidigers ein originärer Anspruch des Verteidigers sei.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und diese dem zuständigen Abteilungsrichter beim Amtsgericht Aschersleben zur Entscheidung vorgelegt, der mit Beschluss vom 30. Januar 2014 die Erinnerung zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ein Anspruch auf Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren nicht bestehe, weil der Pflichtverteidiger sein Wahlrecht hinsichtlich der Geltendmachung der Wahlverteidiger- oder Pflichtverteidigergebühren ausgeübt habe.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. Februar 2014, der beim Amtsgericht Aschersleben am 12. Februar 2014 eingegangen ist, Beschwerde eingelegt, wobei er seine bereits im Rahmen der Erinnerung abgegebene Begründung wiederholt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 464 b StPO in Verbindung mit §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 2 RVG zulässig. Gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 RVG hat über die Beschwerde die Einzelrichterin zu entscheiden.
Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Festsetzung der vom Beschwerdeführer beantragten Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 841,09 €.
Dem in diesem Verfahren als Pflichtverteidiger bestellten Beschwerdeführer steht gem. § 45 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4100 ff. VV zum RVG der geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Hierbei handelt es sich um einen eigenen Anspruch des zum Pflichtverteidiger bestellten Beschwerdeführers gegen die Staatskasse, der selbstständig neben den Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers gegen seinen Mandanten aus § 52 RVG tritt und diesem gegenüber nicht subsidiär ist, sondern wahlweise geltend gemacht werden kann (vgl. Hartmann in Kostengesetze, 43. Aufl., § 52 RVG Rn. 9). Der gesetzliche Anspruch des Pflichtverteidigers auf Festsetzung und Auszahlung der Pflichtverteidigergebühren erlöscht entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Aschersleben nicht durch eine Auszahlung an dessen Mandanten aufgrund der Eigenständigkeit dieses Anspruchs (vgl. OLG Frankfurt, JurBüro 2011, 34). Etwas anderes folgt auch nicht aus § 58 Abs. 3 RVG. Danach kommen auf die Pflichtverteidigergebühren nur solche Vorschüsse und Zahlungen zur Anrechnung, die der Rechtsanwalt auch tatsächlich erhalten hat. Dies ist vorliegend aufgrund der durch die Staatskasse erklärten Aufrechnung gegenüber den Wahlverteidigergebühren jedoch nicht der Fall ist, da eine Auszahlung gerade nicht erfolgt ist.
Ein Anspruch auf Pflichtverteidigervergütung besteht auch dann, wenn bereits eine Wahlverteidigervergütung festgesetzt wurde (vgl. BVerfG, JurBüro 2009, 418). Die danach grundsätzlich mögliche Doppelbelastung der Staatskasse muss nicht hingenommen werden. Vielmehr kann sich die Staatskasse etwa dadurch schützen, dass sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren auffordert (vgl. BVerfG, a. a. O.; Landgericht Duisburg, JurBüro 2006, 425). Falls ein solcher Verzicht nicht erklärt wird, lassen sich Doppelbelastungen dadurch vermeiden, dass Kosten nur in der Höhe festgesetzt werden, als diese das Pflichtverteidigerhonorar übersteigen (vgl. BVerfG, a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Macht die Staatskasse - wie hier - von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, sondern schafft sie selbst durch Aufrechnung des Risiko von Doppelbelastungen, so ist das von dem betroffenen Rechtsanwalt nicht zu verantworten und vermag eine Kürzung seines gesetzlich vorgesehenen Honorars nicht zu rechtfertigen (vgl. so auch BVerfG, a. a. O.).
Vorliegend waren deshalb die Rechtsanwaltsgebühren wie beantragt auf zustehenden Pflichtverteidigergebühren. Ebenso sind die geltend gemachten Auslagenpauschalen Nr. 7000 Nr. 1 und Nr. 7002 VV des RVG weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Unter Berücksichtigung einer 19 %-igen Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV des RVG war der zu erstattende Betrag auf insgesamt 841,09 € festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.