19.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146427
Oberlandesgericht Nürnberg: Beschluss vom 23.11.2015 – 2 Ausl AR 16/15
Die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKGH fällt nur dann an, wenn mit der Aktenversendung unmittelbare finanzielle Auslagen entstehen. Dies ist bei einem Aktentransport mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz nicht der Fall.
In der Auslieferungssache pp.
Beistand:
Rechtsanwalt Löwe Michael, Königswarterstraße 22, 90762 Fürth, Gz.: 071/15
wegen Auslieferung nach Ungarn zum Zwecke der Strafverfolgung
Hier: Erinnerung gegen den Kostenansatz
erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 2. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 23.11.2015 folgenden
Beschluss
Tenor:
Auf die Erinnerung des Beistands Rechtsanwalt Michael Löwe wird der Kostenansatz der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 27.07.2015, mit dem die Kostenpauschale für die Versendung von Akten auf Antrag (Nr. 9003 KV-GKG) in Höhe von 12,00 € erhoben wurde, aufgehoben.
Gründe
1.
Mit Schreiben vom 14.04.2015 zeigte sich Rechtsanwalt Löwe in dem von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg betriebenen Auslieferungsverfahren als Beistand an und beantragte die Gewährung von Aktensicht, die mit staatsanwaltlicher Verfügung vom 27.07.2015 gewährt wurde. Die Akten wurden in das Gerichtsfach des Beistands bei dem Amtsgericht Fürth eingelegt. Da kein Nachweis für eine Postversendung vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass die Akten mit dem täglichen Sammeltransport mit einem Dienstfahrzeug der Justiz zum Amtsgericht Fürth verbracht wurden. Mit Schreiben vom 27.07.2015 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom Beistand eine Versendungspauschale von 12,00 €, gegen deren Ansatz der Beistand mit Schreiben vom 21.10.2015 Erinnerung eingelegt hat. Er ist der Auffassung, dass die Versendungspauschale bei einer Akteneinlage in das Gerichtsfach nicht anfalle, auch wenn sich das Gerichtsfach in einem anderen Gebäude als die aktenversendende Dienststelle befinde.
Mit Verfügung vom 22.10.2015 hat der Kostenbeamte der Generalstaatsanwaltschaft der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg beantragt in ihrer Stellungnahme vom 18.11.2015 unter Berufung auf den Beschluss des Landgerichts Kleve vom 28.04.2015, 171 Ns 6/14, die Erinnerung zurückzuweisen. Danach falle die Versendungspauschale bei einer Einlage in ein Gerichtsfach bei einem auswärtigen Gericht an, egal ob der Aktentransport mit einem Dienstfahrzeug oder von Fremddienstleistern durchgeführt werde. Auch bei einem Sammeltransport mit einem Dienstfahrzeug fallen "bare Auslagen" (Benzin- Anschaffungs- und Wartungskosten) an. Ein Einzelnachweis dieser Kosten sei aufgrund der Pauschalierung des Kostenersatzes gerade nicht erforderlich.
II.
Die zulässige Erinnerung des Beistands gegen den Kostenansatz der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat in der Sache Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht ist als Gericht des ersten Rechtszugs zuständig für die Entscheidung über die statthafte Erinnerung gegen den Kostenansatz der Generalstaatsanwaltschaft (§ 66 Abs. 1 GKG). Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 23.11.2015 gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG dem Senat zur Entscheidung übertragen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Die Versendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG kann nicht geltend gemacht werden, da Auslagen für Transport- und Verpackungskosten nicht angefallen sind.
Während nach der früheren Fassung der Nr. 9003 KV-GKG "die Pauschale für die Versendung von Akten auf Antrag" anzusetzen war, wurde die Regelung mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 dahingehend abgeändert, dass die Aktenversendungspauschale "für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung" erhoben wird. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat die von ihm empfohlene Änderung damit begründet (BT-Drucksache 17/13537, S. 268), dass damit "klarer zum Ausdruck kommen (soll), dass mit der Pauschale der Ersatz barer Auslagen gemeint ist".
Ungeachtet dessen, dass das gesetzgeberische Ziel, Klarheit zu schaffen, mit der Neufassung von Nr. 9003 KV-GKG nicht erreicht wurde, soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers die Aktenversendungspauschale nur dann anfallen, wenn mit der Aktenversendung unmittelbare finanzielle Auslagen entstehen. Dies ist bei einem Aktentransport mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz nicht der Fall (OLG Koblenz, Beschluss vom 20. März 2014 — 2 Ws 134/14 —, [...] OLG Köln, Beschluss vom 16. Oktober 2014 —111-2 Ws 601/14, — 2 Ws 601/14 —, [...]).
Der von der Bezirksrevisorin zitierte Beschluss des Landgerichts Kleve (LG Kleve, Beschluss vom 28. April 2015 — 171 Ns 6/14, 171 Ns — 102 Js 229/13-6/14 —, [...]), das die Versendungspauschale auch dann für angefallen hält, wenn der Aktentransport mit einem Dienstfahrzeug durchgeführt wird, kann nicht zur Begründung einer anderen Auffassung herangezogen werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung über die gegen den Beschluss des Landgerichts Kleve eingelegte Beschwerde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. August 2015 - 4 Ws 117/15 -, Burhoff online) dargelegt, dass der Transport durch Justizbedienstete unter Verwendung von Dienstfahrzeugen allgemein durch die Personal- und Sachkosten der Gerichte gedeckt ist, deren Ersatz durch die Neuformulierung der Nr. 9003 des KV-GKG ausgeschlossen werden sollen. Diese Auffassung teilt der Senat.
Die weiteren zu Nr. 9003 KV-GKG ergangenen, einen Kostenansatz befürwortenden Entscheidungen des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken (Beschluss vom 14. Oktober 2015 — 1 Ws 164/15 —, [...]) und des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG Bamberg, Beschluss vom 05. März 2015 —1 Ws 87/15 —, [...]) betreffen die nicht vergleichbaren Fälle der Aktenversendung mit einem privaten externen Dienstleister und einem externen Postdienstleister.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da keine Gerichtsgebühren anfallen und Kosten nicht erstattet werden (§ 66 Abs. 8 GKG).