06.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221593
Oberlandesgericht Bremen: Beschluss vom 01.03.2021 – 3 U 19/20
Begründen die Parteien im Vergleichswege eine vollstreckbare Leistungspflicht der Beklagtenseite, obgleich das klägerische Begehren lediglich auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet war, ist ein gebührenrechtlich relevanter Mehrwert des Vergleichs gegeben, der der Höhe nach dem bei Bemessung des Streitwerts des Feststellungsantrags vorgenommenen Abschlag (dem "Feststellungsminderwert") entspricht (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 22. Mai 2018 - I-7 W 9/18, 7 W 9/18; OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 22. März und 18. April 2012 - 8 W 390/12).
Oberlandesgericht Bremen
In dem Rechtsstreit
Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Tenor:
Gründe
Der Kläger hat Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht.
Der Kläger unterhielt vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2020 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit seiner der Beklagten am 19.12.2016 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 19.731,24 € nebst Zinsen (entspricht der Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 30.11.2016) (Antrag zu 1)) sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 3)) zu verurteilen und des Weiteren festzustellen, dass auch über den 10.06.2016 hinaus ein Anspruch auf Auszahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.288,54 € gegenüber der Beklagten bestehe (Antrag zu 2)). Das Landgericht Bremen hat der Klage mit Urteil vom 11.06.2020 vollumfänglich stattgegeben und den Streitwert mit Beschluss vom 17.08.2020 auf 157.849,92 € festgesetzt. Dabei hat es den Streitwert für den Antrag zu 1) mit 19.731,24 € und den Antrag zu 3) mit 138.118,68 € (entsprechend der ungekürzten dreieinhalbfachen Jahresrente) bemessen. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung vom 17.07.2020 ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Der Rechtsstreit ist durch gerichtlich festgestellten Prozessvergleich vom 29.01.2021 im Berufungsverfahren beendet worden. In dem Vergleich hat die Beklagte sich verpflichtet, zur endgültigen Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € an den Kläger zu zahlen.
II.
Der Streitwert für die Gebühren des Verfahrens bestimmt sich über § 48 Abs. 1 GKG nach den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO und beträgt hier insgesamt 130.226,18 €. Von diesem Betrag entfallen auf den Antrag zu 1) 19.731,24 € und auf den Antrag zu 3) 110.494,94 € (dazu sogleich u. 1.). Der Wert des Vergleiches beträgt 157.849,92 €, so dass ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 27.623,74 € besteht (dazu u. 2.).
1.
Bei wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Ansprüche auf Rente aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung gehören, ist der Wert - sofern kein Fall des § 9 Satz 2 ZPO gegeben ist - grundsätzlich nach § 9 Satz 1 ZPO zu bestimmen und entspricht danach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges. Soweit der Anspruch - wie hier - im Wege einer positiven Feststellungsklage verfolgt wird, ist von diesem Betrag ein Feststellungsabschlag vorzunehmen, der in der Rechtsprechung üblicherweise mit 20 % beziffert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 202/07; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Mai 2018 - I-7 W 9/18 -, beide juris). Das gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - zu erwarten ist, dass die Schuldnerin, ein großes Versicherungsunternehmen, sich bereits dem Feststellungsausspruch beugen wird (BGH, a.a.O.; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 3 ZPO, Rn. 16_76). Der Streitwert für den Feststellungsantrag zu 3) beträgt danach 110.494,94 € (138.118,68 € x 0,8). Soweit das Landgericht in seinem Beschluss vom 17.08.2020 den Wert des Antrags zu 3) in ungekürzter Höhe berücksichtigt hat, war der Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu ändern.
Hinzuzurechnen sind nach § 42 Abs. 3 GKG zudem die bei Klageeinreichung bereits fälligen Rentenbeträge in Höhe von 19.731,24 €, die der Kläger mit seinem Antrag zu 1) verfolgt. Der Antrag zu 2) (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleibt - da auf eine Nebenforderung gerichtet - bei der Bestimmung des Streitwerts hingegen unberücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG), so dass sich ein Gesamtstreitwert für das Verfahren in der tenorierten Höhe ergibt.
2.
Der Wert des zwischen den Parteien geschlossenen Abfindungsvergleichs beträgt 157.849,92 €, der überschießende Vergleichswert danach 27.623,74 €.
a.
Einen Vergleichsmehrwert hat die Rechtsprechung bei Abfindungsvergleichen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Rentenansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung soweit ersichtlich bislang nur in solchen Fällen angenommen, in denen die Parteien sich im Vergleichswege auch über die (nicht zwischen ihnen in Streit stehende) Beendigung der Berufsunfähigkeitsversicherung verständigt haben. In diesen Konstellationen geht die Rechtsprechung grundsätzlich (sofern wegen der kurzen Restlaufzeit kein Fall des § 9 Satz 2 ZPO gegeben ist; vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 19. April 2017 - 20 U 117/16 -, juris) von einem Vergleichsmehrwert i.H.v. 20 % der dreieinhalbfachen Jahresleistung der Berufsunfähigkeitsversicherung aus (vergleiche etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 20 W 6/19; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2015 - 20 W 75/14; KG Berlin, Beschluss vom 17. September 2014 - 6 W 127/14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. August 2014 - 8 W 1409/14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. März 2015 - 12 W 7/15; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07. Dezember 2010 - 7 W 75/10 -, allesamt juris). Der Mehrwert der in dem Vergleich bestimmten Vertragsaufhebung wird dabei in dem Umstand gesehen, dass hierdurch die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass nach einer Verurteilung zur Leistungserbringung wegen des geltend gemachten Versicherungsfalls die Leistungspflicht der Beklagten (etwa wegen einer Gesundung des Klägers oder wegen einer Verweisung) später aufgrund eines weiteren Versicherungsfalls erneut entstehen könnte und insoweit die Gefahr künftiger Streitigkeiten aus dem Versicherungsverhältnis beseitigt wird. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Vertragslaufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers ohnehin bereits am 30.06.2020 - und mithin noch während des laufenden Berufungsverfahrens und vor Abschluss des Prozessvergleiches am 29.01.2021 - geendet hat. Allein vor diesem Hintergrund ist ein Vergleichsmehrwert vorliegend daher nicht anzunehmen.
b.
Ein solcher Vergleichsmehrwert ergibt sich zur Überzeugung des Senats jedoch insoweit, als die Parteien im Vergleichswege eine (vollstreckbare) Leistungspflicht der Beklagten begründet haben, obgleich das klägerische Begehren bezüglich der künftigen Rentenzahlungen lediglich auf Feststellung gerichtet gewesen war.
Der Wert eines Prozessvergleiches bemisst sich grundsätzlich nach dem Wert der durch den Vergleich insgesamt erledigten streitigen Forderungen. Entscheidend ist nach einhelliger Rechtsprechung insoweit nicht, worauf sich die Parteien geeinigt haben, sondern worüber der Vergleich geschlossen worden ist. Entsprechend kommt es bei einem Abfindungsvergleich, wie dem vorliegenden, grundsätzlich nicht auf den Abfindungsbetrag als solchen, sondern vielmehr auf den Wert der abgefundenen Ansprüche an (zum Ganzen: OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2012 - I-20 W 13/12, 20 W 13/12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.12.2010 - 7 W 75/10; KG, Beschluss vom 17.09.2014 - 6 W 127/14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - 9 W 33/14 -, allesamt juris). Für die Frage, ob ein Vergleichsmehrwert festzusetzen ist, ist es mithin nicht entscheidend, ob der vereinbarte Vergleichsbetrag den nach den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO ermittelten Wert übersteigt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Abfindungsvergleich lediglich den Streitgegenstand erledigt (dann grundsätzlich kein Mehrwert) oder darüber hinaus geht, weil eine Regelung im Vergleich getroffen wird, die wirtschaftlich und rechtlich betrachtet weitergehend als der nach dem Klageantrag bestimmte ursprüngliche Streitgegenstand ist. Das ist zur Überzeugung des Senates vorliegend der Fall.
Der Umstand, dass der mit dem Antrag zu 3) begehrte Feststellungsausspruch selbst nicht vollstreckungsfähig gewesen wäre, durch den Vergleich nunmehr aber ein Vollstreckungstitel begründet worden ist, hat nach Auffassung des Senats einen gebührenrechtlichen Mehrwert zur Folge, der der Höhe nach der Differenz zwischen dem Wert von Feststellungs- und Leistungsklage - und mithin dem bei Bemessung des Streitwerts des Feststellungsantrags nach § 9 Satz 1 ZPO vorgenommenen Abschlag in Höhe von 20 % (s. o. Ziffer 1.) - entspricht (in diese Richtung auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Januar 2013 - 5 W 40/12; ablehnend aber: OLG Hamm, Beschluss vom 22. Mai 2018 - I-7 W 9/18; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. März 2012 - 8 W 390/12 -, allesamt juris).
Hierfür spricht, dass der maßgebliche Streitgegenstand des Verfahrens zum einen von dem Antrag des Klägers und zum anderen von dem zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird. Streitgegenstand hier war die Leistungspflicht der Beklagten aus der bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung für die Vergangenheit (insoweit hat der Kläger eine bezifferte Leistungsklage erhoben) und für die Zukunft (hier von dem Kläger als Feststellungsantrag gestellt). Die künftige Leistungspflicht der Beklagten sollte nach dem Willen des Klägers demnach also nicht tituliert, sondern nur festgestellt werden, obgleich durchaus die Möglichkeit für ihn bestanden hätte, nach § 258 ZPO auch insoweit einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Damit war hinsichtlich der künftigen Rentenzahlungen aber auch nur die Feststellung einer Zahlungspflicht streitgegenständlich, nicht aber die Zahlungspflicht als solche. Soweit die Parteien in dem getroffenen Abfindungsvergleich vereinbart haben, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € an den Kläger zahlt, stellt diese Zahlungspflicht - im Vergleich zu dem beantragten Feststellungsausspruch - daher ein wirtschaftliches und rechtliches "Mehr" dar. Denn Sinn und Zweck der Kürzung des Wertes eines mit der Feststellungsklage verfolgten Anspruchs um den "Feststellungsminderwert" von 20 % (s.o. Ziffer 1.) ist die "weniger weit tragende, weil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähige Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber dem Leistungsurteil" (BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 202/07 -, juris). Diese Überlegung greift bei einem Prozessvergleich, der - wie hier - einen unmittelbar zur Vollstreckung geeigneten Titel bildet, jedoch gerade nicht. In einem solchen Fall ist deshalb für die Berechnung des Vergleichswertes (neben dem Wert des bezifferten Leistungsantrages) grundsätzlich der nach § 9 ZPO zu bestimmende ungekürzte Wert maßgeblich, als wäre auch insoweit eine Leistungsklage erhoben worden (vgl. auch LG Frankenthal, Urteil vom 07. Dezember 2012 - 4 O 326/12 -, juris [dort Rz. 68 ff.]; a.A. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Auflage 2020, Kapitel 19. Rn. 27 [Schätzung des Vergleichsmehrwerts nach § 3 ZPO]). Dies ist vorliegend ein Betrag in Höhe von 138.118,68 €.
c.
Ein - darüber hinausgehender - weiterer Vergleichsmehrwert ist vorliegend indes nicht gegeben. Er ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Parteien sich im Vergleichswege eine "Generalquittung" erteilt haben. Zu der Frage, ob neben der streitgegenständlichen Leistung der Berufsunfähigkeitsrente überhaupt auch weitere - nicht streitgegenständliche - Ansprüche, etwa im Hinblick auf die Rückzahlung etwaig zu viel geleisteter Beiträge, im Raum standen, die durch den Vergleich mitabgegolten worden sind, haben sich die Parteien trotz ausdrücklicher Nachfrage des Gerichtes vom 29.01.2021 nicht verhalten.
Beschluss vom 01.03.2021
Az.: 3 U 19/20
In dem Rechtsstreit
Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Tenor:
wird der Streitwert für das Verfahren (erste und zweite Instanz) auf 130.226,18 € und der Vergleichswert auf 157.849,92 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger hat Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend gemacht.
Der Kläger unterhielt vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2020 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit seiner der Beklagten am 19.12.2016 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 19.731,24 € nebst Zinsen (entspricht der Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 30.11.2016) (Antrag zu 1)) sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 3)) zu verurteilen und des Weiteren festzustellen, dass auch über den 10.06.2016 hinaus ein Anspruch auf Auszahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.288,54 € gegenüber der Beklagten bestehe (Antrag zu 2)). Das Landgericht Bremen hat der Klage mit Urteil vom 11.06.2020 vollumfänglich stattgegeben und den Streitwert mit Beschluss vom 17.08.2020 auf 157.849,92 € festgesetzt. Dabei hat es den Streitwert für den Antrag zu 1) mit 19.731,24 € und den Antrag zu 3) mit 138.118,68 € (entsprechend der ungekürzten dreieinhalbfachen Jahresrente) bemessen. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung vom 17.07.2020 ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Der Rechtsstreit ist durch gerichtlich festgestellten Prozessvergleich vom 29.01.2021 im Berufungsverfahren beendet worden. In dem Vergleich hat die Beklagte sich verpflichtet, zur endgültigen Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € an den Kläger zu zahlen.
II.
Der Streitwert für die Gebühren des Verfahrens bestimmt sich über § 48 Abs. 1 GKG nach den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO und beträgt hier insgesamt 130.226,18 €. Von diesem Betrag entfallen auf den Antrag zu 1) 19.731,24 € und auf den Antrag zu 3) 110.494,94 € (dazu sogleich u. 1.). Der Wert des Vergleiches beträgt 157.849,92 €, so dass ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 27.623,74 € besteht (dazu u. 2.).
1.
Bei wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Ansprüche auf Rente aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung gehören, ist der Wert - sofern kein Fall des § 9 Satz 2 ZPO gegeben ist - grundsätzlich nach § 9 Satz 1 ZPO zu bestimmen und entspricht danach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges. Soweit der Anspruch - wie hier - im Wege einer positiven Feststellungsklage verfolgt wird, ist von diesem Betrag ein Feststellungsabschlag vorzunehmen, der in der Rechtsprechung üblicherweise mit 20 % beziffert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 202/07; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Mai 2018 - I-7 W 9/18 -, beide juris). Das gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - zu erwarten ist, dass die Schuldnerin, ein großes Versicherungsunternehmen, sich bereits dem Feststellungsausspruch beugen wird (BGH, a.a.O.; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 3 ZPO, Rn. 16_76). Der Streitwert für den Feststellungsantrag zu 3) beträgt danach 110.494,94 € (138.118,68 € x 0,8). Soweit das Landgericht in seinem Beschluss vom 17.08.2020 den Wert des Antrags zu 3) in ungekürzter Höhe berücksichtigt hat, war der Streitwert gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu ändern.
Hinzuzurechnen sind nach § 42 Abs. 3 GKG zudem die bei Klageeinreichung bereits fälligen Rentenbeträge in Höhe von 19.731,24 €, die der Kläger mit seinem Antrag zu 1) verfolgt. Der Antrag zu 2) (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleibt - da auf eine Nebenforderung gerichtet - bei der Bestimmung des Streitwerts hingegen unberücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG), so dass sich ein Gesamtstreitwert für das Verfahren in der tenorierten Höhe ergibt.
2.
Der Wert des zwischen den Parteien geschlossenen Abfindungsvergleichs beträgt 157.849,92 €, der überschießende Vergleichswert danach 27.623,74 €.
a.
Einen Vergleichsmehrwert hat die Rechtsprechung bei Abfindungsvergleichen im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Rentenansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung soweit ersichtlich bislang nur in solchen Fällen angenommen, in denen die Parteien sich im Vergleichswege auch über die (nicht zwischen ihnen in Streit stehende) Beendigung der Berufsunfähigkeitsversicherung verständigt haben. In diesen Konstellationen geht die Rechtsprechung grundsätzlich (sofern wegen der kurzen Restlaufzeit kein Fall des § 9 Satz 2 ZPO gegeben ist; vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 19. April 2017 - 20 U 117/16 -, juris) von einem Vergleichsmehrwert i.H.v. 20 % der dreieinhalbfachen Jahresleistung der Berufsunfähigkeitsversicherung aus (vergleiche etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 20 W 6/19; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2015 - 20 W 75/14; KG Berlin, Beschluss vom 17. September 2014 - 6 W 127/14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. August 2014 - 8 W 1409/14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. März 2015 - 12 W 7/15; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07. Dezember 2010 - 7 W 75/10 -, allesamt juris). Der Mehrwert der in dem Vergleich bestimmten Vertragsaufhebung wird dabei in dem Umstand gesehen, dass hierdurch die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass nach einer Verurteilung zur Leistungserbringung wegen des geltend gemachten Versicherungsfalls die Leistungspflicht der Beklagten (etwa wegen einer Gesundung des Klägers oder wegen einer Verweisung) später aufgrund eines weiteren Versicherungsfalls erneut entstehen könnte und insoweit die Gefahr künftiger Streitigkeiten aus dem Versicherungsverhältnis beseitigt wird. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Vertragslaufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers ohnehin bereits am 30.06.2020 - und mithin noch während des laufenden Berufungsverfahrens und vor Abschluss des Prozessvergleiches am 29.01.2021 - geendet hat. Allein vor diesem Hintergrund ist ein Vergleichsmehrwert vorliegend daher nicht anzunehmen.
b.
Ein solcher Vergleichsmehrwert ergibt sich zur Überzeugung des Senats jedoch insoweit, als die Parteien im Vergleichswege eine (vollstreckbare) Leistungspflicht der Beklagten begründet haben, obgleich das klägerische Begehren bezüglich der künftigen Rentenzahlungen lediglich auf Feststellung gerichtet gewesen war.
Der Wert eines Prozessvergleiches bemisst sich grundsätzlich nach dem Wert der durch den Vergleich insgesamt erledigten streitigen Forderungen. Entscheidend ist nach einhelliger Rechtsprechung insoweit nicht, worauf sich die Parteien geeinigt haben, sondern worüber der Vergleich geschlossen worden ist. Entsprechend kommt es bei einem Abfindungsvergleich, wie dem vorliegenden, grundsätzlich nicht auf den Abfindungsbetrag als solchen, sondern vielmehr auf den Wert der abgefundenen Ansprüche an (zum Ganzen: OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2012 - I-20 W 13/12, 20 W 13/12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.12.2010 - 7 W 75/10; KG, Beschluss vom 17.09.2014 - 6 W 127/14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - 9 W 33/14 -, allesamt juris). Für die Frage, ob ein Vergleichsmehrwert festzusetzen ist, ist es mithin nicht entscheidend, ob der vereinbarte Vergleichsbetrag den nach den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO ermittelten Wert übersteigt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Abfindungsvergleich lediglich den Streitgegenstand erledigt (dann grundsätzlich kein Mehrwert) oder darüber hinaus geht, weil eine Regelung im Vergleich getroffen wird, die wirtschaftlich und rechtlich betrachtet weitergehend als der nach dem Klageantrag bestimmte ursprüngliche Streitgegenstand ist. Das ist zur Überzeugung des Senates vorliegend der Fall.
Der Umstand, dass der mit dem Antrag zu 3) begehrte Feststellungsausspruch selbst nicht vollstreckungsfähig gewesen wäre, durch den Vergleich nunmehr aber ein Vollstreckungstitel begründet worden ist, hat nach Auffassung des Senats einen gebührenrechtlichen Mehrwert zur Folge, der der Höhe nach der Differenz zwischen dem Wert von Feststellungs- und Leistungsklage - und mithin dem bei Bemessung des Streitwerts des Feststellungsantrags nach § 9 Satz 1 ZPO vorgenommenen Abschlag in Höhe von 20 % (s. o. Ziffer 1.) - entspricht (in diese Richtung auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Januar 2013 - 5 W 40/12; ablehnend aber: OLG Hamm, Beschluss vom 22. Mai 2018 - I-7 W 9/18; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. März 2012 - 8 W 390/12 -, allesamt juris).
Hierfür spricht, dass der maßgebliche Streitgegenstand des Verfahrens zum einen von dem Antrag des Klägers und zum anderen von dem zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird. Streitgegenstand hier war die Leistungspflicht der Beklagten aus der bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung für die Vergangenheit (insoweit hat der Kläger eine bezifferte Leistungsklage erhoben) und für die Zukunft (hier von dem Kläger als Feststellungsantrag gestellt). Die künftige Leistungspflicht der Beklagten sollte nach dem Willen des Klägers demnach also nicht tituliert, sondern nur festgestellt werden, obgleich durchaus die Möglichkeit für ihn bestanden hätte, nach § 258 ZPO auch insoweit einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Damit war hinsichtlich der künftigen Rentenzahlungen aber auch nur die Feststellung einer Zahlungspflicht streitgegenständlich, nicht aber die Zahlungspflicht als solche. Soweit die Parteien in dem getroffenen Abfindungsvergleich vereinbart haben, dass die Beklagte einen Betrag in Höhe von 150.000,00 € an den Kläger zahlt, stellt diese Zahlungspflicht - im Vergleich zu dem beantragten Feststellungsausspruch - daher ein wirtschaftliches und rechtliches "Mehr" dar. Denn Sinn und Zweck der Kürzung des Wertes eines mit der Feststellungsklage verfolgten Anspruchs um den "Feststellungsminderwert" von 20 % (s.o. Ziffer 1.) ist die "weniger weit tragende, weil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähige Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber dem Leistungsurteil" (BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZR 202/07 -, juris). Diese Überlegung greift bei einem Prozessvergleich, der - wie hier - einen unmittelbar zur Vollstreckung geeigneten Titel bildet, jedoch gerade nicht. In einem solchen Fall ist deshalb für die Berechnung des Vergleichswertes (neben dem Wert des bezifferten Leistungsantrages) grundsätzlich der nach § 9 ZPO zu bestimmende ungekürzte Wert maßgeblich, als wäre auch insoweit eine Leistungsklage erhoben worden (vgl. auch LG Frankenthal, Urteil vom 07. Dezember 2012 - 4 O 326/12 -, juris [dort Rz. 68 ff.]; a.A. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Auflage 2020, Kapitel 19. Rn. 27 [Schätzung des Vergleichsmehrwerts nach § 3 ZPO]). Dies ist vorliegend ein Betrag in Höhe von 138.118,68 €.
c.
Ein - darüber hinausgehender - weiterer Vergleichsmehrwert ist vorliegend indes nicht gegeben. Er ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Parteien sich im Vergleichswege eine "Generalquittung" erteilt haben. Zu der Frage, ob neben der streitgegenständlichen Leistung der Berufsunfähigkeitsrente überhaupt auch weitere - nicht streitgegenständliche - Ansprüche, etwa im Hinblick auf die Rückzahlung etwaig zu viel geleisteter Beiträge, im Raum standen, die durch den Vergleich mitabgegolten worden sind, haben sich die Parteien trotz ausdrücklicher Nachfrage des Gerichtes vom 29.01.2021 nicht verhalten.