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  • 10.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226795

    Oberlandesgericht Rostock: Beschluss vom 18.01.2021 – 2 U 8/20

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.




    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Beklagter und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte
    gegen
    ...
    - Klägerin und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    hat das Oberlandesgericht Rostock - 2. Zivilsenat - durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 18.01.2021 beschlossen:
    Tenor:

        1.

        Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25.06.2020, Az.: 4 O 87/18 (2), gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

    Der Senat beabsichtigt zudem, in Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung über die Prozesskosten insgesamt wie folgt zu erkennen:

    "Die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits einschließlich der Beweisaufnahmekosten tragen die Klägerin zu ... und der Beklagte zu .... Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte ... % und die Klägerin ... %."

        2.

        Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

    Gründe

    1. In der Sache hat das Landgericht aus Sicht des Senats den Schadensersatzanspruch der Klägerin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zurecht zuerkannt. Der Beklagte hat die Begriffe "..." und "..." unter Verstoß gegen die im Vergleichswege übernommene Unterlassungspflicht dadurch verwendet, dass er sie im Title-Tag seiner Homepage, jedenfalls aber in den URL-Keywords belassen bzw. geführt hat. Ob sich die Klageforderung vor diesem Hintergrund aus § 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG ergibt, wie das Landgericht angenommen hat und was die Parteien für sich genommen nicht beanstanden, oder - jedenfalls - aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB, kann offenbleiben.

    a) Nach dem Wortlaut des im Vorprozess - Az.: 3 O 583/12 (3) LG Rostock - am 02.09.2013 geschlossenen Vergleiches (Ziffer 5) war der Beklagte verpflichtet, "den Titel der Domain ...-...de" so zu ändern, "dass die Begriffe ... und ... nicht mehr ohne ein weiteres dazwischen liegendes Wort verwendet" werden. "Dies" sollte "auch in Zukunft unabhängig für alle weiteren Veröffentlichungen des Klägers" gelten, ausgenommen lediglich "der User generierte Inhalt" (Anlage K 1 = Band I Blatt 7 d.A.).

    Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige geht in seinem Gutachten vom 23.12.2019 (Seite 8) davon aus, die Wortfolge "...-..." sei neben den URL-Keywords auch im "Titel-Tag" (Title-Tag) verwendet worden. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin - die bis dahin nur unspezifisch von dem (Über-) Begriff der Meta-Tags gesprochen hatte - sich diese ihr objektiv günstige Tatsache als eigenen Sachvortrag zumindest stillschweigend zu Eigen gemacht hat (BGH, Urteil vom 08.01.1991 - VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541 [Juris; Tz. 9]; BGH, Urteil vom 03.04.2001 - VI ZR 203/00, NJW 2001, 2177 [Juris; Tz. 9]; LG Stralsund, Urteil vom 25.02.2011 - 6 O 307/10 [Juris; Tz. 27], m.w.N.), zumal die augenscheinliche Darstellung in den Screenshots aus dem Anlagenkonvolut K 2 (Band I Bl. 9 ff. d.A.) eine Verwendung im Title-Tag erkennbar ausweist (https://www...-...de/...-...-.../). Somit stünde eine Zuwiderhandlung gegen den Vergleich bereits dem Wortlaut nach außer Zweifel. Dass mit der im Vergleich gewählten Formulierung "Titel" abweichend von den in der EDV-Branche gemeinhin üblichen Bezeichnungen nur der eigentliche - für den durchschnittlichen User in jedem Fall und ohne Weiteres unmittelbar sichtbare - Domainname bzw. konkret die Second-Level-Domain als Kernbestandteil des Domainnamens gemeint gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, zumal ein derart enges Verständnis hier schon deshalb ausscheiden muss, weil auch die ursprüngliche Second-Level-Domain - "...-..." - den Begriff "..." nicht enthalten hat.

    Zwar hat der Beklagte in Reaktion auf das Gutachten mit Schriftsatz vom 29.05.2020 (Band II Blatt 43 f. d.A.) wohl zum Ausdruck gebracht, eine Verwendung der Begriffsfolge "...-..." im Bereich des Title-Tags bestreiten zu wollen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Er hat hierbei aber erstens die Authentizität der im Anlagenkonvolut K 2 enthaltenen und die Verwendung im Title-Tag belegenden Screenshots als solche nicht in Abrede gestellt und vor allen Dingen gleichzeitig die Verwendung (zumindest) im Bereich der URL-Keywords (Quellcode) zugestanden (§ 288 Abs. 1 ZPO). Letztlich stellt auch diese Verwendung einen Verstoß gegen den Vergleich dar. Ausgehend vom maßgeblichen Horizont eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) zielte der Vergleich nämlich darauf ab, dem Beklagten in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Unterlassungspflicht aus § 14 Abs. 5 Satz 1 MarkenG eine kennzeichenmäßige Benutzung umfassend zu untersagen, was insbesondere die Sonderregelung - nur - für nutzergenerierte Netzinhalte unterstreicht. Hierfür aber kommt es nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung nicht auf die Sichtbarkeit für den - durchschnittlichen - Internetnutzer an; auch eine Verwendung nur als verstecktes Suchwort im Quellcode der jeweiligen Homepage stellt vielmehr eine Markenrechtsverletzung dar und löst dementsprechend die gesetzliche Unterlassungspflicht aus (BGH, Urteil vom 18.05.2006 - I ZR 183/03, NJW 2007, 153 = GRUR 2007, 65 [Juris; Tz. 17]; BGH, Urteil vom 30.07.2015 - I ZR 104/14, GRUR 2015, 1223 [Juris; Tz. 23 f.]; Hacker, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 14 Rn. 267, m.w.N.). Folglich ist der Beklagte hier dem Grunde nach schadensersatzpflichtig.

    b) Auch der vom Landgericht im Anschluss an das Sachverständigengutachten konkret zuerkannte Schadensersatzbetrag begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens steht fest, dass selbst bei Zugrundelegung einer insgesamt nur als schwach einzustufenden Verletzungshandlung ein richterlich zu schätzender (§ 287 Abs. 1 ZPO) Schaden jedenfalls nicht hinter dem im Rundungswege zuerkannten Betrag von ... € zurückbliebe. Der Sachverständige ist in Bezug auf die maßgeblichen Parameter - Intensität der Verletzungshandlung, Maß der Verwechslungsgefahr usw. - bereits durchgehend von Größenordnungen ausgegangen, die am unteren Rand einer denkbaren Bandbreite liegen und damit zu Gunsten des Beklagten ausschlagen (GA Seiten 9 f.). Aus den vom Landgericht ausgeführten Gründen bliebe für den Ansatz eines noch niedrigeren Ersatzbetrages selbst dann kein Raum, wenn die lizenzanaloge Berechnung, die der Sachverständige angestellt hat (GA Seiten 10 ff.), als solche nicht herangezogen werden könnte. Die dahingehenden Angriffe der Berufung können daher auf sich beruhen. Selbst wenn man übrigens auch in Bezug auf die Schadenshöhe zu Gunsten des Beklagten abermals von einer Verwendung der Wortfolge "...-..." nur in den URL-Keywords und nicht auch im Title-Tag ausginge, läge zumindest eine nicht gänzlich irrelevante Beeinflussung der Klickrate vor (GA Seite 8); bei dieser Sachlage erscheint der durch das Landgericht zuerkannte Betrag nicht unangemessen.

    2. Für die Kostenentscheidung gilt:

    a) Der Senat ist mit Rücksicht auf §§ 308 Abs. 2, 525 Satz 1 ZPO auch unabhängig von der ausdrücklichen Erstreckung der Berufung auf den Kostenpunkt befugt und gehalten, die erstinstanzliche Kostenentscheidung ungeachtet der vollständigen Erfolglosigkeit des Rechtsmittels in der Sache selbst zu korrigieren (BGH, Beschluss vom 13.06.1995 - V ZR 276/94, NJW-RR 1995, 1211 = MDR 1996, 94 [Juris; Tz. 3]; OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2018 - I-7 U 70/17, NJW-RR 2019, 283 = ZfSch 2019, 77 [Juris; Tz. 37]; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 308 Rn. 9; BeckOK ZPO/Elzer, 39. Edition [Stand: 01.12.2020], § 308 Rn. 42). Das gilt unabhängig von der Entscheidungsform, also auch für den Fall, dass die Berufung - wie hier beabsichtigt - durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen wird (KG, Beschluss vom 20.08.2018 - 8 U 118/17, NZM 2019, 93 [Juris; Tz. 40]; BeckOK ZPO/Elzer, 39. Edition [Stand: 01.12.2020], § 308 Rn. 43, m.w.N.).

    Für die vom Landgericht - ohne nähere Begründung - angeordnete Vorabbelastung des Beklagten mit den gesamten Beweisaufnahmekosten liefert das Gesetz keine Stütze; richtigerweise müssen auch diese Kosten an der für alle weiteren Rechtsstreitskosten ausgeurteilten Quote von ... (Beklagter) zu ... (Klägerin) teilhaben. Ein Fall des § 96 ZPO liegt jedenfalls erkennbar nicht vor. Die Beweisaufnahme ist für die Klägerin - der sie auch oblag - ganz überwiegend erfolglos geblieben, nicht für den Beklagten. Das angefochtene Urteil selbst bezieht sich zur Begründung der Kostenentscheidung auch nicht auf § 96 ZPO, sondern - pauschal - auf § 92 ZPO; die Hinweisverfügung vom 16.04.2020 (Band II Blatt 28 d.A.) rekurriert etwas konkreter auf den "Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO", ohne dies allerdings näher zu erläutern. Eine - direkte oder analoge - Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss jedenfalls dann regelmäßig ausscheiden, wenn die Höhe des mit der Klage begehrten Zuspruches nicht, wie etwa regelmäßig bei Schmerzensgeldklagen, in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, sondern - wie hier - eine konkret bezifferte Forderung "ohne Spielraum" eingeklagt wird und der zuerkannte Betrag hinter dem eingeklagten zurückbleibt (Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 92 Rn. 12, m.w.N.); allenfalls käme hier eine - ggf. entsprechende - Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bei nur geringfügigen Abweichungen von maximal 10 % in Betracht, was vorliegend unzweifelhaft nicht zur Debatte steht. Soweit Rechtsprechung und Schrifttum vereinzelt Ausnahmen zulassen und § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Anwendung bringen, können allenfalls Abweichungen zwischen Antrag und Zuspruch von bis zu 20 % noch als kostenneutral anerkannt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.06.1994 - 22 W 28/94, NJW-RR 1995, 955 [Juris; Tz. 6], m.w.N.); teilweise wird die Grenze auch bei - äußerstenfalls - 33 % gezogen (vgl. Röhl, ZZP 85 [1972], 52 [75 f.]); hier beläuft sich der Teilmisserfolg der Klage hingegen auf über 60 %. Soweit andere Stimmen eine Anknüpfung an starre Prozentsätze generell ablehnen und darauf abstellen, ob die Zuvielforderung auf einem "verständlichen Schätzfehler" beruht (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 92 Rn. 7), ergibt sich kein anderes Ergebnis, denn auch ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

    b) Trotz der absehbaren vollständigen Erfolglosigkeit der Berufung (§ 97 Abs. 1 ZPO) in der Sache sind die Kosten des Berufungsverfahrens in Anwendung von § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO - und zwar im Verhältnis ... (Klägerin) zu ... (Beklagter) - zu quoteln, weil sich die daneben im Raum stehende Anfechtung im Kostenpunkt aus den vorstehend ausgeführten Gründen als erfolgreich darstellt und bei der vorliegenden Sachlage der Streit um die Richtigkeit der erstinstanzlichen Kostenentscheidung einen wesentlichen Punkt des Rechtsmittelbegehrens darstellt (OLG Köln, Urteil vom 12.04.1994 - 22 U 257/93, ZfSch 1994, 362 [Juris; Tz. 4], m.w.N.). Ausgehend von erstinstanzlichen Beweisaufnahmekosten in Höhe von etwa 2.955,00 € (vgl. Band I Blatt 151 d.A.) und einem fiktiven Gesamtberufungswert (vgl. OLG Köln, a.a.O.) von ... €, bestehend aus Hauptsache (... €) einerseits und einem ...-Anteil an den vorbezeichneten Beweisaufnahmekosten, also (etwa) ... € andererseits, ergibt sich eine Obsiegensquote des Beklagten von - gerundet - ... %.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 308 Abs. 2; § 522 Abs. 2; § 525 S. 1 ZPO