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  • 21.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196614

    Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 28.06.2017 – 1 BvR 2324/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Bundesverfassungsgericht

    Beschl. v. 28.06.2017

    Az.: 1 BvR 2324/16

    In dem Verfahren
    über
    die Verfassungsbeschwerde
    der Frau L...,
    - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte B... und H... -
    gegen a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21. Juni 2016 - B 12 KR 18/16 C -,
    b) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 11. April 2016 - B 12 KR 1/16 B -,
    c) das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 2015 - L 4 KR 4286/14 -,
    d) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. September 2014 - S 4 KR 1987/14 -,
    e) den Widerspruchsbescheid der AOK Baden-Württemberg vom 23. Juni 2014 - KV 67/2014 -,
    f) den Beitragsbescheid der AOK Baden-Württemberg vom 24. Januar 2014 - S 221544289 -

    hier: Erinnerung und Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten

    hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
    den Vizepräsidenten Kirchhof,
    den Richter Schluckebier
    und die Richterin Ott
    am 28. Juni 2017 einstimmig beschlossen:

    Tenor:

    Die Erinnerung wird verworfen.

    Mit der endgültigen Entscheidung über die Erinnerung wird der Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gegenstandslos.

    Gründe

    I.

    1

    Mit Beschluss vom 2. Januar 2017 wurde eine Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht zur Entscheidung angenommen und dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Kostenschuldner) eine Missbrauchsgebühr von 500 € auferlegt. Unter dem 14. Februar 2017 wurde dem Kostenschuldner eine entsprechende Kostenrechnung übersandt. Gegen den Kostenansatz der Kostenrechnung hat er am 17. Februar 2017 Erinnerung eingelegt sowie die "Aussetzung der Vollziehung" beantragt. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

    II.

    2

    1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) sind Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, vom Schuldner bei Ansprüchen auf "Gerichtskosten" nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO gerichtlich nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen.

    3

    Zwar gehört die Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG zu den "Gerichtskosten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in § 2 Abs. 2 JBeitrO als möglicher Anspruchsinhaber genannt wird, für den das Bundesamt für Justiz als Vollstreckungsbehörde tätig werden soll. Die Missbrauchsgebühr entsteht als gerichtliche Gebühr mit ihrer Auferlegung durch die Entscheidung des Senats oder der Kammer. Ihrer Einordnung als gerichtliche Gebühr steht nicht entgegen, dass sie Sanktionscharakter hat (vgl. BVerfGE 50, 217 [BVerfG 06.02.1979 - 2 BvL 5/76] <230>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, [...], Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 - 2 BvR 611/12 -, [...], Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 - 2 BvR 740/15 -, [...], Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. März 2017 - 2 BvR 871/16 -, [...], Rn. 4). § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. Absatz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der Kostenfreiheit verfassungsrechtlicher Verfahren durchbrochen werden kann. Die auf dieser Grundlage verhängte Gebühr ist eine Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und mithin eine Gebühr im Rechtssinne (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, [...], Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 - 2 BvR 611/12 -, [...], Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 - 2 BvR 740/15 -, [...], Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. März 2017 - 2 BvR 871/16 -, [...], Rn. 4). Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß eine auf den Gesichtspunkt der Verjährung der Gebührenforderung gestützte Erinnerung gegen den Kostenansatz einer Missbrauchsgebühr für zulässig gehalten; die Einrede der Verjährung zähle zu den Einwendungen, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 JBeitrO in Verbindung mit § 66 GKG mit der Erinnerung geltend gemacht werden können (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, [...], Rn. 5).

    4

    Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine solche Einwendung. Der Kostenschuldner wendet sich gegen die Verhängung der Missbrauchsgebühr als solche. Diese ist - wie der Beschluss vom 2. Januar 2017 insgesamt - unanfechtbar.

    5

    2. Der Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" ist im Wege der Auslegung als Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 Variante 1 JBeitrO zu behandeln, der entsprechend der Regelung in § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig ist. Eine vorläufige Einstellung der Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO kann danach nur angeordnet werden, soweit und solange noch eine Entscheidung über eine Erinnerung begehrt wird und aussteht.

    6

    Der Antrag des Kostenschuldners hat sich mit der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz der Kostenrechnung erledigt und ist unzulässig geworden. Er kann sich nicht mehr auf eine noch zu entscheidende Erinnerung gegen die Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO stützen.

    7

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

    RechtsgebietMissbrauchsgebührVorschriften§ 34 BVerfGG