11.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193803
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 29.03.2017 – 1 Ws 19/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Ws 19/16
(538 KLs) 283 Js 2801/14 (7/15)
In der Strafsache gegen X u.a.,
hier nur gegen
X,
geboren am X in X,
wegen Raubes
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts am 29. März 2017 beschlossen:
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin gegen den Beschluss
des Landgerichts Berlin vom 31. März 2016 wird verworfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht
erstattet.
G r ü n d e :
I.
Rechtsanwalt K. war ab dem 16. Februar 2015 für seinen inhaftierten Mandanten
im Ermittlungsverfahren und zunächst auch noch im gerichtlichen Verfahren vor
dem Landgericht als Wahlverteidiger tätig. Am ersten Hauptverhandlungstag wurde
er nach Niederlegung seines Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt. Bis
dahin hatte er an der Haftbefehlsverkündung, einem Haftprüfungstermin vor dem
Ermittlungsrichter und einem weiteren Haftprüfungstermin vor der Strafkammer
teilgenommen. Er verteidigte den Angeklagten in zwei Terminen zur
Hauptverhandlung, legte gegen das Urteil Revision ein und begründete diese.
Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragte Rechtsanwalt K.,
für das Verfahren vor der Strafkammer und die Revision
Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in einer Gesamthöhe von 1.961,12 Euro
brutto festzusetzen. Er erklärte, mit seinem Mandanten für das
Ermittlungsverfahren, für das er keine Pflichtverteidigervergütung geltend
mache, eine gesonderte Vergütungsvereinbarung in Höhe von 4.300 Euro brutto (=
3.613,44 Euro netto) getroffen zu haben. Dieser Betrag sei ihm auch gezahlt
worden. Weitere Zahlungen und/oder Vorschüsse habe er nicht erhalten. Die
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag lediglich in Höhe von 633,08
Euro stattgegeben. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Stellungnahme der
Bezirksrevisorin des Landgerichts hat sie dies damit begründet, dass eine
analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG gerechtfertigt sei. Die
vereinbarte Zahlung des Verurteilten auf die Gebühren des Ermittlungsverfahrens
überschreite die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers deutlich (um das
3,04-fache). Daher sei das für das Ermittlungsverfahren geleistete Honorar in
Höhe von 3.613,44 Euro nur bis zu den Beträgen der Höchstgebühren eines
Wahlverteidigers und im Übrigen in vollem Umfang auf das erstinstanzliche
Verfahren anzurechnen. Dementsprechend hat die Urkundsbeamtin den festgesetzten
Betrag wie folgt berechnet:
I. Ermittlungsverfahren
Grundgebühr, Nr. 4101 VV RVG 450,00 Euro (Höchstgebühr)
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV RVG (Teilnahme am Haftbefehlsverkündungstermin am
17. Februar 2015 mit Verhandlung über die Haftfrage und am Haftprüfungstermin
am 3. März 2015) 375,00 Euro (Höchstgebühr)
Verfahrensgebühr, Nr. 4105 VV RVG 362,50 Euro (Höchstgebühr)
Insgesamt 1.187,50 Euro
Abzuziehen erhaltene Nettozahlung 3.613,44 Euro
Somit auf die beantragten Gebühren für das gerichtliche Verfahren anzurechnender
Betrag 2.425,94 Euro
II. Gerichtliches Verfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV RVG 180,00 Euro
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV RVG (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2. April
2015) 166,00 Euro
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV RVG
- 29. Mai 2015 312,00 Euro
- 4. Juni 2015 312,00 Euro
Insgesamt 970,00 Euro
Doppelter Betrag (§ 58 Abs. 3 Satz 3 RVG) 1.940,00 Euro
Abzuziehen restliche Nettozahlung 2.425,94 Euro
Noch aus der Landeskasse zu gewährender Betrag 0,00 Euro
Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme 20,00 Euro
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 3,80 Euro
Anzusetzen 23,80 Euro
III. Revisionsverfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV RVG 492,00 Euro
Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme 512,00 Euro
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 97,28 Euro
Anzusetzen 609,28 Euro
Festgesetzter Betrag 633,08 Euro
Das Landgericht Berlin hat mit der angefochtenen Entscheidung der Erinnerung
des Rechtsanwalts K. im Wesentlichen stattgegeben und die ihm aus der
Landeskasse zu zahlende Vergütung für das gerichtliche Verfahren und das
Revisionsverfahren auf 1.787,38 Euro festgesetzt. Gekürzt hat es lediglich die
Gebühr für den Haftprüfungstermin vor dem Landgericht, die vom Antragsteller zu
hoch angesetzt worden war. Im Übrigen hat es dargelegt, dass das dem
Antragsteller aufgrund der Honorarvereinbarung für das Ermittlungsverfahren
gezahlte Entgelt allein auf die im Ermittlungsverfahren und nicht auch auf die
im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren anzurechnen sei. Eine analoge
Anwendung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG sei nicht gerechtfertigt. Dementsprechend
hat es den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:
I. Gerichtliches Verfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV RVG 180,00 Euro
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV RVG (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2. April
2015) 166,00 Euro
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV RVG
- 29. Mai 2015 312,00 Euro
- 4. Juni 2015 312,00 Euro
Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 188,10 Euro
Anzusetzen 1.178,10 Euro
III. Revisionsverfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV RVG 492,00 Euro
Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme 512,00 Euro
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 97,28 Euro
Anzusetzen 609,28 Euro
Festgesetzter Betrag 1.787,38 Euro
Mit ihrer Beschwerde hält die Bezirksrevisorin an ihrer Auffassung fest, dass §
58 Abs. 3 Satz 4 RVG analog anzuwenden sei, und begehrt die Wiederherstellung
der urkundsbeamtlichen Festsetzung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei
Richtern, da das Landgericht den angefochtenen Beschluss nach Übertragung des
Verfahrens durch den Einzelrichter wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG) ebenfalls in
Dreierbesetzung entschieden hat.
2. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Gemäß § 58 Abs. 3 Satz 1 RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung
waren in Strafsachen Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder
nach der gerichtlichen Bestellung für seine Tätigkeit „für bestimmte
Verfahrensabschnitte“ erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese
„Verfahrensabschnitte“ zu zahlenden Gebühren anzurechnen. Nach der für den
Bezirk des Kammergerichts maßgeblichen Rechtsprechung des Senats und der
herrschenden Meinung auch anderer Obergerichte, die sich maßgeblich auf die
Entstehungsgeschichte dieser an die Stelle des § 101 Abs. 1 und Abs. 2 BRAGO
getretenen Norm stützte, war unter dem Begriff des „Verfahrensabschnitts“ der
Instanzenzug zu verstehen; das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des
ersten Rechtszugs galten als eine Einheit mit der Folge, dass auch die mit der
ausdrücklichen Bestimmung „für das Ermittlungsverfahren“ gezahlten Honorare auf
das gesamte erstinstanzliche Verfahren anzurechnen waren (vgl. Senat StraFo
2009, 84 und Beschluss vom 30. Juli 2008 – 1 Ws 168/08 – juris; ebenso OLG Hamm
AGS 2013, 332; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2011, 192; OLG Stuttgart NStZ-RR 2008,
31; a.A. OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 328; weitere Nachweise zum (damaligen)
Streitstand bei Burhoff, RVGreport 2014, 370, 371).
b) Auf den von Rechtsanwalt K. gestellten Antrag ist allerdings das neue Recht
anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG), mithin die Neuregelungen des § 58 Abs. 3
Satz 1 und Satz 4 RVG sowie des § 17 Nr. 10a RVG in der Fassung des seit dem 1.
August 2013 geltenden 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes. Danach sind
nunmehr Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der
gerichtlichen Bestellung für seine Tätigkeit „in einer gebührenrechtlichen
Angelegenheit“ erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese
„Angelegenheit“ zu zahlenden Gebühren anzurechnen (§ 58 Abs. 3 Satz 1 RVG).
Zugleich hat der Gesetzgeber geregelt, dass das strafrechtliche
Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren
„verschiedene Angelegenheiten“ sind (§ 17 Nr. 10a RVG); der Gesetzgeber wollte
damit die in der Rechtsprechung und in der Literatur zu dieser Frage vertretene
unterschiedliche Auffassung „einer Klärung zuführen“ (vgl. BT-Drs. 17/11471
(neu), S. 267; zur Gesetzesentwicklung näher Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 22.
Aufl., § 58 Rdn. 70; Volpert in Burhoff (Hrsg.), RVG – Straf- und
Bußgeldsachen, 4. Aufl., Teil B Kommentar, § 58 Abs. 3 Rdn. 18 ff.).
c) Nach der nahezu einhelligen Auffassung im Schrifttum, der sich das
Landgericht in dem angefochtenen Beschluss angeschlossen hat – obergerichtliche
Rechtsprechung zu dieser Frage ist, soweit ersichtlich, bisher nicht ergangen
–, ist durch die Neuregelung die frühere Rechtsprechung überholt: Zum einen sei
durch das Abstellen auf die „gebührenrechtliche Angelegenheit“ in der Neufassung
des § 58 Abs. 3 Satz 1 RVG statt auf den „Verfahrensabschnitt“ in § 58
Abs. 3 Satz 1 RVG a.F. nun, im Zusammenhang mit den Regelungen in §§ 15, 17 Nr.
1 und 10a RVG, klargestellt, dass bei der Anrechnung von Zahlungen darauf
abzustellen sei, in welcher Angelegenheit ein Vorschuss gezahlt worden sei; zum
anderen könnten nur auf die für die Angelegenheit zu zahlenden (späteren)
gesetzlichen Gebühren des (später) zum Pflichtverteidiger bestellten (früheren)
Wahlverteidigers Zahlungen und Vorschüsse angerechnet werden (vgl. Burhoff,
RVGreport 2014, 370, 371; ders. StRR 2016, 19, 21; ders. in Gerold/Schmidt
a.a.O., § 58 Rdn. 70; Kießling in Mayer/Kroiß (Hrsg.), RVG 6. Aufl., § 58 Rdn.
29; N. Schneider/Fölsch in Schneider/Wolf (Hrsg.), Anwaltkommentar RVG 7.
Aufl., § 58 Rdn. 44 ff.; Stollenwerk in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes
Kostenrecht 2. Aufl., § 58 RVG Rdn. 16; Volpert in Burhoff (Hrsg.), RVG –
Straf- und Bußgeldsachen a.a.O., § 58 Rdn. 20; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG
10. Aufl., § 58 Rdn. 29 (allerdings unter Bezugnahme auf den vom Bundesrat
vorgeschlagenen, jedoch nicht Gesetz gewordenen § 58 Abs. 3 Satz 5 RVG; a.A.
Bräuer in Bischof/Jungbauer, RVG 7. Aufl., § 58 Rdn. 19 unter Bezugnahme
auf Rechtsprechung noch zur früheren Gesetzeslage).
d) Der Senat sieht es ebenso, dass in den nach neuem Recht abzuwickelnden
Kostenfestsetzungsverfahren die frühere Judikatur überholt ist (weitergehend
Burhoff, RVGreport 2014, 370, 372; ders. in Gerold/Schmidt a.a.O., § 58 Rdn.
71, der sich für eine Anwendung auch auf die sog. Altfälle ausspricht).
Im Ergebnis teilt der Senat auch die Auffassung, dass eine Anrechnung von
Vorschüssen und Zahlungen nur noch auf die für die jeweilige Angelegenheit zu
zahlenden gesetzlichen Gebühren möglich ist.
Allerdings folgt dies nicht bereits und ohne weiteres aus der Neuregelung der
§§ 58 Abs. 3 Satz 1, 17 Nr. 10a RVG. Denn § 17 Nr. 10a RVG bestimmt
lediglich, dass (nunmehr) das Ermittlungs- und das gerichtliche Verfahren
verschiedene Angelegenheiten sind. Und § 58 Abs. 3 Satz 1 RVG regelt nur, dass
die vom Mandanten oder einem Dritten für die jeweilige Angelegenheit gezahlte
Vergütung auf die von der Staatskasse für eben diese Angelegenheit zu zahlenden
Gebühren anzurechnen ist. Ob darüber hinaus eine Anrechnung auch auf eine
weitere Angelegenheit, namentlich das gerichtliche Verfahren, möglich ist,
ergibt sich daraus nicht, sondern hängt davon ab, ob das Gesetz eine Vorschrift
enthält, die eine solche Anrechnung regelt. Hierfür kommt nur der durch das 2.
Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingefügte § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG in
Betracht, der folgenden Wortlaut hat: „Sind die dem Rechtsanwalt nach Satz 3
verbleibenden Gebühren höher als die Höchstgebühren eines Wahlanwalts, ist auch
der die Höchstgebühren übersteigende Betrag anzurechnen oder zurückzuzahlen.“
So gesehen richtet sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht
darauf, ob § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG analog anzuwenden ist, sondern ob diese
Vorschrift unmittelbar Anwendung findet, weil sie eine allgemeine Anrechnungsregelung
dahingehend enthält, dass Vorschüsse und Zahlungen, die die nach Satz 3
verbleibenden Gebühren übersteigen, auch auf Gebühren in anderen
Angelegenheiten anzurechnen sind.
Die Auslegung des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG ergibt, dass es sich hierbei nicht um
eine derartige allgemeine Anrechnungsregelung handelt.
Zwar ließe der Wortlaut der Norm ein solches Verständnis zu. Auch stünde die
Gesetzessystematik dieser Auslegung nicht entgegen. § 58 Abs. 3 RVG könnte,
worauf die Beschwerdeführerin hingewiesen hat, auch folgendermaßen verstanden
werden: Satz 1 enthält lediglich die Grundaussage, dass die in einer
gebührenrechtlichen Angelegenheit erhaltenen Vorschüsse und Zahlungen auf die
von der Staatskasse für diese Angelegenheit zu zahlenden Gebühren anzurechnen
sind. Satz 3 regelt, wie und in welchem Umfang angerechnet wird. Satz 4
schließlich erhöht den nach Satz 3 anrechnungsfreien Betrag auf den Betrag der
Höchstgebühr, die der Verteidiger als Wahlanwalt in dieser gebührenrechtlichen
Angelegenheit geltend machen könnte, und ermöglicht (bzw. ordnet sogar an),
dass der darüberhinausgehende gezahlte Betrag auch auf die anderen
gebührenrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere die Gebühren des
gerichtlichen Verfahrens, angerechnet werden kann.
Eine solche Auslegung widerspräche jedoch dem maßgebenden objektivierten Willen
des Gesetzgebers (vgl. dazu nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., Einl.
Rdn. 193 m.w.N.). Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber
mit der Einfügung des Satzes 4 eine sich auf andere gebührenrechtliche
Angelegenheiten erstreckende Anrechnungsregelung einführen wollte, welche in
einem deutlichen Gegensatz zur Rechtslage vor und nach der Novellierung des
Anwaltsvergütungsrechts durch das 1. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz
gestanden hätte.
Gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 BRAGO waren auf die von der Staatskasse zu zahlenden
Gebühren Vorschüsse und Zahlungen anzurechnen, die der Rechtsanwalt vor oder
nach der gerichtlichen Bestellung für seine Tätigkeit „in der Strafsache“ von
dem Beschuldigten oder einem Dritten erhalten hat. Der Wortlaut und die
Gesetzessystematik hätten es zugelassen, diese Norm sehr weit auszulegen und so
auch auf die „in der Strafsache“ für die Rechtsmittelinstanz erbrachten
Zahlungen auf die Pflichtverteidigergebühren anzurechnen. Gleichwohl entsprach
es einhelliger Meinung, dass nur die in ein und derselben Angelegenheit
erbrachten Zahlungen anrechnungsfähig waren. Darunter fielen zwar nach
damaligem Verständnis das Ermittlungs- und das sich anschließende gerichtliche
Verfahren, nicht aber die Rechtsmittelinstanz (vgl. etwa Hartmann,
Kostengesetze 33. Aufl., § 101 BRAGO Rdn. 7). Der Gesetzgeber des 1.
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes hat diesen Grundsatz der Anrechenbarkeit
ausschließlicher solcher Zahlungen, die in derselben gebührenrechtlichen
Angelegenheit geleistet wurden, in der Rechtspraxis vorgefunden und in § 58
Abs. 3 RVG (a.F.) an ihm festgehalten. Der durch das
2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingefügte § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG hat
hieran nichts geändert. Zweck der Vorschrift war es ausweislich der
Gesetzesmaterialien (allein), die in Rechtsprechung und Schrifttum streitig
gewesene Frage zu klären und zu entscheiden, dass der Pflichtverteidiger neben
den vollen Pflichtverteidigergebühren zusammen mit den bereits erhaltenen
Zahlungen und Vorschüssen nicht mehr als die Höchstgebühren eines
Wahlverteidigers erhalten sollte (vgl. BT-Drs. 17/11471 (neu), S. 270 f. unter
Hinweis auf Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 19. Aufl., § 58 Rdn. 71; näher dazu
Volpert in Burhoff (Hrsg.), RVG – Straf- und Bußgeldsachen a.a.O., § 58
Abs. 3 Rdn. 59 f.). Ein solcher Fall läge etwa vor, worauf das Landgericht in
seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend hingewiesen hat, wenn ein
Pflichtverteidiger an einer mehr als fünfstündigen Hauptverhandlung vor dem
Amtsgericht teilnimmt, dementsprechend der doppelte Betrag aus den Gebühren Nr.
4108, 4110 VV RVG = 660 Euro anrechnungsfrei bliebe, wohingegen dem
Wahlverteidiger gemäß Nr. 4108 VV RVG höchsten 480 Euro zustünden. § 58 Abs. 3
Satz 4 RVG ermöglicht es, dass unabhängig von der Regelung des Abs. 3 Satz 3
auch unterhalb des Doppelten der Pflichtverteidigergebühren anzurechnen ist,
wenn der Rechtsanwalt seine Vergütung in Höhe der höchstmöglichen
Wahlanwaltsvergütung erhalten hat (vgl. auch das Fallbeispiel bei N.
Schneider/Fölsch in Schneider/Wolf (Hrsg.), Anwaltkommentar RVG a.a.O., § 58
Rdn. 76).
Ein weitergehender Zweck des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG als der eben genannte hat
im 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz keinen Niederschlag gefunden. Bei
dieser Sachlage verbietet sich auch eine analoge Anwendung der Norm. Eine
planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung für eine Analogie wäre, besteht
nicht.
2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.