11.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221080
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 04.09.2020 – 25 W 148/20
Die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 VV RVG entsteht auch, wenn die Prozessgegner – vermittelt durch das zuständige Gericht – telefonische Gespräche führen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Auch hierbei handelt es sich um außergerichtliche Besprechungen i.S.d. Vorbem. 3 III VV RVG.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e
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I.
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Die Parteien streiten um die Entstehung und Erstattung einer Terminsgebühr im Rahmen der Kostenfestsetzung.
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Die Klägerin ‒ mit Sitz in Q am Chiemsee und vertreten durch einen Rechtsanwalt aus S ‒ nahm den Beklagten ‒ wohnhaft in L ‒ vor dem Landgericht Bochum im Wege der negativen Feststellungsklage bzgl. eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
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Das Landgericht wies die Klage auf Kosten der Klägerin ab. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin wies der zuständige Senat die Parteien in seiner Terminsladung vom 06.08.2019 zum 26.11.2019 darauf hin, dass die zulässige Klage wohl begründet sein dürfte, denn „eine nicht bindende Verzichts- oder Beschränkungserklärung des Abmahners bewirkt nicht den Wegfall des Feststellungsinteresses“; auch der Zahlungsanspruch dürfe bestehen, weil die von der Klägerin ausgesprochene „Gegenabmahnung“ berechtigt gewesen sei. In einer Stellungnahme dazu vom 19.11.2019 verteidigte der Beklagte seine Rechtsauffassung und erklärte u.a., „Darüber hinaus hat der Beklagte bereits mehrfach den Verzicht erklärt, aus der Abmahnung (…) Rechte herzuleiten. (…) Dies stellt nichts anderes als einen Verzicht dar, welcher hier nochmals ausdrücklich bekräftigt wird. Zudem hat der Beklagte auch im Schreiben vom 14.11.2018 verdeutlicht, dass er an dem Unterlassungsanspruch (…) nicht festhält und insoweit auf die weitere Verfolgung verzichtet“. Der Zahlungsanspruch bestehe entgegen der Auffassung des Senats nicht. Die Klägerin erwiderte hierauf u.a., dass „eine ausreichende Verzichtserklärung (…) gerade nicht“ vorliege bzw. vorgelegen habe und die gegnerischen Ausführungen zum Zahlungsanspruch fehl gingen.
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Mit Schreiben vom 25.11.2019 teilte der Beklagte „nochmals“ mit, auf den erhobenen Unterlassungs- und Erstattungsanspruch zu verzichten, aus der Abmahnung keine Rechte mehr herzuleiten und die geforderte Rechtsanwaltskosten am 25.11.2019 gezahlt zu haben; gleichzeitig erklärte er die Kostenübernahme für den Fall der Erledigterklärung durch die Klägerin. Am gleichen Tag erklärte der Klägervertreter „bezugnehmend auf das Telefonat mit der Berichterstatterin und dem nunmehr vorliegenden Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten“ den Rechtsstreit für erledigt. Der Senat entschied daraufhin, dass der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe.
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Der Klägervertreter hat im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen mit insgesamt 4.717,08 € angemeldet. Dabei hat er für das Berufungsverfahren u.a. eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG in Höhe von 1.035,60 € angemeldet (vgl. Bl. 264/265 d.A.). Diese sei angefallen, weil im Vorfeld zur Erledigungserklärung mehrfache Korrespondenz mit dem Beklagtenvertreter und Telefonate mit dem Gericht stattgefunden hätten.
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Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, eine Terminsgebühr in zweiter Instanz sei nicht entstanden, weil es keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung zwischen den Parteien gegeben habe; fernmündliche Rücksprachen mit dem Gericht genügten hier nicht.
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Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.05.2020 hat die Rechtspflegerin angeordnet, dass der Beklagte der Klägerin für beide Instanzen insgesamt 6.747,08 € ‒ einschließlich 2.030,00 € Gerichtskosten ‒ nebst Zinsen an Kosten zu erstatten habe; dabei hat sie sämtliche klägerseits angemeldeten außergerichtlichen Kosten berücksichtigt. Für die Entstehung der Terminsgebühr genüge ein richterliches Telefonat mit einem Verfahrensbevollmächtigten.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit welcher er die Festsetzung der Terminsgebühr im Berufungsverfahren beanstandet. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien hätten im vorliegenden Verfahren nicht miteinander gesprochen, sodass die Voraussetzungen der Vorem. 3 III 3 RVG nicht erfüllt seien. Ein richterliches Telefonat mit nur einer Partei löse danach keine Terminsgebühr aus.
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Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Der Senat hat die Parteien am 21.07.2020 darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde Aussicht auf Erfolg haben dürfte, weil bis dato nicht bekannt, konkret vorgetragen oder glaubhaft gemacht sei, inwiefern es Besprechungen i.S.d. Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 VV RVG zwischen den Prozessbevollmächtigten gegeben hätte oder es überhaupt auch ein Gespräch zwischen dem Beklagtenvertreter und dem Gericht gegeben hat und inwiefern dieses ggf. auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet gewesen wäre, inwiefern also ggf. das Gericht hier „vermittelnd“ tätig geworden sein könnte, was möglicherweise eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 VV RVG hätte entstehen lassen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Hinweises wird auf Bl. 351 f d.A. verwiesen.
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Die Klägerin hat daraufhin ergänzend darauf verwiesen, dass die zuständige Berichterstatterin des Senats nach Eingang der Stellungnahmen der Parteien vom 19.11.2019 und 21.11.2019 mit beiden Prozessbevollmächtigten telefoniert habe mit dem Ziel, eine Lösung zu finden, um den begründeten Ansprüchen der Klägerseite gerecht zu werden und gleichzeitig die mündliche Verhandlung entbehrlich zu machen. Vor diesem Hintergrund sei unter Mitwirkung und auch Vermittlung der Berichterstatterin zwischen den Parteien vereinbart worden, dass der Beklagte erklärte, auf die ursprünglich erhobenen Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche zu verzichten, hieraus keine Rechte mehr herzuleiten, und die streitgegenständlichen Kostenansprüche bezahlte. Beides sei anschließend geschehen und dementsprechend mit Kostenübernahmeerklärung für den Fall der Erledigung am 25.11.2019 vom Beklagten dem Senat mitgeteilt worden. Wie vereinbart sei daraufhin nach übereinstimmender Erledigungserklärung durch beide Parteien der Verhandlungstermin vom 26.11.2019 aufgehoben worden. Diese Vorgehensweise habe auf den Telefonaten zwischen allen Verfahrensbeteiligten beruht, sodass die Terminsgebühr zweifelsohne angefallen sei.
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Der Beklagte hat auf den Senatshinweis bestätigt, dass auch er von der zuständigen Berichterstatterin angerufen worden sei. Das betreffende Gespräch sei jedoch nicht auf eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens gerichtet gewesen; vielmehr habe er auch in diesem Gespräch ‒ wie zuvor bereits schriftsätzlich ‒ darauf hingewiesen, dass er bereits erstinstanzlich und mehrfach ausdrücklich erklärt habe, aus der streitgegenständlichen Abmahnung keine Rechte mehr herzuleiten. Die Klägerin hätte das Verfahren daher bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt für erledigt erklären können; insofern führe die Tatsache, dass sie dies nicht getan habe, nicht dazu, dass der Beklagte nun eine Terminsgebühr zu tragen habe.
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II.
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Die nach §§ 104 III 1, 567 I Nr. 1, 567 II, 569 I ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.
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Nachdem der Beklagte inzwischen bestätigt hat, dass auch sein Prozessbevollmächtigter noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.11.2019 mit der zuständigen Berichterstatterin des Berufungssenats telefoniert, daraufhin die geforderten Rechtsanwaltskosten bezahlt und den Schriftsatz vom 25.11.2019 bei Gericht eingereicht hat, ist die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldete Terminsgebühr entstanden und erstattungsfähig. Die angefochtene Entscheidung ist damit im Ergebnis richtig.
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1.
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Nach Auffassung des Senats entsteht die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 VV RVG auch, wenn die Prozessgegner ‒ vermittelt durch das zuständige Gericht ‒ telefonische Gespräche führen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Auch hierbei handelt es sich um außergerichtliche Besprechungen i.S.d. Vorbem. 3 III VV RVG (so auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl. 2019, Vorb. 3 VV RVG Rn 193p/q; BeckOK-v. Seltmann, RVG, Edition: 48, Stand: 01.03.2020, Vorbem 3 VV RVG Rn 8; Mayer/Kroiß-Mayer, RVG, 7. Aufl. 2018, Vorbem. 3 VV RVG Rn 58; Bayerisches LSG AGS 2020, 276 juris-Rn 42).
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Nach dem Wortlaut der betreffenden Vorschrift ist zwischen einerseits „gerichtlichen Terminen“ und andererseits „außergerichtlichen Terminen und Besprechungen“ zu unterscheiden. Zu Letzteren zählt jede Art von Besprechungen der Prozessgegner außerhalb gerichtlicher Termine, d.h. außerhalb einer mündlichen Verhandlung. Ob daran das Gericht beteiligt ist oder nicht, ist aus Sicht des Senats nicht entscheidend. Zum einen ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine unmittelbare Besprechung zwischen Prozessbevollmächtigten über die Möglichkeit der Erledigung eines Verfahrens anders beurteilt werden sollte als eine solche Besprechung unter Beteiligung/Vermittlung des Gerichts. Zum anderen spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, eine ressourcenschonende Verfahrensbeendigung zu fördern und zu honorieren, für dieses Verständnis. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung, insbesondere nicht, dass der Anfall der Terminsgebühr für die Teilnahme der Prozessgegner an außergerichtlichen Besprechungen im Vergleich zur vorangegangenen Fassung eingeschränkt werden sollte (vgl. BT-Drs. 17/11471, 274/275). Unter Berücksichtigung dessen überzeugt die gegenteilige Auffassung anderer Gerichte nicht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2019, Az. 9 WF 217/19 juris-Rn 6; VG München, Beschluss vom 03.04.2019, Az. M 17 M 19.75 juris-Rn 23; FG Baden-Württemberg DStRE 2016, 703 (704)).
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2.
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Nach dem Akteninhalt sowie dem Vortrag der Beteiligten geht der Senat auch davon aus, dass die betreffenden Telefonate mit der Berichterstatterin auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet waren und nicht etwa nur der Übermittlung der Rechtsauffassung des Gerichts an die Parteien dienten. Unabhängig von der Frage, ob oder wann der Beklagte einen wirksamen Verzicht bzgl. der streitgegenständlichen Ansprüche erklärt hatte oder nicht, haben die Gespräche über die Berichterstatterin jedenfalls dazu geführt, dass er die streitgegenständliche Geldforderung am 25.11.2019 gezahlt und die Parteien anschießend insgesamt den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sodass die für den 26.11.2019 anberaumte mündliche Verhandlung nicht mehr stattfinden musste.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO und Ziff. 1812 KV GKG.
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IV.
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Im Hinblick auf die unterschiedlichen Entscheidungen in der Rechtsprechung ist die Rechtsbeschwerde gem. § 574 III 1 ZPO zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
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Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
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Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
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1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
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2. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,
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3. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
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die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
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soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
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Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.
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Die Einlegung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfes ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich, die über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach erreichbar ist. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.nrw.de.
RechtsgebietZivilprozessrechtVorschriftenVorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG