10.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222851
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 29.01.2021 – I-11 U 41/20
Zur Zulässigkeit und Begründetheit einer Feststellungklage, mit der ein Entschädigungsanspruch aus § 2 StrEG für aus Anlass einer strafprozessualen Durchsuchung entstandene Verteidigerkosten geltend gemacht wird.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 9. Oktober 2020 wird aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird an das am 21.01.2020 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger von den zu seinen Lasten durch die Durchsuchungsmaßnahme vom 24.10.2017 verursachten Verteidigerkosten freizustellen. Die Freistellungsverpflichtung beschränkt sich auf die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechenbaren gesetzlichen Gebühren und Auslagen. Soweit mit diesen nicht nur die Verteidigung des Klägers gegen die Durchsuchungsmaßnahme, sondern auch dessen sonstige Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren 355 Js 1/17 (126) StA Bochum abgegolten wird oder würde, beschränkt sich die Freistellungsverpflichtung des beklagten Landes zudem auf den Anteil der gesetzlichen Gebühren und Auslagen, der dem Anteil der Verteidigung gegen die Durchsuchungsmaßnahme an der gesamten Verteidigung des Klägers in dem Ermittlungsverfahrens 355 Js 1/17 (126) StA Bochum entspricht.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits mit Ausnahme der durch Säumnis des Klägers im Senatstermin am 09.10.2020 verursachten Kosten, welche der Kläger allein zu tragen hat, tragen der Kläger zu 4/5 und das beklagte Land zu 1/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Gründe:
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I.
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A.
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Der Senat entscheidet, nachdem beide Parteien einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben, gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren.
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B.
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Das Berufungsverfahren ist aufgrund des Einspruchs des Klägers vom 30.10.2020 gemäß § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor der Säumnis des Klägers im Senatstermin am 09.10.2020 befunden hat. Der Einspruch des Klägers gegen das seine Berufung zurückweisende Versäumnisurteil vom 09.10.2020 ist gemäß § 338 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde der Einspruch vom Kläger rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt. Das Versäumnisurteil vom 09.10.2020 wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.10.2020 zugestellt. Die Einspruchsschrift des Klägers vom 30.10.2020, welche den gesetzlichen Anforderungen des § 340 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 ZPO genügt, ging als Telefax noch am 30.10.2020 beim Oberlandesgericht Hamm ein.
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C.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur teilweise Erfolg und führt zur teilweisen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als festzustellen ist, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger von den zu seinen Lasten durch die Durchsuchungsmaßnahme vom 24.10.2017 verursachten Verteidigerkosten freizustellen, wobei sich die Freistellungsverpflichtung auf die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abrechenbaren gesetzlichen Gebühren und Auslagen beschränkt. Soweit mit ihnen nicht nur die Verteidigung des Klägers gegen die Durchsuchungsmaßnahme sondern auch dessen sonstige Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren 355 Js 1/17 (126) StA Bochum abgegolten ist bzw. wäre, beschränkt sich die Freistellungsverpflichtung des beklagten Landes zudem auf den Anteil dieser gesetzlichen Gebühren und Auslagen, der dem Anteil der Verteidigung gegen die Durchsuchungsmaßnahme an der gesamten Verteidigung des Klägers in dem Ermittlungsverfahrens 355 Js 1/17 (126) StA Bochum entspricht. Soweit der Kläger mit seinem Feststellungsantrag darüber hinausgehend die Feststellung der Ersatzverpflichtung des beklagten Landes für die gesamten zu seinen Lasten bereits entstandenen und noch entstehende Verteidigerauslagen sowie für alle sonstigen Vermögensschaden begehrt, ist die Feststellungsklage hingegen unbegründet.
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1. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig.
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a)
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Die Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage beurteilt sich unabhängig davon, auf welche Anspruchsgrundlage der Kläger sein Feststellungsbegehren zu stützen sucht, nach § 256 Abs. 1 ZPO. Auch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs aus §§ 2 und 7 StrEG ist die Erhebung einer Feststellungsklage unter den in § 256 Abs. 1 ZPO normierten Voraussetzungen zulässig (Meyer, Kommentar zum StrEG, 10. Auflage 2017, § 13 Rn. 15; Cornelius in: BeckOK StPO, § 13 StrEG Rn. 1; OLG Bamberg, Urteil vom 25.05.2009, 4 U 198/08 ‒ Rz. 20; LG Dortmund, Urteil vom 02.06.1989, 3 O 14/89 = NJW-RR 1989, 129).
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b)
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Die im § 256 Abs. 1 ZPO für die Erhebung einer Feststellungsklage geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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aa)
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Die vom Kläger begehrte Feststellung betrifft die Frage des Bestehens eines zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses, nämlich die Frage, ob das beklagte Land dem Kläger aufgrund der Durchsuchungsmaßnahme vom 24.10.2017 nach den §§ 2 und 7 StrEG oder anderen Anspruchsgrundlagen zum Ersatz seiner bereits entstandenen und noch entstehenden Verteidigerkosten und sonstigen Vermögensschäden verpflichtet ist.
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bb)
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Die Feststellungsklage ist nicht schon mangels eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers an ihr unzulässig. An diesem fehlt es entgegen der Ansicht des beklagten Land vorliegend nicht etwa schon deshalb, weil bereits mit dem Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 24.07.2018 die Entschädigungspflicht des beklagten Landes für die Durchsuchungsmaßnahme dem Grunde nach festgestellt worden ist. Denn der Kläger ist schon deswegen zur Erhebung der vorliegenden Klage gezwungen gewesen, weil mit der am 13.05.2019 an ihn erfolgten Zustellung des Bescheides der Generalstaatsanwältin im Hamm vom 02.05.2019, mit dem sein Entschädigungsbegehren nach dem StrEG zurückgewiesen wurde, für den Kläger die dreimonatige Klagefrist des § 13 StrEG zu laufen begann und deren Versäumung für ihn zu einem Verlust der ihm nach dem StrEG zustehenden Entschädigungsansprüche geführt hätte.
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Der Einwand des beklagten Landes, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm erhobene Feststellungsklage deshalb fehle, weil der wegen einer Strafverfolgungsmaßnahme zu Entschädigende bereits im Justizverwaltungsverfahren einen Feststellungsantrag stellen könne, geht ebenfalls fehl. Zwar ist es in rechtlicher Hinsicht zutreffend, dass eine Bezifferung des geltend gemachten konkreten Vermögensschadens im Justizverwaltungsverfahren nicht zwingend erforderlich ist. Bei nachgewiesenem Feststellungsinteresse ist vielmehr auch im Justizverwaltungsverfahren die Stellung eines bloßen Feststellungsantrag zulässig (Cornelius in: BeckOK StPO, § 10 StrEG Rn. 5; OLG Rostock, Urteil vom 06.03.2003, 1 U 171/02 ‒ Rz. 10 juris; Meyer, a.a.O. § 10 Rn. 16; Kunz in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2018, StrEG §10 Rn. 8). Der Einwand des beklagten Landes greift aber deshalb nicht, weil der Kläger in dem Justizverwaltungsverfahren einen dahingehenden Feststellungsantrag gestellt hat. Mit seinem Schreiben vom 08.01.2019 hatte er mit Begründung, dass ihm bislang keine ordnungsgemäße Rechnung über das Verteidigerhonorar, das seiner Auffassung nach dem RVG zu berechnen sei, erteilt worden sei und er deshalb seinen Schaden nicht vollständig beziffern könne, ausdrücklich die Feststellung begehrt, dass das Verteidigerhonorar in dem Entschädigungsverfahren zu erstatten ist.
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cc)
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Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht wegen fehlenden Feststellungsinteresses des Klägers unzulässig.
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(1)
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Allerdings ist das Vorliegen eines Feststellungsinteresse hier nicht ‒ wie der Kläger zuletzt vertreten hat ‒ schon deshalb entbehrlich, weil es sich bei der von ihm erhobenen Klage um eine bloße Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO handeln würde. Dabei kann dahinstehen, ob auch bei einer Zwischenfeststellungsklage das Feststellunginteresse Prozessvoraussetzung ist. Denn bei der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage handelt es sich nicht um eine bloße Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO. Eine solche kann allein in einem bereits anhängigen Rechtsstreit erhoben werden mit dem Ziel der Feststellung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Hauptverfahrens ganz oder zum Teil abhängt (Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 256 Rn. 6). An einem solchen, zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage zwischen den Parteien bereits anhängig gewesenen Hauptsachverfahren fehlt es vorliegend.
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(2)
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Der Kläger hat jedoch in hinreichender Weise Umstände dargetan, aus denen sich ergibt, dass er im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hat.
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Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist regelmäßig gegeben, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die beklagte Partei ihre Schadensersatzverpflichtung bestreitet und das von der klagenden Partei angestrebte Feststellungsurteil dazu geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der vom Kläger im Justizverwaltungsverfahren geltend gemachte Anspruch auf Ersatz seiner Verteidigergebühren wurde von der Generalstaatsanwältin in Hamm mit Bescheid vom 02.05.2019 mit der Begründung, dass der Kläger diesen nicht durch Vorlage einer nach den Vorschriften des RVG erstellten Honorarabrechnung beziffert habe, zurückgewiesen, ohne sich mit den vom Kläger im Schreiben vom 08.01.2019 angeführten Gründen für den von ihm gestellten Feststellungsantrag auseinandergesetzt zu haben. Das vom Kläger angestrebte Feststellungsurteil ist dazu geeignet, die damit aus seiner Sicht bestehende Ungewissheit über die Verpflichtung des beklagten Landes zum Ersatz der ihm durch die Durchsuchungsmaßnahme verursachten Verteidigerkosten zu beseitigen.
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(3)
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Dem Kläger kann das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass er den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der ihm durch die Durchsuchungsmaßnahme verursachten Verteidigerkosten auch im Wege der Leistungsklage geltend machen könne.
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Dass infolge der Durchsuchungsmaßnahme zu Lasten des Klägers überhaupt Verteidigerkosten angefallen, ergibt sich für den Senat bereits mit hinreichender Sicherheit aus der handschriftlich verfassten Notiz über den Verlauf der Durchsuchung am 24.10.2017 des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal, welche sich in dem blauen Anlageordner der beigezogenen Ermittlungsakten 355 Js 1/17 (126) StA Bochum befindet. Danach hat der Kläger sich während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme um 13:25 Uhr telefonisch mit seinem Rechtsbeistand P in Verbindung gesetzt. Dass bei diesem Telefonat entsprechend dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 27.12.2019 eine ‒ möglicherweise auch stillschweigende ‒ Mandatierung Rechtsanwalts P als Strafverteidiger erfolgt ist mit dem Auftrag der Beratung des Klägers hinsichtlich der Durchsuchungsmaßnahme und der daran gebotenen Mitwirkung seinerseits, kann danach aus Sicht des Senats nicht ernsthaft in Zweifel stehen, zumal P sich nur wenige Tage nach der Durchsuchungsmaßnahme mit Schriftsatz vom 07.11.2027 bei der Staatsanwaltschaft Bochum als Verteidiger des Kläger gemeldet und um Einsicht in die Ermittlungsakten gebeten hat.
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Auf eine klageweise Geltendmachung der durch die telefonische Kontaktierung von Rechtsanwalt P verursachten Verteidigerkosten im Wege der Leistungsklage müsste sich der Kläger aber nur dann verweisen lassen, wenn ihm deren Bezifferung schon zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage möglich und zumutbar gewesen wäre. Beides ist nicht der Fall. Denn wie das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger nach §§ 2 und 7 StrEG Ersatz seiner Verteidigerkosten allein in Höhe der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG verlangen (BGH, Urteil vom 11.11.1976, III ZR 17/76 ‒ Rz. 36-37). Nach seinem unwiderlegten Sachvortrag wurde dem Kläger aber von Rechtsanwalt P bislang keine Abrechnung der Verteidigertätigkeit nach dem RVG erteilt. Vielmehr ergibt sich aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.12.2019 vorgelegten Rechnungen der X AG Steuerberatungsgesellschaft vom 31.03.2018 und 30.06.2018, dass Rechtsanwalt P die von ihm im Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme entfalteten Tätigkeiten offenbar auf Stundenlohnbasis abgerechnet wissen will. Denn mit der zuletzt erteilten Rechnung wird von der X AG Steuerberatungsgesellschaft auch für die „Begleitung der Durchsuchungsmaßnahme“ durch Rechtsanwalt P ein Honorar auf Stundenlohnbasis geltend gemacht.
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Dem Kläger ist es entgegen dem angefochtenen Urteil des Landgerichts auch nicht zumutbar, die von ihm geltend gemachten Verteidigerkosten unter Berücksichtigung der konkreten von Rechtsanwalt P entfalteten Tätigkeiten unter Anwendung des RVG selbst (fiktiv) zu beziffern. Denn bei den dabei in Betracht zu ziehenden Gebührentatbeständen der Nr. 4100, 4104 und 4141 RVG handelt es sich um sog. Rahmengebühren, deren genaue Höhe gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG von dem Rechtsanwalt nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, weshalb der Anspruch nach § 7 Abs. 1 StrEG von dem Entschädigungsberechtigten grundsätzlich erst nach Rechnungslegung durch den Strafverteidiger beziffert werden kann. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt P für dessen Hinzuziehung als Verteidiger zu der Durchsuchungsmaßnahme, wie das Landgericht gemeint hat, eine Honorarvereinbarung abgeschlossen worden wäre und dem Kläger schon deswegen kein Anspruch gegen Rechtsanwalt P auf Erteilung einer Honorarabrechnung nach dem RVG zustünde. Davon kann indes derzeit nicht als sicher ausgegangen werden. Denn nach den unwidersprochen gebliebenen Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz ist der Umfang der Rechtsanwalt P zustehenden Verteidigervergütung und deren Rechtsgrundlage zwischen diesem und dem Kläger streitig. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Berufungsvorbringen des Klägers wird deswegen derzeit zwischen ihm und P ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Dresden geführt. Vor diesem Hintergrund kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass nach Abschluss dieses Verfahren dem Kläger von Rechtsanwalt P für die von ihm im Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme entfalteten Verteidigertätigkeiten doch noch eine Honorarrechnung nach dem RVG erteilt werden wird und dabei von ihm Rahmengebühren abweichend von der Mittelgebühr angesetzt werden.
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c)
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Soweit der Kläger sein Feststellungsbegehren auf einen Anspruch aus §§ 2 und 7 StrEG stützt, sind auch die dafür geltenden weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt.
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Insoweit ist vom Zivilgericht ist zu prüfen, ob bezüglich des Streitgegenstandes des Betragsverfahrens das Justizverwaltungsverfahren nach § 10 StrEG stattgefunden hat und abgeschlossen ist, ob der Anspruch binnen der 6-Monatsfrist des § 10 Abs. 1 StrEG bei der Justizverwaltungsbehörde geltend gemacht wurde, ob die absolute Ausschlussfrist des § 12 StrEG beachtet wurde und ob die Klagefrist des § 13 StrEG eingehalten ist. Fehlt es an einem dieser formellen Erfordernisse, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (Meyer, a.a.O. § 13 Rn. 12 f.). Die Voraussetzungen sind vorliegend jedenfalls hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten bereits entstandenen Verteidigerkosten sämtlich erfüllt.
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Die 6-Monatsfrist des § 10 Abs. 1 S. 1 StrEG begann vorliegend mit der am 06.09.2019 an den Kläger erfolgten Zustellung des Schreibens des Staatsanwaltschaft Bochum vom 03.09.2018, mit welchem der Kläger über die einzuhaltende Sechsmonatsfrist belehrt wurde (§ 10 Abs. 1 S. 4 StrEG), zu laufen. Sie endete daher erst mit Ablauf des 06.03.2019. Bereits zuvor hatte der Kläger mit seinem Schreiben vom 03.07.2018 bei der Staatsanwaltschaft geltend gemacht, wegen des Ermittlungsverfahrens Rechtsanwalt P als Verteidiger mandatiert zu haben. Mit weiteren Schreiben vom 08.08.2018 hatte er ausgeführt, dass sein Schaden in dem Verteidigerhonorar bestehe, das er zur Zeit nicht verbindlich beziffern könne, weil momentan unklar sei, ob es sich nach einer Gebührenvereinbarung oder nach dem RVG richte. Auch in seinen nachfolgenden Schreiben vom 08.01.2019 und 04.03.2019 wurden vom Kläger als Vermögensschaden (allein) die Verteidigerkosten geltend gemacht. Damit war der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden in so hinreichender Weise konkretisiert, dass die Generalstaatsanwältin in Hamm wegen des vom Kläger gestellten Feststellungsantrages in eine Schlüssigkeitsprüfung eintreten konnte. Mit ihrer anschließenden Entscheidung vom 02.05.2019, mit der der vom Kläger hinsichtlich seiner Verteidigerauslagen geltend gemachte Entschädigungsanspruch zurückgewiesen wurde, hat dann das Justizverwaltungsverfahren seine Beendigung gefunden.
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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass wegen der vom Kläger im Justizverwaltungsverfahren (allein) geltend gemachten Verteidigerkosten auch die absolute Ausschlussfrist des § 12 StrEG gewahrt ist.
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Gleiches gilt für die dreimonatige Klagefrist des § 13 Abs. 1 S. 2 StrEG, bei der es sich um eine Ausschlussfrist handelt und die vorliegend mit der am 13.05.2019 beim Kläger erfolgten Zustellung der ablehnenden Entscheidung der Generalstaatsanwältin vom 02.05.2019 zu laufen begann. Die Klagefrist endete entsprechend mit Ablauf des 13.08.2019. Bereits zuvor ging am 10.08.2019 per Telefax die vom Kläger erhobene Feststellungsklage beim Landgericht Dortmund ein. Diese wurde zwar dem beklagten Land erst am 25.09.2019 zugestellt. Die Zustellung ist aber aus den bereits vom Landgericht auf Seite 6 und 7 des angefochtenen Urteils im Einzelnen dargelegten Gründen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt und wirkt damit auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück.
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Die Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage reichte auch ‒ und zwar ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2016, III ZR 200/15 ‒ Rz. 18) ‒ zur Wahrung der Frist des § 13 StrEG aus (Cornelius: a.a.O. § 13 StrEG, Rn. 1; OLG Bamberg, a.a.O. ‒ Rz. 20 juris).
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Entgegen der Ansicht des beklagten Landes fehlt es vorliegend auch nicht deshalb an einer wirksamen Klageerhebung, weil der vom Kläger mit der Klageschrift vom 09.08.2010 gestellte Klageantrag noch zu unbestimmt gewesen wäre. Bereits die Klageschrift vom 09.08.2019 entsprach den wesentlichen Formerfordernissen des § 253 ZPO, insbesondere enthielt sie einen hinreichend bestimmten Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dass sich diesem selbst nicht entnehmen ließ, für welche konkrete Strafverfolgungsmaßnahme der Kläger die Feststellung der Entschädigungspflicht des beklagten Landes nach dem StrEG und ggfls. Anderen Rechtsvorschriften begehrt, ist unschädlich gewesen. Denn nach allgemeiner Ansicht ist der Klageantrag anhand der Klagebegründung auslegungsfähig (vgl. nur Greger in: Zöller, Kommentar zur ZPO 33. Auflage 2020, § 253 Rn. 13 m.w.Nw.). Aus ihr ergab sich hier, dass der Kläger die Feststellung der Entschädigungspflicht des beklagten Landes für die am 24.10.2017 vollzogene Durchsuchungsmaßnahme begehrte.
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2. In der Sache ist die Feststellungsklage nur teilweise begründet.
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Der Feststellungsantrag ist allein insoweit begründet, als dass in ihm als Minus das Begehren des Klägers enthalten ist, die grundsätzliche Verpflichtung des beklagten Landes festzustellen, ihn von den zu seinen Lasten durch die Durchsuchungsmaßnahme vom 24.10.2017 verursachten Verteidigerkosten freizustellen, wobei sich die Freistellungsverpflichtung des beklagten Landes auf die nach dem RVG abrechenbaren Gebühren und Auslagen beschränkt und auch hinsichtlich dieser, soweit mit ihnen nicht nur die Verteidigung des Klägers gegen die Durchsuchungsmaßnahme sondern auch dessen sonstige Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren 355 Js 1/17 (126) StA Bochum abgegolten wird oder würde, nur auf den Anteil, der dem Anteil der Verteidigung gegen die Durchsuchungsmaßnahme an der gesamten Verteidigung des Klägers in dem Ermittlungsverfahrens 355 Js 1/17 (126) StA Bochum entspricht. Allein insoweit ist das Feststellungsbegehren des Klägers dem Grunde nach aus §§ 2 und 7 StrEG begründet. Wegen seines darüber hinausgehenden Feststellungsbegehrens ist die Klage unbegründet.
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a)
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Aufgrund der vom Amtsgericht Bochum mit Beschluss vom 24.07.2018 (64 GS 2430/18 (355 Js 1/7) getroffenen Grundentscheidung, welche seit dem 09.08.2018 rechtskräftig ist, steht mit Bindungswirkung für den Senat fest, dass der Kläger für die am 24.10.2017 bei ihm durchgeführte Durchsuchungsmaßnahme, die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG eine andere Strafverfolgungsmaßnahme i.S.d. § 2 Abs. 1 StrEG darstellt, für etwaige von ihm durch den Vollzug der Strafverfolgungsmaßnahme erlittene Vermögensschäden aus der Staatskasse zu entschädigen ist (vgl. Meyer, a.a.O. Vorbem. §§ 10-13 Rn. 5).
44
Aus den bereits oben unter C. 1. B) cc) (3) dargelegten Gründen ist vom Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt und nachgewiesen worden, dass durch die während der Durchsuchungsmaßnahme erfolgte telefonische Kontaktierung von Rechtsanwalt P zu seinen Lasten infolge der Durchsuchungsmaßnahme Verteidigerkosten entstanden sind. Diese stellen einen nach § 7 StrEG erstattungsfähigen Vermögensschaden dar, weil das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren am 04.04.2018 von der Staatsanwaltschaft Bochum nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde und die Kostenvorschriften der Strafprozessordnung für diesen Fall die Möglichkeit einer prozessualen Erstattung dieser Auslagen nicht vorsehen (BGH, Urteil vom 11.11.1976, III ZR 17/76 ‒ Rz. 12 juris).
45
Allerdings kann der Kläger nach den §§ 2 und 7 StrEG für seine Verteidigerkosten vom beklagten Land nur eine Entschädigung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen verlangen. Eine etwaig vereinbarte höhere Anwaltsvergütung ist nach diesen Vorschriften nicht zu entschädigen (BGH, a.a.O. ‒ Rz. 36 bis 38). Auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen können vom Kläger, soweit mit ihnen nicht nur die vom Verteidiger im Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme entfalteten Tätigkeiten, sondern zugleich auch die von ihm vor und/oder nach der Durchsuchungsmaßnahme im Ermittlungsverfahren 355 Js 1/17 (126) StA Bochum entfalteten Tätigkeiten pauschal abgegolten werden, nicht in voller Höhe erstattet verlangt werden. Für diese Gebühren und Auslagen, zu denen auch die vom Kläger auf Seite 5 der Berufungsbegründung vom 17.04.2020 genannten Gebührentatbestände und Auslagen gehören dürften, steht dem Kläger allein eine anteilige Entschädigung zu, die dem Anteil der Verteidigung gegen die Durchsuchungsmaßnahme an der gesamten Verteidigung des Klägers in dem Ermittlungsverfahren 355 Js 1/17 (126) StA Bochum durch P entspricht (BGH, a.a.O. ‒ Rz. 39). Entsprechend war der Feststellungsausspruch inhaltlich zu beschränken.
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b)
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Das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren des Klägers ist unbegründet.
48
Dem Kläger steht gegen das beklagte Land weder ein weitergehender Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch wegen der ihm durch die Durchsuchungsmaßnahme bereits entstandenen Verteidigerkosten, noch ein Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch wegen „noch entstehenden Verteidigungsauslagen“ und „sonstigen Vermögensschäden“ zu.
49
Hinsichtlich der dem Kläger durch die Durchsuchungsmaßnahme bereits entstandenen Verteidigerkosten ist die Entschädigungspflicht des beklagten Landes aus §§ 2 und 7 StrEG aus den bereits vorstehend unter Ziffer 1 genannten Grunde dem Grunde nach auf dem im Urteilstenor bezeichneten Umfang beschränkt. Ein Entschädigungsanspruch aus § 2 und 7 StrEG wegen der im Feststellungsantrag des Klägers genannten „noch entstehenden Verteidigungsauslagen“ und „sonstigen Vermögensschäden“ scheitert hingegen bereits daran, dass solche vom Kläger im Justizverwaltungsverfahren nicht geltend gemacht wurden und es damit ihrer wegen bereits an der für die Zulässigkeit des Betragsverfahrens erforderlichen Durchführung des Justizverwaltungsverfahrens fehlt (vgl. dazu: Meyer, a.a.O. § 13 Rn. 15).
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Dem Kläger stehen insoweit auch keine weitergehenden Ansprüche aus den von ihm mit der Berufung ausdrücklich weiterverfolgten, aber nicht näher bezeichneten „konkurrierenden“ Anspruchsgrundlagen zu. Als solche käme vorliegend allenfalls § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Allerdings scheitert ein Amtshaftungsanspruch vorliegend bereits an dem Fehlen einer haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung des beklagten Landes. Denn es ist weder vom Kläger dargelegt worden, noch sonst ersichtlich, weshalb die bei ihm am 24.10.2017 durchgeführte Durchsuchungsmaßnahme rechtswidrig und damit amtspflichtwidrig sein sollte. Eine Amtspflichtverletzung des beklagten Landes könnte vorliegend allenfalls darin zu sehen sein, dass die von der Generalstaatsanwältin in Hamm im Justizverwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung, dass in dem Entschädigungsverfahren nach dem StrEG nur ein bezifferter Vermögensschaden ersetzt verlangt werden könne, aus den vorstehend dargelegten Gründen jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend gewesen ist. Allerdings fehlt es an jeglichem näheren Vortrag des Klägers dazu, ob und auf welche Weise ihm durch diese denkbare Amtspflichtverletzung „Verteidigungsauslagen“ oder derzeit für ihn noch nicht bezifferbare „sonstige Vermögensschäden“ entstanden sein sollen.
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II.
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53
Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren nur teilweise obsiegt und der vom Senat ausgeurteilte Feststellungsausspruch für den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich hinter dessen Feststellungsbegehren zurückbleibt. Dies gilt nicht nur für die vom Feststellungsbegehren des Klägers mitumfassten „noch entstehenden Verteidigungsauslagen“ und „sonstigen Vermögensschäden“, sondern auch für die durch die Durchsuchungsmaßnahme bereits entstandenen Verteidigungsauslagen. Denn auch diese wird der Kläger im Betragsverfahren nicht in voller Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem RVG, sondern nach Einschätzung des Senats nur zu einem geringen Anteil ersetzt verlangen können. Der vom Kläger angeführte Gesichtspunkt, dass die Generalstaatsanwältin durch die Zurückweisung des von ihm im Justizverwaltungsverfahren gestellten Feststellungsantrages die Erhebung der vorliegenden Feststellungsklage veranlasst habe, ist für die Kostenentscheidung ohne Relevanz. Denn der vom Kläger zu tragende Kostenanteil rechtfertigt sich daraus, dass sein im vorliegenden Rechtsstreit gestellter Feststellungsantrag zum überwiegenden Teil unbegründet ist.
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Die durch seine Säumnis im Verhandlungstermin am 09.10.2020 veranlassten Kosten hat der Kläger gemäß § 347 ZPO allein zu tragen, weil das an diesem Tag verkündete Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist. Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 05.10.2020 gestellten Antrag auf Terminverlegung oder Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung (§ 128 a ZPO) war aus dem im Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 07.10.2020 dargelegten Gründen nicht zu entsprechen. Gesichtspunkte, die Anlass zu einer hiervon abweichenden Beurteilung hätten geben müssen, waren dem weiteren Schriftsatz des Klägers vom 08.10.2020 nicht zu entnehmen.
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II.
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