20.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194542
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 11.05.2017 – 1 U 203/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.10.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Vollziehung eines dinglichen Arrests.
Der Kläger war Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Durch Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 8. April 2010 (Az10, später Az11, Anlage K 1) wurde der dingliche Arrest in Höhe von 10.835.791,- EUR in das Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest wurde vom 28.4.2010 bis zum 11.8.2010 durch Kontenpfändung und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen vollzogen.
Gegen den Arrestbeschluss hat der Verteidiger des Klägers unter dem 29.4.2010 Beschwerde eingelegt (Anlage B1). Das Amtsgericht Stadt1 hat den Arrestbeschluss mit Beschluss vom 16.8.2010 aufgehoben (Anlage B 2).
Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.3.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Anlage K 2).
Mit Beschluss vom 10.6.2014 hat das Amtsgericht Stadt1 festgestellt, dass der Kläger "für den vollzogenen dinglichen Arrest des Amtsgerichts Stadt1 vom 8. April 2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist" (Anlage K 3).
Einen Antrag des Klägers auf Festsetzung des Gegenstandswerts hat das Amtsgericht Stadt1 mit Beschluss vom 12.3.2015 (Anlage K 8) zurückgewiesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 hat dem Kläger durch Bescheid vom 16.2.2015 Ersatz von Rechtsanwaltskosten aus einer Tätigkeit bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 13 RVG, VV 4142) in Höhe von 714,00 EUR gewährt unter Ablehnung des Entschädigungsantrages im Übrigen (Anlage K 7).
Der Kläger begehrt weitergehenden Ersatz von Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert des Arrestverfahrens in Höhe von 3.621.930,00 EUR. Danach ergebe sich ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 15.092,77 EUR, auf die die Beklagte bereits 566,44 EUR gezahlt hat.
Er begehrt des Weiteren die Zahlung von Rechtsanwaltskosten im Strafrechtsentschädigungsverfahren aus einem Gegenstandswert von 15.092,77 EUR in Höhe von insgesamt 1.029,35 EUR, worauf die Beklagte 147,56 EUR gezahlt hat. Er macht im Wesentlichen geltend, dass für die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers aufgrund des Arrestes eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG angefallen sei, die er aus dem Wert der Arrestforderung berechnet. Aus dem Wert dieser Honorarforderung ergebe sich ein Anspruch auf Abrechnung einer entsprechenden Gebühr im StrEG-Verfahren.
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass es an einer ordnungsgemäßen Rechnungstellung des Verteidigers des Klägers an den Kläger fehle, die Voraussetzung für eine fällige Gebührenforderung wäre. Der Kläger differenziere nicht hinreichend zwischen der Hauptsache im Arrestverfahren und der Vollziehung des Arrests, die grundsätzlich auch gebührenrechtlich zwei Angelegenheiten sind. Die Grundentscheidung habe sich vom 10.6.2014 habe sich lediglich auf die Vollziehung des Arrestes bezogen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 16.10.2015 abgewiesen. Ausweislich der Grundentscheidung des Amtsgerichts Stadt1 vom 10.6.2014 stehe dem Kläger ein Anspruch allein auf Entschädigung wegen der Vollziehung des Arrestes vom 8.4.2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu. Der Arrest sei aber durch diverse Pfändungen lediglich in Höhe von 7.024,68 EUR vollzogen worden. Auf die Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine zusätzliche Gebühr gem. Ziffer 4142 VV RVG zustehe und ob sich deren Gegenstandswert im Regelfall mit einem Drittel des zu sichernden Anspruchs bemesse, komme es vorliegend nicht an.
Mit der Berufung macht der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass die Entscheidung des Landgerichts eine Überraschungsentscheidung sei. Es sei gar nicht erörtert worden sei, dass es an einer weitergehenden Grundentscheidung gemäß § 9 StrEG fehle. Das Gericht habe auch die Maßnahme selbst mit dem Erfolg der Maßnahme verwechselt. Für den Begriff der Vollziehung eines Arrestes komme es darauf an, dass der Gläubiger von dem Titel Gebrauch macht und damit zum Ausdruck bringt, dass er eine Nichtbeachtung nicht hinnehmen wird. Auf den Erfolg der Zwangsvollstreckung komme es überhaupt nicht an. In dem Verfahren nach StrEG sei allein die Höhe eines Vermögensschadens zu prüfen, nicht aber, wie eng oder wie weit eine dem zu Grunde liegende Grundentscheidung sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.10.2015 (2-04 O 131/15) wird abgeändert und das beklagte Land wird verurteilt:
1.
Rechtsanwaltskosten an den Berufungskläger für die Vollziehung des Arrestes zu dem Az. des Amtsgerichts Stadt1 Az10 (Az12) in Höhe von 14.526,33 EUR zu bezahlen;
2.
Rechtsanwaltskosten im StrEG-Verfahren zu dem Az. der Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 Az13 in Höhe von 1.024,11 EUR zu bezahlen;
hilfsweise,
den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die Vollziehung des Arrestes zu dem Az. des Amtsgerichts Stadt1 Az10 (Az12) in Höhe von 14.526,33 EUR freizuhalten;
sowie
den Kläger von Rechtsanwaltskosten in dem StrEG-Verfahren zu dem Az. der Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 Az13 in Höhe von 1.024,11 EUR frei zu halten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt heraus ein weitergehender Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Vermögensschadens zusteht. Der durch den Kläger allein geltend gemachte weitere Ersatz an Rechtsanwaltskosten aus einer Gebühr nach VV 4142 RVG ist nicht ersatzfähig.
1. Soweit der Kläger eine unzulässige Überraschungsentscheidung durch das Landgericht geltend macht (§ 139 Abs. 2 ZPO), weil dieses in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert habe, dass es die Grundentscheidung nach § 9 StrEG für nicht hinreichend erachte, hat er bereits nicht dargelegt, welchen Vortrag er bei einem rechtzeitigen Hinweis in erster Instanz geltend gemacht hätte.
Unabhängig davon bestand eine gesonderte Hinweispflicht nicht, weil der Beklagte bereits in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hatte, dass die Grundentscheidung sich allein auf einen Schaden wegen der Vollziehung des Arrestes, nicht aber auf einen Schaden wegen der Hauptsache erstrecke.
2. Dem Kläger steht ein weitergehender Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten nicht zu.
a) Gemäß § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Hierzu gehören auch im Zusammenhang mit der vollzogenen Strafvollstreckungsmaßnahme veranlasste Rechtsanwaltskosten, soweit diese nicht anderweitig ersetzt werden.
Ein anderweitiger Ersatz von Verteidigerkosten des Klägers ist nach der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO ist mangels Kostenentscheidung nicht gegeben.
b) Einem Anspruch des Klägers steht auch nicht schon entgegen, dass eine unterzeichnete Kostennote des Verteidigers des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 RVG nicht vorgelegt ist.
Diese Bestimmung betrifft lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs. 1 RVG mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar ist. Hiervon zu unterscheiden ist der im Streitfall geltend gemachte materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch. Der Beklagte kann hier nicht einwenden, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei, weil ihm keine Berechnung vorgelegt worden sei, die den Anforderungen der §§ 10 RVG oder 14 UStG entspreche. Dies betrifft lediglich das Innenverhältnis zum Mandanten(BGH, Urt. v. 22.3.2011 - VI ZR 63/10, RN 18).
c) Die Grundentscheidung des Amtsgerichts Stadt1 vom 10.6.2014 gemäß § 9 StrEG ist auch hinreichende Grundlage für den begehrten Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Abwehr des Arrestes.
Der Ersatzanspruch des Klägers ist nicht allein auf die Geltendmachung der Kosten aus einer Vollstreckung bzw. Vollziehung des Arrestes, etwa durch Ansatz einer Gebühr nach VV 3309 RVG beschränkt.
Gegenstand der Entschädigung gemäß § 7 Abs. 1StrEG ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Maßgeblich ist danach, für welche konkrete Strafverfolgungsmaßnahme eine Grundentscheidung gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1StrEG vorliegt. Dem Gericht kommt im Betragsverfahren eine Prüfungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs und der Reichweite der Grundentscheidung zu, da anderweitig ein angemessener Betrag nicht festgestellt werden könnte (BGH, Urt. v. 8.6.1989 - III ZR 82/88; BGH, Urt. v. 21.1.1988 - III ZR 157/86).
Die vorliegende Grundentscheidung vom 10.6.2014 nimmt Bezug auf den vollzogenen dinglichen Arrest, beschränkt den Ersatz für erlittene Strafvollstreckungsmaßnahmen aber damit nicht auf die Kosten, die dem Kläger allein aus dem Vollzug des Arrestes entstanden sind.
Die Vollziehung ist dabei die Vollstreckung aus einer Entscheidung des anteiligen Rechtsschutzes (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, VV 3309 Rn. 9).
Eine ausdrückliche Beschränkung der Entschädigung allein auf den durch den Vollzug des Arrestes ausgelösten Folgen lässt sich dem Beschluss vom 10.6.2014 nicht entnehmen; dessen Tenor nennt nicht den Vollzug des Arrestes, sondern den vollzogenen Arrest. Den Gründen der Entscheidung lässt sich nichts anderes entnehmen. Die Parteien haben hierzu auch keine weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die bei einer Auslegung der Entscheidung ergänzend zu berücksichtigen wären. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Gesichtspunkt heraus sich der Verteidiger des Klägers mit der umfassend eingelegten Beschwerde vom 29.4.2014, die auch die Grundlagen des Arrestes betraf, allein gegen die Vollziehung des Arrestes gewandt haben sollte.
Die Tenorierung des Beschlusses orientiert sich damit ersichtlich an der Maßgabe des § 2 Abs. 1 StrEG, wonach eine Geldentschädigung (allein) für eine vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme zu gewähren ist. Die Angabe des Vollzugszeitraums hat ihre Grundlage in § 8 Abs. 2 StrEG. Danach liegt jedoch eine Grundentscheidung vor, nach der ein Vermögensschaden, der aus dem vollzogenen Arrest entstanden ist, insgesamt zu ersetzen ist.
d) Der Kläger kann aber keinen weitergehenden als den bereits ersetzten Schaden geltend machen, weil die von seinem Verteidiger entfaltete Tätigkeit bereits abgegolten ist.
aa) Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urt. v. 7.11.2007 - VIII ZR 341/06; 18.1.2005 - VI ZR 73/04).
Beauftragt der Entschädigungsberechtigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Entschädigungsansprüche gemäß § 10 StrEG, so sind die dafür anfallenden Gebühren gleichfalls als Teil des Vermögensschadens erstattungsfähig. Der Gegenstandswert des zu erstattenden Anwaltshonorars richtet sich nach der Höhe des Entschädigungsbetrags, wobei der von Gesetzes wegen zu erstattende und nicht (nur) der von der Landesjustizverwaltung zuerkannte Betrag maßgeblich ist (BGH, Urt. v. 16.7.2009 - III ZR 298/08, NJW 2009, 2682; vgl. Cornelius/BeckOK, StrEG, 27. Ed (1.1.2017), § 7 Rn. 6).
bb) Die Gebühr aus VV 4142 RVG ist auch angefallen.
Voraussetzung für das Entstehen der Geschäftsgebühr ist jegliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in Bezug auf die Einziehung; das kann auch das Fertigen von Schriftsätzen und Beschwerden sein (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., 4142 VV, Rn. 10). Eine Tätigkeit des Verteidigers des Klägers in dem durch die Grundentscheidung ausdrücklich benannten Zeitraum ist durch die eingelegte Beschwerde, die sich inhaltlich auch nicht etwa auf die bloße Vollziehung des Arrestes beschränkt, dokumentiert.
cc) Einer Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Arrest auch auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt war.
Allerdings ist streitig, ob die Gebühr nach VV 4142 RVG überhaupt anfallen kann, wenn ein Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes angeordnet ist, sondern wenn er auch gemäß § 111b Abs. 5 StPO zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen angeordnet ist (Burhoff in: Gerold/Schmidt., a.a.O., 4142 VV, Rn 8). Eine Gebühr nach Nr. VV 4142 RVG soll dann nicht ausgelöst werden, wenn ein Arrest allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) angeordnet ist, da dieser nicht zu den "vorgenannten Maßnahmen" im Tatbestand der Nr. VV 4142 RVG gehöre (OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2006 - 2 Ws 614/06). Das OLG Hamm hat den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG verneint, wenn die Sicherstellung von Eigentum nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust führt, sondern erst durch zivilrechtliche Verfahren eine Klärung herbeizuführen ist, in denen dann wiederum anwaltliche Gebühren entstehen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2009 - 2 Ws 378/08).
Nach anderer Auffassung, der sich der Senat anschließt, soll sich der auch zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines nach § 111b Abs. 2 StPO ausgebrachten dinglichen Arrestes unterscheiden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 - 3 Ws 323/07). Dafür spricht auch, dass gemäß § 111i StPO beschlagnahmte Gegenstände nach Ablauf von 3 Jahren mit Verfallswirkung dem Staat anheimfallen, was aus Sicht des durch die Beschlagnahme Betroffenen die gleiche Wirkung wie die Einziehung des Wertersatzes hat.
Jedenfalls in den Fällen, in denen - wie vorliegend - der Arrest nicht nur der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen sondern auch der Sicherung staatlicher Ansprüche aus Wertersatz dient, ist danach der Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht ausgeschlossen.
dd) Die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers ist aber durch die Vergütung aus einem Gegenstandswert, der sich nach den gepfändeten Werten bestimmt, bereits abgegolten.
Die Gebühr aus Nr. VV 4142 RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Letztere sind in §§ 442 Abs. 1 StPO mit Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands benannt.
Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 9).
Sinn und Zweck des VV 4142 RVG ist es danach, eine Anwaltsvergütung auch für die Tätigkeiten zu erhalten, die sich auf die Bewahrung des Eigentums des Mandanten richten (vgl. Kotz/BeckOK-RVG, 35. Ed. (15.7.2015), VV 4142 RVG Rn. 1). Dementsprechend bestimmt sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung und Auffassung nach dem objektiven Wert der betroffenen Gegenstände (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2006 - 2 Ws 137/06; KG, Urt. v. 18.7.2005 - 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 - 3 Ws 323/07, wistra 2008, 160; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014 - 360; Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn. 19; Hartung/Strauß/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, VV 4142 Rn. 16; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG 10. Aufl. 2015, Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV, Rn 18).
Von der Rechtsprechung und der Literatur wird allerdings teilweise auch für die Vergütung aus Nr. VV 4142 RVG der Gegenstandswert des Arrestes mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 - 3 Ws 560/07, OLG München, Beschl. v. 16.8.2010 - 4 Ws 114/10 (K); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13; Riedel/Sußbauer /Kremer, a.a.O., Rn. 15). Die Wertfestsetzung beruht dabei jeweils ohne eingehendere Begründung auf einer Übertragung der Grundsätze, die im Zivilrecht für die Wertfestsetzung im Arrestverfahren entwickelt worden.
Das erscheint nicht zutreffend. Die Streitwertfestsetzung im zivilrechtlichen Arrestverfahren beruht darauf, dass sich eine Partei einer Geldforderung berühmt und deren Zwangsvollstreckung sichern möchte (§ 916 Abs. 1 ZPO). Danach ist die obere Grenze bei der Sicherung einer Geldforderung deren Betrag, wobei wegen der Vorläufigkeit der Regelung regelmäßig ein Abschlag auf ein Drittel dieses Betrages gemacht wird (vgl. nur Herget/Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 "Arrestverfahren").
Ein Arrestanspruch ist jedoch nicht Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes gem. § 111b Abs. 1 StPO wegen des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Hierfür müssen allein Gründe für die Annahme vorliegen, dass Maßnahmen nach den §§ 73a, 74c StGB verhängt werden (Spillecke, Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 111d Rn. 4). Auf § 916 Abs. 1 ZPO ist in § 111d Abs. 2 StPO auch nicht verwiesen.
Soweit die antragstellende Staatsanwaltschaft Ansprüche durch Bezifferung konkretisiert, handelt es sich hierbei um eine notwendig vorläufige Annahme, die von dem jeweiligen Stand der Ermittlungen und Erkenntnisse abhängt.
Die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes von Sachen des Mandanten beziehen. Ausgangspunkt der Tätigkeit des Verteidigers ist daher allein die Sicherung von dessen Vermögensgegenständen. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergibt sich danach nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig wird.
Lediglich in dem Fall, dass die einer möglichen Beschlagnahme zur Einziehung unterliegenden Gegenstände wertmäßig höher wären als die in der Arrestanordnung zu Grunde gelegten Wertverfallansprüche, wäre der Wert der Tätigkeit des Verteidigers durch diese Ansprüche begrenzt, da eine darüber hinausgehende Beschlagnahme und Verwertung des Eigentums des Mandanten nicht droht.
Dem steht nicht entgegen, dass der BGH mit Beschluss vom 24.2.2015 (1 StR 245/09) den Gegenstandswert für eine Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG nach der Höhe der durch die Staatsanwaltschaft verfolgten Verfallsanordnung bemessen hat. Denn dies betraf die Erstattung der Kosten des Verteidigers im Revisionsverfahren, das allein die unterlassene Anordnung der Verfallsanordnung durch das Landgericht zum Gegenstand hatte.
Der Gegenstandswert der Tätigkeit des Verteidigers des Klägers nach Nr. 4142 RVG ergibt sich vorliegend daher allein aus dem Wert der im Rahmen des Arrestes gepfändeten Konten und Gegenstände, wie ihn die Generalstaatsanwaltschaft im Entschädigungsbescheid zugrunde gelegt hat. Auf dieser Grundlage ist eine angemessene Entschädigung durch die Generalstaatsanwaltschaft in Stadt1 jedoch bereits erfolgt.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war zuzulassen. Der Senat weicht bei der Frage der Festsetzung des Gegenstandswerts für eine Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG von der Rechtsprechung des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 - 3 Ws 560/07), des OLG München (Beschl. v. 16.8.2010 - 4 Ws 114/10 (K)) und des OLG Stuttgart (Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13) ab (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.10.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Vollziehung eines dinglichen Arrests.
Der Kläger war Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Durch Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 8. April 2010 (Az10, später Az11, Anlage K 1) wurde der dingliche Arrest in Höhe von 10.835.791,- EUR in das Vermögen des Klägers angeordnet. Der Arrest wurde vom 28.4.2010 bis zum 11.8.2010 durch Kontenpfändung und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen vollzogen.
Gegen den Arrestbeschluss hat der Verteidiger des Klägers unter dem 29.4.2010 Beschwerde eingelegt (Anlage B1). Das Amtsgericht Stadt1 hat den Arrestbeschluss mit Beschluss vom 16.8.2010 aufgehoben (Anlage B 2).
Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.3.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Anlage K 2).
Mit Beschluss vom 10.6.2014 hat das Amtsgericht Stadt1 festgestellt, dass der Kläger "für den vollzogenen dinglichen Arrest des Amtsgerichts Stadt1 vom 8. April 2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist" (Anlage K 3).
Einen Antrag des Klägers auf Festsetzung des Gegenstandswerts hat das Amtsgericht Stadt1 mit Beschluss vom 12.3.2015 (Anlage K 8) zurückgewiesen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 hat dem Kläger durch Bescheid vom 16.2.2015 Ersatz von Rechtsanwaltskosten aus einer Tätigkeit bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 13 RVG, VV 4142) in Höhe von 714,00 EUR gewährt unter Ablehnung des Entschädigungsantrages im Übrigen (Anlage K 7).
Der Kläger begehrt weitergehenden Ersatz von Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert des Arrestverfahrens in Höhe von 3.621.930,00 EUR. Danach ergebe sich ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 15.092,77 EUR, auf die die Beklagte bereits 566,44 EUR gezahlt hat.
Er begehrt des Weiteren die Zahlung von Rechtsanwaltskosten im Strafrechtsentschädigungsverfahren aus einem Gegenstandswert von 15.092,77 EUR in Höhe von insgesamt 1.029,35 EUR, worauf die Beklagte 147,56 EUR gezahlt hat. Er macht im Wesentlichen geltend, dass für die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers aufgrund des Arrestes eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG angefallen sei, die er aus dem Wert der Arrestforderung berechnet. Aus dem Wert dieser Honorarforderung ergebe sich ein Anspruch auf Abrechnung einer entsprechenden Gebühr im StrEG-Verfahren.
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass es an einer ordnungsgemäßen Rechnungstellung des Verteidigers des Klägers an den Kläger fehle, die Voraussetzung für eine fällige Gebührenforderung wäre. Der Kläger differenziere nicht hinreichend zwischen der Hauptsache im Arrestverfahren und der Vollziehung des Arrests, die grundsätzlich auch gebührenrechtlich zwei Angelegenheiten sind. Die Grundentscheidung habe sich vom 10.6.2014 habe sich lediglich auf die Vollziehung des Arrestes bezogen.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 16.10.2015 abgewiesen. Ausweislich der Grundentscheidung des Amtsgerichts Stadt1 vom 10.6.2014 stehe dem Kläger ein Anspruch allein auf Entschädigung wegen der Vollziehung des Arrestes vom 8.4.2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu. Der Arrest sei aber durch diverse Pfändungen lediglich in Höhe von 7.024,68 EUR vollzogen worden. Auf die Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine zusätzliche Gebühr gem. Ziffer 4142 VV RVG zustehe und ob sich deren Gegenstandswert im Regelfall mit einem Drittel des zu sichernden Anspruchs bemesse, komme es vorliegend nicht an.
Mit der Berufung macht der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass die Entscheidung des Landgerichts eine Überraschungsentscheidung sei. Es sei gar nicht erörtert worden sei, dass es an einer weitergehenden Grundentscheidung gemäß § 9 StrEG fehle. Das Gericht habe auch die Maßnahme selbst mit dem Erfolg der Maßnahme verwechselt. Für den Begriff der Vollziehung eines Arrestes komme es darauf an, dass der Gläubiger von dem Titel Gebrauch macht und damit zum Ausdruck bringt, dass er eine Nichtbeachtung nicht hinnehmen wird. Auf den Erfolg der Zwangsvollstreckung komme es überhaupt nicht an. In dem Verfahren nach StrEG sei allein die Höhe eines Vermögensschadens zu prüfen, nicht aber, wie eng oder wie weit eine dem zu Grunde liegende Grundentscheidung sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.10.2015 (2-04 O 131/15) wird abgeändert und das beklagte Land wird verurteilt:
1.
Rechtsanwaltskosten an den Berufungskläger für die Vollziehung des Arrestes zu dem Az. des Amtsgerichts Stadt1 Az10 (Az12) in Höhe von 14.526,33 EUR zu bezahlen;
2.
Rechtsanwaltskosten im StrEG-Verfahren zu dem Az. der Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 Az13 in Höhe von 1.024,11 EUR zu bezahlen;
hilfsweise,
den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die Vollziehung des Arrestes zu dem Az. des Amtsgerichts Stadt1 Az10 (Az12) in Höhe von 14.526,33 EUR freizuhalten;
sowie
den Kläger von Rechtsanwaltskosten in dem StrEG-Verfahren zu dem Az. der Generalstaatsanwaltschaft Stadt1 Az13 in Höhe von 1.024,11 EUR frei zu halten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt heraus ein weitergehender Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Vermögensschadens zusteht. Der durch den Kläger allein geltend gemachte weitere Ersatz an Rechtsanwaltskosten aus einer Gebühr nach VV 4142 RVG ist nicht ersatzfähig.
1. Soweit der Kläger eine unzulässige Überraschungsentscheidung durch das Landgericht geltend macht (§ 139 Abs. 2 ZPO), weil dieses in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert habe, dass es die Grundentscheidung nach § 9 StrEG für nicht hinreichend erachte, hat er bereits nicht dargelegt, welchen Vortrag er bei einem rechtzeitigen Hinweis in erster Instanz geltend gemacht hätte.
Unabhängig davon bestand eine gesonderte Hinweispflicht nicht, weil der Beklagte bereits in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hatte, dass die Grundentscheidung sich allein auf einen Schaden wegen der Vollziehung des Arrestes, nicht aber auf einen Schaden wegen der Hauptsache erstrecke.
2. Dem Kläger steht ein weitergehender Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten nicht zu.
a) Gemäß § 7 Abs. 1 StrEG ist Gegenstand der Entschädigung der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Hierzu gehören auch im Zusammenhang mit der vollzogenen Strafvollstreckungsmaßnahme veranlasste Rechtsanwaltskosten, soweit diese nicht anderweitig ersetzt werden.
Ein anderweitiger Ersatz von Verteidigerkosten des Klägers ist nach der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO ist mangels Kostenentscheidung nicht gegeben.
b) Einem Anspruch des Klägers steht auch nicht schon entgegen, dass eine unterzeichnete Kostennote des Verteidigers des Klägers gemäß § 10 Abs. 1 RVG nicht vorgelegt ist.
Diese Bestimmung betrifft lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs. 1 RVG mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar ist. Hiervon zu unterscheiden ist der im Streitfall geltend gemachte materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch. Der Beklagte kann hier nicht einwenden, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei, weil ihm keine Berechnung vorgelegt worden sei, die den Anforderungen der §§ 10 RVG oder 14 UStG entspreche. Dies betrifft lediglich das Innenverhältnis zum Mandanten(BGH, Urt. v. 22.3.2011 - VI ZR 63/10, RN 18).
c) Die Grundentscheidung des Amtsgerichts Stadt1 vom 10.6.2014 gemäß § 9 StrEG ist auch hinreichende Grundlage für den begehrten Ersatz von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Abwehr des Arrestes.
Der Ersatzanspruch des Klägers ist nicht allein auf die Geltendmachung der Kosten aus einer Vollstreckung bzw. Vollziehung des Arrestes, etwa durch Ansatz einer Gebühr nach VV 3309 RVG beschränkt.
Gegenstand der Entschädigung gemäß § 7 Abs. 1StrEG ist der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden. Maßgeblich ist danach, für welche konkrete Strafverfolgungsmaßnahme eine Grundentscheidung gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1StrEG vorliegt. Dem Gericht kommt im Betragsverfahren eine Prüfungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs und der Reichweite der Grundentscheidung zu, da anderweitig ein angemessener Betrag nicht festgestellt werden könnte (BGH, Urt. v. 8.6.1989 - III ZR 82/88; BGH, Urt. v. 21.1.1988 - III ZR 157/86).
Die vorliegende Grundentscheidung vom 10.6.2014 nimmt Bezug auf den vollzogenen dinglichen Arrest, beschränkt den Ersatz für erlittene Strafvollstreckungsmaßnahmen aber damit nicht auf die Kosten, die dem Kläger allein aus dem Vollzug des Arrestes entstanden sind.
Die Vollziehung ist dabei die Vollstreckung aus einer Entscheidung des anteiligen Rechtsschutzes (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, VV 3309 Rn. 9).
Eine ausdrückliche Beschränkung der Entschädigung allein auf den durch den Vollzug des Arrestes ausgelösten Folgen lässt sich dem Beschluss vom 10.6.2014 nicht entnehmen; dessen Tenor nennt nicht den Vollzug des Arrestes, sondern den vollzogenen Arrest. Den Gründen der Entscheidung lässt sich nichts anderes entnehmen. Die Parteien haben hierzu auch keine weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die bei einer Auslegung der Entscheidung ergänzend zu berücksichtigen wären. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchem Gesichtspunkt heraus sich der Verteidiger des Klägers mit der umfassend eingelegten Beschwerde vom 29.4.2014, die auch die Grundlagen des Arrestes betraf, allein gegen die Vollziehung des Arrestes gewandt haben sollte.
Die Tenorierung des Beschlusses orientiert sich damit ersichtlich an der Maßgabe des § 2 Abs. 1 StrEG, wonach eine Geldentschädigung (allein) für eine vollzogene Strafverfolgungsmaßnahme zu gewähren ist. Die Angabe des Vollzugszeitraums hat ihre Grundlage in § 8 Abs. 2 StrEG. Danach liegt jedoch eine Grundentscheidung vor, nach der ein Vermögensschaden, der aus dem vollzogenen Arrest entstanden ist, insgesamt zu ersetzen ist.
d) Der Kläger kann aber keinen weitergehenden als den bereits ersetzten Schaden geltend machen, weil die von seinem Verteidiger entfaltete Tätigkeit bereits abgegolten ist.
aa) Dem Erstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urt. v. 7.11.2007 - VIII ZR 341/06; 18.1.2005 - VI ZR 73/04).
Beauftragt der Entschädigungsberechtigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Entschädigungsansprüche gemäß § 10 StrEG, so sind die dafür anfallenden Gebühren gleichfalls als Teil des Vermögensschadens erstattungsfähig. Der Gegenstandswert des zu erstattenden Anwaltshonorars richtet sich nach der Höhe des Entschädigungsbetrags, wobei der von Gesetzes wegen zu erstattende und nicht (nur) der von der Landesjustizverwaltung zuerkannte Betrag maßgeblich ist (BGH, Urt. v. 16.7.2009 - III ZR 298/08, NJW 2009, 2682; vgl. Cornelius/BeckOK, StrEG, 27. Ed (1.1.2017), § 7 Rn. 6).
bb) Die Gebühr aus VV 4142 RVG ist auch angefallen.
Voraussetzung für das Entstehen der Geschäftsgebühr ist jegliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in Bezug auf die Einziehung; das kann auch das Fertigen von Schriftsätzen und Beschwerden sein (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., 4142 VV, Rn. 10). Eine Tätigkeit des Verteidigers des Klägers in dem durch die Grundentscheidung ausdrücklich benannten Zeitraum ist durch die eingelegte Beschwerde, die sich inhaltlich auch nicht etwa auf die bloße Vollziehung des Arrestes beschränkt, dokumentiert.
cc) Einer Ersatzfähigkeit der Rechtsanwaltskosten steht vorliegend auch nicht entgegen, dass der Arrest auch auf § 111b Abs. 5 StPO gestützt war.
Allerdings ist streitig, ob die Gebühr nach VV 4142 RVG überhaupt anfallen kann, wenn ein Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes angeordnet ist, sondern wenn er auch gemäß § 111b Abs. 5 StPO zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen angeordnet ist (Burhoff in: Gerold/Schmidt., a.a.O., 4142 VV, Rn 8). Eine Gebühr nach Nr. VV 4142 RVG soll dann nicht ausgelöst werden, wenn ein Arrest allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO) angeordnet ist, da dieser nicht zu den "vorgenannten Maßnahmen" im Tatbestand der Nr. VV 4142 RVG gehöre (OLG Köln, Beschl. v. 22.11.2006 - 2 Ws 614/06). Das OLG Hamm hat den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG verneint, wenn die Sicherstellung von Eigentum nicht zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögensverlust führt, sondern erst durch zivilrechtliche Verfahren eine Klärung herbeizuführen ist, in denen dann wiederum anwaltliche Gebühren entstehen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2009 - 2 Ws 378/08).
Nach anderer Auffassung, der sich der Senat anschließt, soll sich der auch zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines nach § 111b Abs. 2 StPO ausgebrachten dinglichen Arrestes unterscheiden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 - 3 Ws 323/07). Dafür spricht auch, dass gemäß § 111i StPO beschlagnahmte Gegenstände nach Ablauf von 3 Jahren mit Verfallswirkung dem Staat anheimfallen, was aus Sicht des durch die Beschlagnahme Betroffenen die gleiche Wirkung wie die Einziehung des Wertersatzes hat.
Jedenfalls in den Fällen, in denen - wie vorliegend - der Arrest nicht nur der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen sondern auch der Sicherung staatlicher Ansprüche aus Wertersatz dient, ist danach der Anfall einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht ausgeschlossen.
dd) Die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers ist aber durch die Vergütung aus einem Gegenstandswert, der sich nach den gepfändeten Werten bestimmt, bereits abgegolten.
Die Gebühr aus Nr. VV 4142 RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Letztere sind in §§ 442 Abs. 1 StPO mit Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung oder Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands benannt.
Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (Burhoff in: Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 9).
Sinn und Zweck des VV 4142 RVG ist es danach, eine Anwaltsvergütung auch für die Tätigkeiten zu erhalten, die sich auf die Bewahrung des Eigentums des Mandanten richten (vgl. Kotz/BeckOK-RVG, 35. Ed. (15.7.2015), VV 4142 RVG Rn. 1). Dementsprechend bestimmt sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung und Auffassung nach dem objektiven Wert der betroffenen Gegenstände (OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2006 - 2 Ws 137/06; KG, Urt. v. 18.7.2005 - 5 Ws 256/05, JurBüro 2005, 531; OLG Hamm, Beschl. v. 10.1.2008 - 3 Ws 323/07, wistra 2008, 160; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014 - 360; Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn. 19; Hartung/Strauß/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, VV 4142 Rn. 16; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG 10. Aufl. 2015, Rn. 11; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 4141-4147 VV, Rn 18).
Von der Rechtsprechung und der Literatur wird allerdings teilweise auch für die Vergütung aus Nr. VV 4142 RVG der Gegenstandswert des Arrestes mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 - 3 Ws 560/07, OLG München, Beschl. v. 16.8.2010 - 4 Ws 114/10 (K); OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13; Riedel/Sußbauer /Kremer, a.a.O., Rn. 15). Die Wertfestsetzung beruht dabei jeweils ohne eingehendere Begründung auf einer Übertragung der Grundsätze, die im Zivilrecht für die Wertfestsetzung im Arrestverfahren entwickelt worden.
Das erscheint nicht zutreffend. Die Streitwertfestsetzung im zivilrechtlichen Arrestverfahren beruht darauf, dass sich eine Partei einer Geldforderung berühmt und deren Zwangsvollstreckung sichern möchte (§ 916 Abs. 1 ZPO). Danach ist die obere Grenze bei der Sicherung einer Geldforderung deren Betrag, wobei wegen der Vorläufigkeit der Regelung regelmäßig ein Abschlag auf ein Drittel dieses Betrages gemacht wird (vgl. nur Herget/Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 "Arrestverfahren").
Ein Arrestanspruch ist jedoch nicht Voraussetzung für den Erlass eines Arrestes gem. § 111b Abs. 1 StPO wegen des Verfalls oder der Einziehung von Wertersatz. Hierfür müssen allein Gründe für die Annahme vorliegen, dass Maßnahmen nach den §§ 73a, 74c StGB verhängt werden (Spillecke, Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 111d Rn. 4). Auf § 916 Abs. 1 ZPO ist in § 111d Abs. 2 StPO auch nicht verwiesen.
Soweit die antragstellende Staatsanwaltschaft Ansprüche durch Bezifferung konkretisiert, handelt es sich hierbei um eine notwendig vorläufige Annahme, die von dem jeweiligen Stand der Ermittlungen und Erkenntnisse abhängt.
Die Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung, Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes von Sachen des Mandanten beziehen. Ausgangspunkt der Tätigkeit des Verteidigers ist daher allein die Sicherung von dessen Vermögensgegenständen. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergibt sich danach nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig wird.
Lediglich in dem Fall, dass die einer möglichen Beschlagnahme zur Einziehung unterliegenden Gegenstände wertmäßig höher wären als die in der Arrestanordnung zu Grunde gelegten Wertverfallansprüche, wäre der Wert der Tätigkeit des Verteidigers durch diese Ansprüche begrenzt, da eine darüber hinausgehende Beschlagnahme und Verwertung des Eigentums des Mandanten nicht droht.
Dem steht nicht entgegen, dass der BGH mit Beschluss vom 24.2.2015 (1 StR 245/09) den Gegenstandswert für eine Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG nach der Höhe der durch die Staatsanwaltschaft verfolgten Verfallsanordnung bemessen hat. Denn dies betraf die Erstattung der Kosten des Verteidigers im Revisionsverfahren, das allein die unterlassene Anordnung der Verfallsanordnung durch das Landgericht zum Gegenstand hatte.
Der Gegenstandswert der Tätigkeit des Verteidigers des Klägers nach Nr. 4142 RVG ergibt sich vorliegend daher allein aus dem Wert der im Rahmen des Arrestes gepfändeten Konten und Gegenstände, wie ihn die Generalstaatsanwaltschaft im Entschädigungsbescheid zugrunde gelegt hat. Auf dieser Grundlage ist eine angemessene Entschädigung durch die Generalstaatsanwaltschaft in Stadt1 jedoch bereits erfolgt.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war zuzulassen. Der Senat weicht bei der Frage der Festsetzung des Gegenstandswerts für eine Gebühr aus Nr. 4142 VV RVG von der Rechtsprechung des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2008 - 3 Ws 560/07), des OLG München (Beschl. v. 16.8.2010 - 4 Ws 114/10 (K)) und des OLG Stuttgart (Beschl. v. 22.4.2014 - 1 Ws 212/13) ab (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
RechtsgebietVerfahrensgebührVorschriften§ 111b StPO