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  • 14.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222901

    Landgericht Fulda: Beschluss vom 28.01.2021 – 5 T 212/20

    Aus dem Rechtsgedanken des § 249 Abs.3 ZPO ergibt sich, dass das Gericht bei einem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen Versterbens der anwaltlich vertretenen Partei nicht gehindert ist, eine Entscheidung über die Kosten nach § 91a ZPO zu treffen, wenn vor einer Entscheidung über die Aussetzung der Rechtsstreit bereits übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.


    LG Fulda
    5. Zivilkammer

    28.01.2021


    Tenor

    Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Fulda vom 17.11.2020 wie folgt abgeändert:

    Die Kosten des Rechtsstreits sind von der Beklagten zu 1. und dem/den Rechtsnachfolger(n) der Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu tragen.

    Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegner jeweils zur Hälfte zu tragen.

    Gründe

    I.

    Die Kläger begehrten von den Beklagten Räumung einer Mietwohnung. Nach Zustellung der Klage verstarb die Beklagte zu 2. Daraufhin beantragte der Beklagtenvertreter, „das Ruhen des Verfahrens“. Eine förmliche Entscheidung über diesen Antrag erging nicht. Allerdings wies der Amtsrichter im Rahmen einer Terminsverlegung daraufhin, dass die Aussetzung des Verfahrens nur gegenüber der Beklagten zu 2. eingetreten sei (Bl. 130 d. A.). Nachdem die Beklagte zu 1. aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen war, erklärten die Parteienvertreter den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

    Mit angefochtenem Beschluss vom 17.11.2020 hat das Amtsgericht Fulda die Kosten des Rechtsstreits „der Beklagten“ auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass zumindest aufgrund des unstreitigen Mietrückstandes eine wirksame Kündigung erfolgt sei. Soweit die Beklagten sich auf eine Mietminderung berufen hätten, griffe dies nicht. Die Beklagten hätten eingeräumt, dass die Heizungsanlage nach durch die Kläger veranlasstem Umbau funktioniert habe. Auch die unerlaubte Gartennutzung stelle einen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

    Der Beschluss ist dem Beklagtenvertreter unter dem 19.11.2020 zugestellt worden. Mit am 25.11.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagtenvertreter im Namen der Beklagten zu 1. sofortige Beschwerde erhoben. Er begehrt die Aufhebung des Kostenbeschlusses und stützt dies auf die Ansicht, das Verfahren habe wegen des Todes der vormals Beklagten zu 2. ruhen müssen, bis Rechtsnachfolger bekannt und dem Gericht mitgeteilt seien. Zumindest sei unklar, wer nun die Kosten zu tragen habe. Es sei unbillig, die Kosten der Beklagten zu 1. allein aufzuerlegen, allenfalls käme eine Kostenlast der Beklagten zu 1. und der Rechtsnachfolger der Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner in Betracht.

    Das Amtsgericht hat die Sache ohne förmliche Abhilfeentscheidung der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

    Auch wenn im Unterbleiben einer Abhilfeentscheidung vorliegend aufgrund des erheblichen neuen Vorbringens, was im Ausgangsbeschluss keinerlei Niederschlag gefunden hat, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt, sieht die Kammer aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise von einer Zurückverweisung der Sache zwecks Durchführung des Abhilfeverfahrens an das Ausgangsgericht ab.

    Die Beschwerde der Beklagten zu 1. hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Kosten nicht von der Beklagten zu 1. allein, sondern von der Beklagten zu 1. und den Rechtsnachfolgern der Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu tragen sind (§ 100 Abs.4 ZPO). In der Hauptsache bestand Gesamtschuldnerschaft.

    Demgegenüber kam eine Aufhebung der Kostenentscheidung aufgrund Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht. § 239 Abs.1 ZPO regelt, dass mit dem Tod einer Partei die Unterbrechung des Rechtsstreits bis zur Aufnahme durch die Rechtsnachfolger eintritt. Ist die verstorbene Partei anwaltlich vertreten, wird § 239 ZPO durch § 246 ZPO verdrängt. An die Stelle der Unterbrechung tritt auf Antrag eine Aussetzung des Verfahrens. Zwar hat der Beklagtenvertreter vorliegend die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Eine solche ist jedoch nicht eingetreten. Denn die Aussetzungswirkung tritt erst mit Verkündung bzw. Bekanntgabe eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses ein (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 246, Rn.4, § 248 Rn. 2). Ein solcher ist vorliegend nicht ergangen, da das Amtsgericht unzutreffenderweise davon ausgegangen ist, dass die Aussetzung mit Antragstellung eintritt und diese unzutreffende Ansicht im Rahmen der Terminsverlegung bekannt gegeben hat. Eine eigene Unterbrechungsentscheidung liegt in dieser Verfügung ersichtlich nicht.

    Nachdem der Beklagtenvertreter in der Folge eine Erledigungserklärung abgegeben hat und auch der Ankündigung des Gerichts, über die Kosten im Beschlusswege zu entscheiden nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass der zunächst gestellte Aussetzungsantrag konkludent zurückgenommen wurde. Denn durch sein Verhalten hat der Beklagtenvertreter zu erkennen gegeben, dass aus seiner Sicht einer abschließenden Entscheidung über die Kosten nichts entgegensteht und die zunächst begehrte Unterbrechung nicht mehr erforderlich sei. Im Übrigen dürfte eine Kostengrundentscheidung vorliegend auch gem. § 249 Abs.3 ZPO analog trotz Vorliegens der Voraussetzung einer Aussetzung zulässig gewesen sein. Denn die Entscheidung nach § 91a ZPO war an Hand des bei Abgabe der Erledigungserklärung bestehenden Sach- und Streitstandes zu treffen. Eine etwaige Einflussnahme auf die Entscheidung durch die Rechtsnachfolger der Beklagten zu 2. war daher ausgeschlossen, so dass die Situation derjenigen nach Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht. Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass trotz Vorliegen der Voraussetzungen einer Aussetzung über die Kosten entschieden wurde, da die Entscheidung selbst im Falle der Aussetzung noch zulässig gewesen wäre.

    Die Kostenentscheidung erweist sich allerdings in der Sache aus den eingangs dargelegten Erwägungen als unzutreffend und war daher entsprechend zu korrigieren.

    Die Kostenentscheidung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 92 ZPO und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde lediglich in ihrem „Hilfsbegehren“ Erfolg hatte.

    RechtsgebietZivilprozessrechtVorschriften§ 91a, § 239, § 246 ZPO