06.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222197
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 17.12.2020 – 10 W 119/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Gegenstandswert für die Termingebühr wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Gründe
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I.
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Der Antragsteller vertrat den Antragsgegner in dem Rechtsstreit zum Aktenzeichen 9 O 384/16 beim Landgericht Hagen. Die Parteien des Rechtsstreits stritten im Wege der Stufenklage um Pflichtteilsansprüche. Der Beklagte dieses Rechtsstreits wurde durch ein im schriftlichen Vorverfahren erlassenes Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.02.2017 zur Auskunftserteilung verurteilt. Mit Schreiben vom 6.11.2017 zeigte der Antragsteller dem Gericht an, nicht mehr mandatiert zu sein. Unter dem 14.11.2017 zeigten die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ihre Bestellung an. Mit Beschluss vom 28.11.2017 setzte das Landgericht den Streitwert für den Rechtsstreit endgültig auf 50.000 EUR fest. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde wurde durch Beschluss des Senats vom 19.07.2019 zurückgewiesen. Die Klage hatte der Antragsgegner bereits mit Schriftsatz vom 04.01.2018 zurückgenommen.
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Mit Schriftsatz vom 25.11.2019 beantragte der Antragsteller, eine Vergütung gegen den Antragsgegner nach einem Wert von 3.108.818,97 EUR in Höhe von 36.080,92 EUR gem. § 11 RVG festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 bestritt der Antragsgegner die Höhe des Gegenstandswertes. Durch Beschluss vom 07.05.2020 wies die Rechtspflegerin den Antrag zurück. Mit Schriftsatz vom 28.05.2020 legte der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten gegen den Beschluss vom 07.05.2020 sofortige Beschwerde ein. Zugleich beantragte er, das Festsetzungsverfahren nach § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen. Mit weiterem Schriftsatz vom 28.05.2020 beantragte der Antragsteller, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der Termingebühr gem. § 33 RVG gesondert festzusetzen.
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Durch den angefochtenen Beschluss vom 11.09.2020 wies das Landgericht den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, § 33 RVG greife nur bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 32 RVG ein. Ein solcher Fall liege jedoch nicht vor. Im Übrigen habe ein gerichtlicher Termin nicht stattgefunden. Dieser Beschluss ist den Antragstellervertretern und den Prozessbevollmächtigten des Beklagten formlos übersandt und dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt worden.
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Mit Schriftsatz vom 22.09.2020 hat der Antragsteller gegen den Beschluss vom 11.09.2020, zugestellt am 16.09.2020, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Termingebühr falle auch an, wenn im schriftlichen Vorverfahren ein Anerkenntnisurteil ergehe. Da die Gebühr nur auf der Auskunftsstufe angefallen sei, sei für sie der Gegenstandswert gesondert festzusetzen. Fehlerhaft enthalte der angefochtene Beschluss zudem eine Kostenentscheidung. Ebenso fehlerhaft sei eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben. Der Beschluss sei nicht zugestellt worden, so dass er noch nicht wirksam sei und die Beschwerdefrist für den durch den Beschluss beschwerten Antragsgegner nicht ausgelöst worden sei. Die fehlende Zustellung sei zunächst zu veranlassen.
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Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 03.11.2020 mit der Begründung nicht abgeholfen, die Beschwerde sei unzulässig, da der Antragsteller durch die Entscheidung nicht beschwert sei, denn er könne eine Termingebühr nach dem bereits rechtskräftig festgesetzten Streitwert abrechnen.
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Wegen des weiteren Sach- und Verfahrensstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Beschwerde des Antragstellers, über die gem. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter entscheidet, ist zulässig und begründet. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Festsetzung des Gegenstandswertes für die Terminsgebühr.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig.
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a) Entgegen der Befürchtung des Antragstellers liegt ein wirksamer Beschluss vor, der mit der Beschwerde angefochten werden kann. Ein Beschluss wird - als bereits beschwerdefähige Entscheidung - erlassen, wenn er mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb heraustritt. Dafür genügt, wenn eine Ausfertigung des Beschlusses zur Post gegeben wird, ohne dass es auf den Zugang an die Parteien ankommt (Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 329 ZPO Rn. 19). Für die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses ist zudem erforderlich, dass der Beschluss den Parteien bekanntgemacht wird (BeckOK ZPO/Bach, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 329 Rn. 10 ff.; Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 329 ZPO Rn. 7 jew. m.w.Nw.). Mängel in der Zustellung hindern die Wirksamkeit des Beschlusses jedoch nicht, sondern bewirken lediglich, dass die Fristen, die an die Zustellung geknüpft sind, nicht zu laufen beginnen (BeckOK ZPO/Bach, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 329 Rn. 26). Dass der Beschluss dem Antragsgegner nicht zugestellt worden ist, ist daher für die Wirksamkeit und erst Recht für die Anfechtbarkeit des Beschlusses unerheblich. Es besteht auch keine Notwendigkeit die Zustellung des Beschlusses nachzuholen. Dies erübrigt schon deshalb, weil der angefochtene Beschluss durch die Beschwerdeentscheidung aufgehoben wird.
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b) Die Beschwerde ist innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG erhoben worden.
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c) Entgegen der im Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vertretenen Rechtsansicht kommt es für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht auf eine materielle Beschwer des Antragstellers an. Richtig ist zwar, dass es an der „Beschwer an sich“ immer dann fehlt, wenn der Prozessbevollmächtigte eine Streitwertermäßigung anstrebt, denn keine Partei hat ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde mit dem Ziel ihrer Verschlechterung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.9.2013 ‒ 8 W 271/13, NJOZ 2014, 948; LAG Köln, Beschl. v. 21.10.2013 ‒ 7 Ta 231/13, NZA-RR 2014, 153; BeckOK RVG/Sommerfeldt, 50. Ed. 1.12.2020, RVG § 33 Rn. 16-17b). Im vorliegenden Fall reicht indessen die formelle Beschwer des Antragstellers aus, da sein Antrag auf Wertfestsetzung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen worden ist. Die Beschwerde ist immer dann schon zulässig, wenn die Wertfestsetzung aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt worden ist (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 33 Rn. 13; KG, Beschl. vom 4. 11. 1965 - 1 W 2013/65, NJW 1966, 1369). Dieser Grundsatz gilt allgemein und findet z.B. auch bei Ablehnung einer Kostenentscheidung Anwendung (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 67 ZPO Rn. 38; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 99 ZPO Rn. 6 jew. m.w. Nw.).
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2. Die Beschwerde ist auch begründet.
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Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit hinsichtlich der Terminsgebühr gem. § 33 RVG ist zulässig und begründet.
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a) Die Vorschrift des § 33 RVG eröffnet die Möglichkeit der Wertfestsetzung für Anwaltsgebühren in den Fällen, wo es keine für die Gerichtsgebühren maßgebende Bewertung gibt. Insoweit handelt es sich um ein selbstständiges Verfahren zur Festsetzung des Gegenstandswertes. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 RVG liegen vor, denn die Terminsgebühr berechnet sich vorliegend nicht nach dem bereits rechtskräftig für die Gerichtsgebühren festgesetzten Wert.
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b) Es ist eine Terminsgebühr angefallen, obwohl eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Der Antragsteller hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Terminsgebühr auch beim Erlass eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren anfällt. Das ergibt sich aus VV 3104 I Nr. 2 zu § 2 Abs. 2 RVG (vgl. Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, RVG VV 3104 Rn. 32). Im hier zu entscheidenden Fall ist der Beklagte durch das im schriftlichen Vorverfahren erlassene Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.02.2017 zur Auskunftserteilung verurteilt worden, so dass dadurch auch die Terminsgebühr entstanden ist.
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c) Für diese Terminsgebühr ist jedoch nicht der bereits rechtskräftig auf 50.000 EUR festgesetzte Wert für die Gerichtsgebühren maßgeblich.
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Für die Gerichtsgebühren erfolgt bei Stufenklagen die Wertberechnung nach § 44 GKG. Der höchste Gegenstandswert, der sich nach dem Zahlungsanspruch bemisst, ist stets maßgebend für die gerichtliche und die anwaltliche Verfahrensgebühr, während sich der Gegenstand für die Terminsgebühr nach dem Wert derjenigen Verfahrensstufe richtet, in der diese Gebühr anfällt. Fällt die Terminsgebühr - wie hier - nur hinsichtlich der Auskunftsstufe an, sind für das Verfahren zwei Werte festzusetzen, zum einen hinsichtlich der Verfahrensgebühr der Wert nach dem höheren Zahlungsanspruch, zum anderen hinsichtlich der Terminsgebühr der Wert nach der geringer anzusetzenden Auskunftsstufe (vgl. OLG Koblenz, Beschl. vom 12. Oktober 2018 ‒ 2 W 464/18 ‒ Rn. 8; OLG Brandenburg, Beschl. vom 16.03.2012 - 3 WF 1/12 Rn. 7; so auch OLG Jena, Beschl. vom 30.07.2012 - 1 WF 396/12, JurBüro 2013, 26 Rnrn. 33, 34 und 41; OLG Saarbrücken, Beschl. vom 09.09.2009 - 9 WF 89/09 Rn. 3; OLG Köln, Beschl. vom 13.07.2009 - 19 W 17/09 Rn. 3, alle zitiert nach juris).
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d) Der Wert des Auskunftsanspruchs bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das der Kläger an der Erteilung der Auskunft hat. Dieses ist nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Der Wert des Auskunftsanspruchs ist jedenfalls nicht identisch mit dem des Leistungsanspruchs, sondern beträgt in der Regel einen Bruchteil desselben, da die Auskunft die Geltendmachung dieses Anspruchs erst vorbereiten und erleichtern soll (BGH, Beschl. vom 19. Mai 1982 - IVb ZB 80/82 - FamRZ 1982, 787, 788). Die Rechtsprechung nimmt den Bruchteil mit 1/4 bis 1/10 des Leistungsanspruchs an (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 3 ZPO Rn. 16.28 "Auskunft"). Ein Bruchteil von 1/5 (= 10.000 EUR) des Wertes des auf 50.000 EUR festgesetzten Leistungsanspruchs erscheint hier angemessen und steht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 31. März 1993 ‒ XII ZR 67/92 ‒, juris; OLG Koblenz, Beschl. vom 12. Oktober 2018 ‒ 2 W 464/18 ‒, juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG.
RechtsgebietGebührenrechtVorschriften§ 44 GKG