05.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225060
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 06.08.2021 – 25 W 103/21
Zu den Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs zählt regelmäßig nur die Einigungsgebühr; diese Kosten zählen nur dann zu den ggf. zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien dies vereinbart haben. Anderenfalls gilt § 98 S. 1 ZPO.
Anderes gilt für eine in diesem Zusammenhang entstandene Terminsgebühr. Diese ist in der Regel den Rechtsmittelkosten zuzuordnen.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.05.2021 wird unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 12.05.2021 abgeändert, und zwar dahingehend, dass auf Grund des Beschlusses des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.12.2020 von der Beklagten (lediglich)
1 215,60 EUR - eintausendzweihundertfünfzehn Euro sechzig Cent -
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 02.03.2021 an die Klägerin zu erstatten sind.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin zu 52%, die Beklagte zu 48%.
Die Gebühr KV 1812 der Anl. 1 zum GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
Die Rechtsbeschwerde wird im Umfang der Zurückweisung der Beschwerde zugelassen.
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Gründe:
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I.
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Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Termins- und Einigungsgebühr nach außergerichtlichem Vergleich und anschließender Berufungsrücknahme.
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Zugrunde liegt ein Rechtsstreit, in dem die Klägerin den restlichen Kaufpreis für die Übertragung von Hausverwaltungseinheiten von der Beklagten verlangte. Durch am 24.09.2020 verkündetes Urteil des Landgerichts Dortmund wurde die Beklagte unter Klagerückweisung im Übrigen zur Zahlung eines Teilbetrages verurteilt; i.H. eines weiteren Betrages wurde die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Aus Anlass einer privaten Kontaktaufnahme des Geschäftsführers der Klägerin zu einem Vorstand der Beklagten unterbreitete der Beklagtenvertreter der Klägerin mit Schriftsatz vom 09.11.2020 (Bl. 352 f.) ein Vergleichsangebot. Hierüber wurde sodann zwischen den Prozessbevollmächtigten telefoniert. Mit Schriftsatz vom 03.12.2020 (Bl. 354 f.) fasste der Beklagtenvertreter den Abwicklungsvorschlag zusammen; der Klägervertreter bestätigte mit Schriftsatz vom 08.12.2020 (Bl. 256) den Vergleichsschluss. Wie vereinbart nahm die Beklagte im Anschluss die Berufung mit Schriftsatz vom 10.12.2020 zurück. Am 17.12.2020 erließ der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts einen Kosten- und Verlustigkeitsbeschluss.
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Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.02.2021 wurde zunächst antragsgemäß nur die Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale zugunsten der Klägerin festgesetzt. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 01.03.2021 (Bl. 333) i.V.m. dem Schriftsatz vom 16.03.2021 (Bl. 343) beantragte die Klägerin darüber hinaus unter Hinweis auf den abgeschlossenen Vergleich die Nachfestsetzung einer Termins- und einer Einigungsgebühr. Die Rechtspflegerin setzte diese durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.05.2021 (Bl. 362 ff.) fest mit der Begründung, durch die Kostenentscheidung vom 17.12.2020 sei vollständig über die Kosten des Verfahrens entschieden worden und damit auch über die Kosten der Vergleichsgebühr.
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Gegen diesen ihr am 20.05.2021 zugestellten (Bl. 369) Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.05.2021, eingegangen am 31.05.2021 (Bl. 371 ff.), sofortige Beschwerde eingelegt. Über die Kostentragung für den Vergleich sei keine Regelung getroffen worden, so dass § 98 ZPO zur Anwendung komme und jede Partei ihre Kosten selbst trage.
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Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 10.06.2021 unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Die Einzelrichterin des Senats hat den Klägervertreter durch Schreiben vom 25.06.2021 auf die nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung gegebene Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde hingewiesen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidungen BGH NJW 2009, 519, 520 Rn. 7 ff.; 2011, 1680 Rn. 10 hat sie ausgeführt, dass zu den Kosten des Rechtsmittels Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs nur bei entsprechender Parteivereinbarung gehörten; anderenfalls gelte § 98 S. 1 ZPO, wonach die Kosten des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen seien. Eine Vereinbarung zu den außergerichtlichen Kosten sei nicht erkennbar.
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Die Klägerin meint, dass mit der vorgenannten Argumentation nur die Einigungs-, nicht aber die Terminsgebühr entfalle, und beantragt hilfsweise deren Festsetzung.
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Die Beklagte nimmt dahingehend Stellung, dass auch die Terminsgebühr mangels Vereinbarung nicht zu ersetzen sei. Eine Kostenregelung sei im Vergleich nicht vereinbart. Für ihren Prozessbevollmächtigten sei klar gewesen, dass die Beklagte aufgrund der Berufungsrücknahme die Kosten der Rücknahme zu tragen habe. Das sei einkalkuliert und intern im Verhältnis zum Vorstand der Beklagten so kommuniziert worden.
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Die Einzelrichterin des Senats hat durch Beschluss vom 06.08.2021 das Verfahren zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
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II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
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Die Klägerin kann nicht die Erstattung der Einigungsgebühr, wohl aber die Erstattung der Terminsgebühr verlangen, die nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3202 VV RVG durch das unstreitig im Vorfeld des Schriftsatzes vom 03.12.2020 zwischen den Prozessbevollmächtigten geführte Telefonat entstanden ist, das auf die Erledigung des Berufungsverfahrens und des Rechtsstreits insgesamt gerichtet war.
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1.
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Grundlage der Kostenerstattung ist der Beschluss des 2. Zivilsenats vom 17.12.2020, wonach die Beklagte die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen hat.
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2.
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Haben die Parteien, wie im vorliegenden Fall, einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, so gehören die Kosten eines solchen außergerichtlichen Vergleichs nur dann zu den zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits, wenn die Parteien das vereinbart haben; anderenfalls gilt § 98 S. 1 ZPO, wonach die Kosten des Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind (BGH NJW 2009, 519, 520 Rn. 7 ff.; 2011, 1680 Rn. 10). Dieser Maßstab gilt in gleicher Weise für die Kosten des Rechtsmittels, das verfahrensrechtlich einen Ausschnitt des Rechtsstreits darstellt.
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3.
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Zu den Kosten des außergerichtlichen Vergleichs, die nach § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben gelten, zählt jedoch nur die Einigungsgebühr, während die Terminsgebühr den Rechtsmittelkosten zuzuordnen ist.
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a)
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Wäre es nicht zum Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs gekommen, die Berufung aber aus anderen Gründen zurückgenommen worden, so wäre die Terminsgebühr ohne weiteres im Rahmen der Kosten des Rechtsstreits erstattungsfähig (vgl. BGH NJW-RR 2007, 286). Ganz allgemein gilt, dass die durch ein Vermeidungs- oder Erledigungsgespräch entstandene Terminsgebühr als Kosten des Rechtsstreits festsetzungsfähig ist, sofern die Erfüllung des Gebührentatbestandes festgestellt werden kann (BGH NJW-RR 2007, 787 Rn. 8). Die Möglichkeit, die Terminsgebühr für außergerichtliche Besprechungen im Kostenfestsetzungsverfahren in Ansatz zu bringen, entspricht der Absicht des Gesetzgebers, das Bemühen der Rechtsanwälte zu honorieren, durch Mitwirkung an Besprechungen auch ohne gerichtliche Beteiligung eine möglichst frühe, der Sach- und Rechtslage entsprechende Beendigung des Verfahrens zu erreichen (BGH a. a. O. Rn. 9; BT-Drs. 15/1971 S. 209). Mit der Ausweitung des Gebührentatbestandes der Terminsgebühr gegenüber der früheren Verhandlungs- und Erörterungsgebühr wollte der Gesetzgeber aus Zeit- und Kostengründen die bis dahin übliche Praxis vermeiden, einen von den Parteien bereits ausgehandelten Vergleich in einem gerichtlichen Verhandlungstermin erst nach Erörterung der Sach- und Rechtslage protokollieren zu lassen, um eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr auszulösen (BGH a. a. O.; BT-Drs. a. a. O.). Damit korrespondiert es, die Terminsgebühr, wie es für die vormalige Erörterungsgebühr außer Frage stand, als Kosten des Rechtsstreits zu behandeln (BGH NJW-RR 2007, 1149 Rn. 14).
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b)
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Es ist nicht ersichtlich, warum sich an dieser Beurteilung etwas ändern sollte, wenn es aufgrund des Erledigungsgesprächs zum Vergleichsabschluss kommt. Die Zuordnung der Terminsgebühr zu den Kosten des Vergleichs liegt in einem solchen Fall nicht näher. Der Vergleichsabschluss ist für die Terminsgebühr nicht ursächlich, denn sie entsteht bereits durch die Mitwirkung an der Besprechung unabhängig davon, ob die Parteien sich tatsächlich einigen; umgekehrt ist ein Vergleichsabschluss auch möglich, ohne dass eine Terminsgebühr entsteht, wenn etwa die Prozessbevollmächtigten nur schriftlich darüber korrespondieren.
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4.
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Eine mögliche von diesen Grundsätzen abweichende Vereinbarung zu den Kosten des außergerichtlichen Vergleichs haben die Parteien nicht getroffen. Eine ausdrückliche Vereinbarung wird aus dem vorgeschlagenen Vergleich gemäß Schriftsatz vom 03.12.2020 nicht erkennbar und ist auch von keiner der Parteien vorgetragen. Soweit die Beklagte meint, für ihren Prozessbevollmächtigten sei klar, einkalkuliert und gegenüber dem Vorstand der Beklagten kommuniziert gewesen, dass sie lediglich die Kosten der Rücknahme zu tragen hatte, handelt es sich bereits nach eigenem Vortrag um eine einseitige Erwartungshaltung, die für sich allein keine anderweitige Handhabung der Kosten in Bezug auf die Terminsgebühr rechtfertigt.
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5.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. dem Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens. Dem trägt auch die Reduzierung der Gebühr Nr. 1812 der Anl. 1 zum GKG auf die Hälfte Rechnung.
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6.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 ZPO.
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Auch wenn der BGH in seinem Beschluss vom 15.03.2011 (VI ZB 45/09, NJW 2009, 519) die Terminsgebühr wie die Einigungsgebühr als Kosten des außergerichtlichen Vergleichs behandelt hat, sieht der Senat in der vorliegenden Entscheidung, die Terminsgebühr den Kosten des Rechtsstreits zuzuordnen, keine Abweichung von dieser Rechtsprechung, weil er dem Beschluss des BGH lediglich den tragenden Rechtssatz entnimmt, dass die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs nur dann zu den zu erstattenden Kosten des Rechtsstreits gehören, wenn die Parteien dies vereinbart haben. Unabhängig davon misst der Senat seiner Entscheidung eine grundsätzliche Bedeutung zu, da sich die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage vor dem Hintergrund des vorgenannten Beschlusses als klärungsbedürftig darstellt, sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist.