06.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221592
Amtsgericht Zeitz: Beschluss vom 03.08.2020 – 6 F 292/19 EAUK
Eine Neufestsetzung der Kosten gemäß § 107 ZPO ist nicht auf die Festsetzung des bisher nicht festgesetzten Differenzbetrages zu beschränken, der sich durch eine nachträgliche Erhöhung des Streitwertes ergibt. Vielmehr kann die obsiegende Partei eine Neufestsetzung des Gesamtbetrages der entstandenen Kosten auf der Grundlage des geänderten Streitwertes einschließlich Zinsen auf den Gesamtbetrag ab Eingang des ersten Kostenfestsetzungsantrages beanspruchen.
Amtsgericht Zeitz
Tenor:
Gründe
Durch Beschluss vom 23.04.2020 wurde die Streitwertfestsetzung vom 14.11.2019 geändert. Die Kosten wurden daraufhin durch die Antragstellerin gemäß § 107 ZPO neu berechnet und mit dem Antrag vom 25.05.2020, bei Gericht am 27.05.2020 eingegangen, zur Neufestsetzung beantragt.
Dem Antragsgegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Der Antragsgegner erhob Einwände gegen die Neufestsetzung, da am 19.03.2020 bereits ein rechtskräftiger Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Grundlage der bisherigen Streitwertfestsetzung ergangen sei. Er beantragte daher die Neufestsetzung auf den bisher nicht festgesetzten Betrag zu beschränken, der sich aus der Erhöhung des Streitwertes ergibt.
Die Antragstellerin reichte die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 19.03.2020 zur Akte und bekräftigte ihren Antrag, den Gesamtbetrag der festzusetzenden Kosten in einem Beschluss einschließlich Zinsen auf den Gesamtbetrag ab Eingang des ersten Kostenfestsetzungsantrages vom 14.02.2020 neu festzusetzen.
Der Antragsgegner bekräftigte seinen Antrag, lediglich die Differenzkosten nebst Zinsen ab Eingang des Änderungsantrages vom 25.05.2020 festzusetzen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gegenseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Antrag der Antragstellerin auf Neufestsetzung war vollumfänglich stattzugeben. In Familienstreitsachen finden die Vorschriften der ZPO gemäß § 113 FamFG entsprechend Anwendung. Gemäß § 107 ZPO ist eine Neufestsetzung der Kosten nach Streitwertänderung zulässig, unabhängig davon, ob bereits formelle Rechtskraft der Kostenfestsetzung eingetreten ist. Der Antrag auf Änderung gemäß § 107 ZPO ist binnen 1 Monats ab Zugang der Änderung der Streitwertfestsetzung zulässig. Der Streitwert wurde durch Beschluss vom 23.04.2020 von 4.758,00 € auf 5.358,00 € erhöht. Der Beschluss wurde den Parteien bisher nicht zugestellt. Eine Übersendung wurde am 29.04.2020 formlos veranlasst. Der Antrag auf Änderung der Kostenfestsetzung ging am 27.05.2020 und damit fristgerecht bei Gericht ein.
Dass nur noch eine Festsetzung über den Differenzbetrag erfolgen darf, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Antragstellerin hat die vollstreckbare Ausfertigung des am 19.03.2020 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses an das Gericht zum Zwecke der Neufestsetzung zurückgereicht. Eine Zwangsvollstreckung ist damit für sie aus diesem Festsetzungsbeschluss nicht möglich, solange sie nicht über diese vollstreckbare Ausfertigung verfügt.
Mit der Neufestsetzung wurde zugleich die bisherige Festsetzung aufgehoben. Daher kann aus der bisherigen Kostenfestsetzung auch künftig nicht mehr vollstreckt werden. Gegebenenfalls bereits laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss können gemäß § 775 Nr. 1 ZPO beseitigt werden.
Dem Antrag auf Neufestsetzung des Gesamtbetrages der Kosten aufgrund der geänderten Streitwertfestsetzung war daher stattzugeben.
Für den Beginn der beantragten Zinsen auf den gesamten Festsetzungsbetrag ist der Eingang des ursprünglichen Festsetzungsantrages maßgebend, da die Änderung des Streitwertes keine Änderung der Kostengrundentscheidung enthält (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, vgl. auch von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl., B 139).
Gemäß § 107 ZPO erfolgt lediglich eine Durchbrechung der Rechtskraft von Festsetzungsbeschlüssen im Falle einer nachträglichen Änderung des Streitwertes. Dies lässt die Anpassung einer (auch rechtkräftigen) Kostenfestsetzung an den geänderten Streitwert zu. Dabei erfolgt eine Anpassung aller streitwertabhängigen, bereits festgesetzten Positionen. Es erfolgt keine neue Prüfung sonstiger (nicht streitwertabhängiger) Positionen oder anderweitiger Voraussetzungen der Kostenerstattung. Der Zeitpunkt des Zinsbeginns unterliegt damit ebenfalls keiner erneuten Prüfung oder Änderung. Die Anpassung der streitwertabhängigen Positionen an den geänderten Streitwert löst keinen neuen Zinsbeginn für die Differenz zur bisherigen Festsetzung aus. Es kommt insgesamt auf den Eingang des ersten Festsetzungsantrages nach der Kostengrundentscheidung an. Ab diesem Zeitpunkt ist der Erstattungsgegner in Verzug gesetzt hinsichtlich des Gesamtbetrages der zu erstattenden Kosten, unabhängig davon, ob der erste Festsetzungsantrag bereits den tatsächlichen Erstattungsbetrag beinhaltet. Dies ist gefestigte Rechtsprechung im Festsetzungsverfahren nach § 104 ZPO und auf die Neufestsetzung nach § 107 ZPO anzuwenden. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob eine Streitwertänderung noch im laufenden Festsetzungsverfahren nach § 104 ZPO oder erst nach rechtskräftiger Festsetzung mit der Möglichkeit einer Anpassung der Festsetzung gemäß § 107 ZPO erfolgt.
Gerichtskosten waren nicht zu berücksichtigen, weil keine Vorschusszahlungen geleistet bzw. die geleisteten Vorschüsse nicht zu Gunsten des unterlegenen Beteiligten angerechnet wurden.
Die Kostenfestsetzung folgt im Übrigen § 91 ZPO. Danach sind die Kosten erstattungsfähig, die aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Beteiligten im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung zur zweckentsprechenden, sparsamen Rechtsverfolgung unter gleichzeitiger Wahrung seiner Rechtsansprüche als notwendig angesehen werden dürfen.
Beschluss vom 03.08.2020
Az.: 6 F 292/19 EAUK
Tenor:
Die diesem Beschluss zugrundeliegende Kostenentscheidung ist vollstreckbar.
Gründe
Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsgegner durch Beschluss vom 14.11.2019 i.V.m. dem Beschluss vom 30.01.2020 auferlegt. Am 19.03.2020 erfolgte auf Antrag der Antragstellerin vom 14.02.2020, bei Gericht am 24.02.2020 eingegangen, die antraggemäße Kostenfestsetzung.
Durch Beschluss vom 23.04.2020 wurde die Streitwertfestsetzung vom 14.11.2019 geändert. Die Kosten wurden daraufhin durch die Antragstellerin gemäß § 107 ZPO neu berechnet und mit dem Antrag vom 25.05.2020, bei Gericht am 27.05.2020 eingegangen, zur Neufestsetzung beantragt.
Dem Antragsgegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Der Antragsgegner erhob Einwände gegen die Neufestsetzung, da am 19.03.2020 bereits ein rechtskräftiger Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Grundlage der bisherigen Streitwertfestsetzung ergangen sei. Er beantragte daher die Neufestsetzung auf den bisher nicht festgesetzten Betrag zu beschränken, der sich aus der Erhöhung des Streitwertes ergibt.
Die Antragstellerin reichte die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 19.03.2020 zur Akte und bekräftigte ihren Antrag, den Gesamtbetrag der festzusetzenden Kosten in einem Beschluss einschließlich Zinsen auf den Gesamtbetrag ab Eingang des ersten Kostenfestsetzungsantrages vom 14.02.2020 neu festzusetzen.
Der Antragsgegner bekräftigte seinen Antrag, lediglich die Differenzkosten nebst Zinsen ab Eingang des Änderungsantrages vom 25.05.2020 festzusetzen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gegenseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Antrag der Antragstellerin auf Neufestsetzung war vollumfänglich stattzugeben. In Familienstreitsachen finden die Vorschriften der ZPO gemäß § 113 FamFG entsprechend Anwendung. Gemäß § 107 ZPO ist eine Neufestsetzung der Kosten nach Streitwertänderung zulässig, unabhängig davon, ob bereits formelle Rechtskraft der Kostenfestsetzung eingetreten ist. Der Antrag auf Änderung gemäß § 107 ZPO ist binnen 1 Monats ab Zugang der Änderung der Streitwertfestsetzung zulässig. Der Streitwert wurde durch Beschluss vom 23.04.2020 von 4.758,00 € auf 5.358,00 € erhöht. Der Beschluss wurde den Parteien bisher nicht zugestellt. Eine Übersendung wurde am 29.04.2020 formlos veranlasst. Der Antrag auf Änderung der Kostenfestsetzung ging am 27.05.2020 und damit fristgerecht bei Gericht ein.
Dass nur noch eine Festsetzung über den Differenzbetrag erfolgen darf, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Antragstellerin hat die vollstreckbare Ausfertigung des am 19.03.2020 erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses an das Gericht zum Zwecke der Neufestsetzung zurückgereicht. Eine Zwangsvollstreckung ist damit für sie aus diesem Festsetzungsbeschluss nicht möglich, solange sie nicht über diese vollstreckbare Ausfertigung verfügt.
Mit der Neufestsetzung wurde zugleich die bisherige Festsetzung aufgehoben. Daher kann aus der bisherigen Kostenfestsetzung auch künftig nicht mehr vollstreckt werden. Gegebenenfalls bereits laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss können gemäß § 775 Nr. 1 ZPO beseitigt werden.
Dem Antrag auf Neufestsetzung des Gesamtbetrages der Kosten aufgrund der geänderten Streitwertfestsetzung war daher stattzugeben.
Für den Beginn der beantragten Zinsen auf den gesamten Festsetzungsbetrag ist der Eingang des ursprünglichen Festsetzungsantrages maßgebend, da die Änderung des Streitwertes keine Änderung der Kostengrundentscheidung enthält (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, vgl. auch von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl., B 139).
Gemäß § 107 ZPO erfolgt lediglich eine Durchbrechung der Rechtskraft von Festsetzungsbeschlüssen im Falle einer nachträglichen Änderung des Streitwertes. Dies lässt die Anpassung einer (auch rechtkräftigen) Kostenfestsetzung an den geänderten Streitwert zu. Dabei erfolgt eine Anpassung aller streitwertabhängigen, bereits festgesetzten Positionen. Es erfolgt keine neue Prüfung sonstiger (nicht streitwertabhängiger) Positionen oder anderweitiger Voraussetzungen der Kostenerstattung. Der Zeitpunkt des Zinsbeginns unterliegt damit ebenfalls keiner erneuten Prüfung oder Änderung. Die Anpassung der streitwertabhängigen Positionen an den geänderten Streitwert löst keinen neuen Zinsbeginn für die Differenz zur bisherigen Festsetzung aus. Es kommt insgesamt auf den Eingang des ersten Festsetzungsantrages nach der Kostengrundentscheidung an. Ab diesem Zeitpunkt ist der Erstattungsgegner in Verzug gesetzt hinsichtlich des Gesamtbetrages der zu erstattenden Kosten, unabhängig davon, ob der erste Festsetzungsantrag bereits den tatsächlichen Erstattungsbetrag beinhaltet. Dies ist gefestigte Rechtsprechung im Festsetzungsverfahren nach § 104 ZPO und auf die Neufestsetzung nach § 107 ZPO anzuwenden. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob eine Streitwertänderung noch im laufenden Festsetzungsverfahren nach § 104 ZPO oder erst nach rechtskräftiger Festsetzung mit der Möglichkeit einer Anpassung der Festsetzung gemäß § 107 ZPO erfolgt.
Gerichtskosten waren nicht zu berücksichtigen, weil keine Vorschusszahlungen geleistet bzw. die geleisteten Vorschüsse nicht zu Gunsten des unterlegenen Beteiligten angerechnet wurden.
Die Kostenfestsetzung folgt im Übrigen § 91 ZPO. Danach sind die Kosten erstattungsfähig, die aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Beteiligten im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung zur zweckentsprechenden, sparsamen Rechtsverfolgung unter gleichzeitiger Wahrung seiner Rechtsansprüche als notwendig angesehen werden dürfen.