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  • 20.10.2014 · IWW-Abrufnummer 143040

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 30.04.2014 – 8 W 149/14

    Gerichtskosten im Insolvenzverfahren: Bemessungsgrundlage bei Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter: Der Gegenstandswert für die Gebührenerhebung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt sich nicht allein nach den Aktiva der Gesamteinnahmen, die der Insolvenzverwalter durch die Fortführung des Geschäftsbetriebs des Schuldners erwirtschaftet hat. Vielmehr sind wie auch bei der Berechnung der Insolvenzverwaltungsvergütung die mit der Betriebsfortführung verbundenen Kosten in Abzug zu bringen.


    Oberlandesgericht Stuttgart

    Beschl. v. 30.04.2014

    Az.: 8 W 149/14

    In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der
    wegen weiterer Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 25.03.2014
    hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von
    Vors. Richter am Oberlandesgericht Taxis
    Richterin am Oberlandesgericht Tschersich
    Richter am Oberlandesgericht Dr. Barth

    beschlossen:
    Tenor:

    1.

    Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten Z. 1 wird der Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 25. März 2014, Az. 1 T 8/14,

    abgeändert:

    Auf die Beschwerde des Insolvenzverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Rottweil vom 30. Dezember 2013, Az. 7 (4) IN 5/09, dahingehend

    abgeändert,

    dass der Wert für die Berechnung der Gerichtskosten festgesetzt wird auf:

    816.052,22 €
    2.

    Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Der Beteiligte Z. 1 wendet sich mit der vom Landgericht Rottweil in dem Beschluss vom 25. März 2014 zugelassenen weiteren Beschwerde vom 15. April 2014 gegen den von den Vorinstanzen zu Grunde gelegten Geschäftswert für die Berechnung der Gerichtskosten. Insoweit wurde die Summe aller Einnahmen mit 2.811.547,38 € berücksichtigt einschließlich der gesamten Bruttoeinnahmen während der Betriebsfortführung im laufenden Insolvenzverfahren und des Wertes der Absonderungsrechte von 388.417,89 €, obwohl ein Überschuss aus der Betriebsfortführung und nach der Abfindung der Aus- und Absonderungsrechte nicht erzielt werden konnte. Deswegen belaufe sich - nach der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers - die auch für die Vergütung des Insolvenzverwalters maßgebliche Berechnungsmasse lediglich auf 816.052,22 €.

    Zur Sachverhaltsdarstellung im einzelnen wird verwiesen auf den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 25. März 2014, das der weiteren Beschwerde am 22. April 2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

    II.

    Die gemäß §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 4 S. 1 GKG statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde, die sich gegen den für die Berechnung der Gerichtskosten zu Grunde gelegten Geschäftswert wendet und sich nach dem Verfahren der bis zum 31. August 2013 geltenden Fassung des GKG richtet (§ 71 Abs. 3 GKG), hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

    Der Gegenstandswert für das Insolvenzverfahren beträgt im Hinblick auf den nicht erzielten Gewinnüberschuss aus der Betriebsfortführung und eines nach Befriedigung der Absonderungsrechte fehlenden Restwertes nicht 2.811.547,38 €, sondern lediglich 816.052,22 €.

    Nach § 58 Abs. 1 S. 1 GKG ist Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens. § 63 Abs. 1 S. 2 InsO enthält eine gleichlautende Formulierung für die Vergütung des Insolvenzverwalters.

    Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum EGInsO vom 24. November 1992 (BT-Drucks. 12/3803, S. 72) und zur InsO vom 15. April 1992 (BT-Drucks. 12/2443, S. 130) ist zu entnehmen, dass für das einheitliche Insolvenzverfahren der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich sein soll - für die Erhebung der Gerichtskosten ebenso wie für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters - sowie, dass die Einheitlichkeit des neuen Insolvenzverfahrens auch eine einheitliche Berechnungsgrundlage und eine einheitliche Vergütungsstruktur notwendig machen.

    Aufgrund der Verordnungsermächtigung (§ 65 InsO) ist in § 1 der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters im einzelnen definiert. Dabei wird die maßgebliche Masse u.a. wie folgt bestimmt:

    1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV:....... Im übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht.

    § 1 Abs. 2 Nr. 2 InsVV: Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, so wird die aus der Masse hierfür gewährte Leistung vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten.

    § 1 Abs. 2 Nr. 4 InsVV: Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt. Es gelten jedoch folgende Ausnahmen:

    a) ....

    ...

    b) Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt."

    Da sich aus dem identischen Gesetzeswortlaut des § 58 Abs. 1 S. 1 GKG und des § 63 Abs. 1 S. 2 InsO ("Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens") sowie aus den zuvor zitierten Gesetzesmaterialien das Ziel des Gesetzgebers ergibt, eine einheitliche Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters und die Gerichtskosten zu schaffen und der hierzu ermächtigte Verordnungsgeber zugleich in § 1 InsVV die Ermittlung der sich aus dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens ergebenden Berechnungsgrundlage im einzelnen definiert hat, ist kein Grund ersichtlich, weshalb von unterschiedlich hohen Gegenstandswerten für die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters ausgegangen werden soll (vgl. hierzu u.a.: Grub NZI 2012, 949; OLG Koblenz ZIP 2014, 385 [OLG Koblenz 20.01.2014 - 12 W 640/13]; OLG Dresden NZI 2014, 76; OLG Hamm ZIP 2013, 1924; LG Bremen, Beschluss vom 15. Mai 2013, Az. 2 T 195/13; LG Leipzig ZInsO 2013, 684; OLG Hamm ZIP 2013, 470; OLG Düsseldorf ZIP 2012, 1089; LG Wuppertal NZI 2010, 403; je m.w.N.).

    Der in den vorherigen Zitaten im einzelnen begründeten Rechtsauffassung schließt sich der Senat in vollem Umfang an.

    Nicht dagegen kann der vereinzelt vertretenen Mindermeinung gefolgt werden (LG Konstanz NZI 2013, 494, [LG Konstanz 05.04.2013 - 62 T 11/13 A] das die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat; OLG München JurBüro 2012, 660; OLG Düsseldorf JurBüro 2010, 603).

    Ein Abstellen auf den Begriff der Insolvenzmasse gemäß §§ 35-37 InsO, wonach das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse), ist nicht angezeigt, weil § 58 Abs. 1 S. 1 GKG und die §§ 35 ff. InsO unterschiedliche Regelungszwecke verfolgen. § 35 InsO stellt nicht auf die Insolvenzmasse bei Beendigung des Insolvenzverfahrens ab, sondern definiert, welches Vermögen vom laufenden Insolvenzverfahren erfasst werden soll, d.h. auf welche Vermögensteile sich die Beschlagnahme erstreckt. § 58 Abs. 1 S. 1 GKG enthält dagegen den Zusatz, dass es auf den Wert der Insolvenzmasse "zur Zeit der Beendigung des Verfahrens" (Teilungsmasse) ankommt (vgl. die die herrschende Meinung belegenden vorherigen Zitate aus Rechtsprechung und Literatur; Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 35 InsO Rn. 47a, und BGH NJW 2003, 2167, befassen sich mit dem Umfang des Insolvenzbeschlags, d.h. mit dem Begriff der Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO).

    Im übrigen entspricht die Regelung in § 1 InsVV bezüglich der Absonderungsrechte derjenigen in § 58 Abs. 1 S. 2 GKG, wonach Gegenstände, die zur abgesonderten Befriedigung dienen, nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrags angesetzt werden bei der Bestimmung des Wertes der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens. Hieraus ergibt sich bereits ohne weiteres, dass vorliegend mangels eines verbleibenden Restwertes nach Befriedigung der Absonderungsrechte diese nicht mit 388.417,89 € in die als Berechnungsgrundlage dienende Insolvenzmasse einbezogen werden durften.

    Nachdem Gleiches entsprechend den obigen Ausführungen auch für die Bruttoeinnahmen aus der Betriebsfortführung von 1.607.077,27 € gilt, war auf die - gegen den zu Grunde gelegten und für die Berechnung der Gerichtskosten maßgebenden Gegenstandswert gerichtete - weitere Beschwerde unter Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen der Geschäftswert in Höhe von 816.052,22 € festzusetzen. Aus diesem sind nunmehr die Gerichtskosten zu berechnen.

    Die Verfahren sind gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

    RechtsgebietGKGVorschriften§ 58 Abs. 1 S. 1 GKG