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  • 04.11.2020 · IWW-Abrufnummer 218743

    Landgericht Leipzig: Beschluss vom 19.06.2020 – 2 Qs 8/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Leipzig

    2 Qs 8/20 Jug

    Beschluss

    In dem Strafverfahren

    xxx

    wegen Körperverletzung

    ergeht am 19.06.2020 durch das Landgericht Leipzig - Richter am Landgericht als Einzelrichter und Mitglied der 2. Strafkammer als Beschwerdekammer - nachfolgende Entscheidung:

    1. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts pp. wird der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 02.04.2020 aufgehoben.
    2. Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 01.06.2018 wird dahingehend abgeändert, dass als noch zu erstattende notwendigen Auslagen weitere 256,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt werden.
    3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe:

    Pp. wurde wurde mit Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 29.08.2017, Az.: 272 Ds 440 Js 52973/16, wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

    Gegen dieses Urteil legte Rechtsanwalt pp., der dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet war, mit Schriftsatz vom 20.08.2017 fristgerecht ein unbezeichnetes Rechtsmittel ein, das im weiteren nicht weiter konkretisiert wurde und das, da nach dem Inhalt der gesetzlichen Frist keine Revisionsbegründung eingegangen ist, als Berufung zu behandeln ist.

    Die Akten gingen am 13.12.2012 beim Landgericht Leipzig als dem zuständigen Berufungsgericht ein. In Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat der Vorsitzende der 2. Strafkammer am 18.12.2017 verfügt, die bereits beim Amtsgericht Leipzig gehörten Zeugen in ForumStar aufzunehmen.

    Am 16.02.2018 verstarb der Angeklagte pp. Rechtsanwalt pp. teilte dies dem Gericht unter Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde mit Schreiben vom 16.02.2018 mit und beantragte zugleich die Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a Abs. 1 StPO.

    Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 17.02.2018 hat Rechtsanwalt pp. die Festsetzung seiner Kosten in Höhe von insgesamt 3.301,13 EUR beantragt. Die darin enthaltene Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG für eine anwaltliche Mitwirkung an der Entbehrlichkeit der Berufungshauptverhandlung in Höhe von 256,00 EUR hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Leipzig mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 01.06.2018 nicht berücksichtigt und lediglich zu erstattende Kosten in Höhe von 2.996,49 EUR festgesetzt.

    Rechtsanwalt pp. hat mit Schreiben vom 22.06.2018 gegen den ihm am 20.06.2018 zugestellten Beschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt und weiterhin die Festsetzung der Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 256,00 EUR begehrt. Nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin half die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Leipzig der als Erinnerung zu behandelnden sofortigen Beschwerde aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht ab und legte die Sache der Richterin am Amtsgericht zur Entscheidung über die Erinnerung vor. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.04.2020 hat die zuständige Richterin des Amtsgerichts Leipzig der Erinnerung des Rechtsanwaltes pp. gegen den Verfügungsfestsetzungsbeschluss vom 01 ,06.2018 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, dass das Verfahren nicht aufgrund anwaltlicher Mitwirkung, sondern nur deshalb endgültig eingestellt worden sei, weil der Angeklagte verstorben sei. Der Tod des Angeklagten habe das weitere Verfahren verhindert und dessen Einstellung bewirkt, ohne dass es hierfür eines Antrags des Pflichtverteidigers erforderlich gewesen wäre.

    Gegen diesen Beschluss wendet sich Rechtsanwalt pp. mit seiner sofortigen Beschwerde vom 05.05.2020 mit der er an seinem ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang festhält.

    Das Amtsgericht Leipzig hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Leipzig zur Entscheidung vorgelegt.

    Il.

    Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist gemäß § 300 StPO als Beschwerde auszulegen. Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig.

    Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG entscheidet hierüber das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

    Die Beschwerde wurde rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist eingelegt. Der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig wurde Rechtsanwalt pp. am 29.04.2020 zugestellt. Dieser hat sein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 05.05.2020, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, eingelegt.

    Der Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 256,00 EUR übersteigt den Betrag von 200,00 EUR, § 56 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG.

    Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, sie ist begründet.

    Rechtsanwalt pp. hat vorliegend auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG verdient, indem er das Gericht unverzüglich vom Tod seines Mandanten in Kenntnis gesetzt hat.

    Für die Beurteilung, inwieweit eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu erstatten ist, kommt es allein darauf an, ob ein Beitrag eines Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VV RVG entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich sein muss. An das Maß der Mitwirkung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (BGH Urteil vom 18.09.2008, Az. IX ZR 174/07). Weitergehende Anforderungen an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2010 - 2 Ws 29/10). Aus dem Normzweck folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Hauptverhandlung generell vermieden wird, sondern dass ohne das verfahrensbeendende Ereignis eine Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen (Beck OK RVG/Knaudt, 47.Ed 01.03.2020, RVG VV4141 Rn. 9).

    Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundenen Verfahrenshindernis ist durchaus eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu verdienen. Verstirbt der Angeklagte und teilt der Verteidiger dies dem Gericht mit und wird das Verfahren nach § 206a StPO endgültig eingestellt, so ist diese Handlung ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird, soweit das Gericht nicht anderweitig von dem Tod des Angeklagten bereits erfahren hat (AG Magdeburg, Beschluss vom 03.07.2000 - Az. 2 Ls 257 Js 38867/98; juris Literaturnachweis z.B. Burhoff, RVG Report 2014, 71 ‒ 12.

    Vorliegend hat Rechtsanwalt pp. die Anforderungen an die Mitwirkungshandlung erfüllt, indem er dem Gericht mitgeteilt hat, dass der Angeklagte am 16.02.2018 verstorben sei und beantragt, das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Im Gegensatz zu den durch das Amtsgericht Leipzig zitierten Entscheidung handelt es sich vorliegend nicht um ein Revisionsverfahren sondern um ein Berufungsverfahren, bei welchem regelmäßig eine Hauptverhandlung durchzuführen ist. Des weiteren lagen im vorliegenden Fall die Akten bereits dem Berufungsgericht seit 13.12.2017 vor. Der Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer hatte in Vorbereitung der Berufungsverhandlung mit Verfügung vom 18.12.2017 die Erfassung der notwendigen Zeugen in ForumStar verfügt. Infolge der Mitteilung des Rechtsanwaltes pp. vom 16.022018 entfielen für das Berufungsgericht die weitere Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Hauptverhandlung. Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht von Amts wegen oder anderweitig in Kürze vom Ableben des Angeklagten erfahren hätte.

    In seiner Entscheidung verkennt das Amtsgericht, dass es nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur gerade nicht darauf ankommt, dass die Mitwirkung des Verteidigers zeitintensiv und aufwendig war. Durch die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG soll vielmehr honoriert werden, dass das Gericht durch die Mitwirkungshandlung des Verteidigers, durch die dieser die zusätzliche Terminsgebühr verliert, hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Berufungshauptverhandlung entlastet wird. Die zusätzliche Gebühr des Nr. 4141 VV RVG soll dies ausgleichen und einen Anreiz schaffen, sich trotz der Gebühreneinbuße um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Der Tod des Angeklagten führt zwar früher oder später automatisch zur Einstellung des Verfahrens, ohne eine frühzeitige Mitteilung des Todes des Angeklagten hätte das Gericht weitere vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung vorgenommen.

    Für die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist es nicht erforderlich, dass bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war (LG Potsdam, Beschluss vom 13.062013 - 24 Qs 43/13 -juris). Diese Voraussetzung trifft nur auf Verfahren zu, bei denen eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, weil sie im Revisionsverfahren regelmäßig eine Entscheidung allein durch Beschluss ergehen kann. Demgegenüber ist im Berufungsverfahren zwingend die Durchführung einer Hauptverhandlung erforderlich.

    Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Bezirksrevisorin vom 29.05.2018 und 27.06.2018 und die Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13.06.2013, Az. 24 Qs 43/13, lassen sich auf das vorliegende Berufungsverfahren nicht übertragen. Im Beschluss des Landgerichts Potsdam ging es um die Entstehung einer Hauptverhandlungsgebühr in einem Revisionsverfahren. Bei einem Revisionsverfahren ist die Durchführung einer Hauptverhandlung eher die Ausnahme, vorwiegend werden Revisionsverfahren durch Beschluss entschieden., mit der Folge dass eine Hauptverhandlung regelmäßig gar nicht erst entfallen kann.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG. Die Entscheidung durch ein Mitglied der Beschwerdekammer als Einzelrichter beruht auf § 33 Abs. 8 S. 1 RVG.

    Mangels grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage wird die weitere Beschwerde nicht zugelassen § 56 Abs. 2 S. 1 2. Altern. RVG i. V. m. § 33 Abs. 6 S. 1 RVG.

    RechtsgebietStrafprozessrechtVorschriftenNr. 4141 VV RVG; § 206a Abs. 1 StPO