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  • 11.01.2022 · IWW-Abrufnummer 226808

    Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 22.11.2021 – 9 W 33/20

    Die Kosten eines während eines laufenden Rechtsstreits für eine Partei eingeleiteten Betreuungsverfahrens sind grundsätzlich nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO. Das gilt auch dann, wenn sich der Aufgabenkreis des bestellten Betreuers auf die Vertretung der Partei in dem konkreten Rechtsstreit beschränkt.



    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss IV des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Oktober 2020 - 12 O 229/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Beschwerdewert: 849,36 €.
    Gründe

    I.

    Der Kläger beanspruchte von der Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Eine durch das Landgericht angeordnete psychiatrische Begutachtung konnte nicht durchgeführt werden, weil der Kläger nicht bereit war, sich durch die Gerichtssachverständige untersuchen zu lassen. Für den Kläger wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 15. April 2016 eine Betreuerin bestellt, deren Aufgabenkreis die Vertretung des Klägers in dem Rechtsstreit sowie die Vornahme aller damit in Zusammenhang stehenden Rechtshandlungen umfasste. Das Landgericht wies die Klage ab. Der Rechtsstreit wurde im Berufungsverfahren durch einen Vergleich beendet.

    Der Kläger hat in Ergänzung seines Kostenfestsetzungsantrags vom 18. März 2020 mit Schriftsatz vom 23. Juni 2020 die Festsetzung von im Betreuungsverfahren entstandenen Kosten von 1.095,95 € beantragt. Das Landgericht (Rechtspfleger) hat diese Kosten in dem angefochtenen Beschluss, in dem es die aufgrund des Vergleichs von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten beider Instanzen festgesetzt hat, nicht berücksichtigt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das Landgericht, das die Kosten des Betreuungsverfahrens für nicht erstattungsfähig hält, nicht abgeholfen hat.

    II.

    Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

    Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erstattungsfähigkeit der in dem Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Saarlouis entstandenen Kosten abgelehnt.

    1.

    Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Zwar behandelt § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO unmittelbar nur die Kosten des Rechtsstreits. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass zu den nach dieser Vorschrift erstattungsfähigen Kosten ausnahmsweise auch vorprozessual oder prozessbegleitend entstandene Kosten gehören können, sofern sie unmittelbar prozessbezogen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2018 - VII ZB 56/15, MDR 2018, 1406 Rn. 17; Beschluss vom 1. Februar 2017 - VII ZB 18/14, NJW 2017, 1397 Rn. 12; Beschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415 Rn. 8). Dabei geht es überwiegend um Fälle, in denen eine Partei ein Privatgutachten zur Vorbereitung des Rechtsstreits oder in dessen Verlauf, etwa als Reaktion auf ein gerichtlich beauftragtes Sachverständigengutachten, einholte. Die für die Erstattungsfähigkeit vor- oder außerprozessualer Kosten entwickelten Grundsätze sind indes nicht auf Privatgutachterkosten beschränkt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 6. Januar 2020 - 9 W 27/19, NJOZ 2021, 30 Rn. 11; OLG Bremen, NJW 2016, 509 [OLG Bremen 08.09.2015 - 2 W 82/15] Rn. 3 [Detektivkosten]; OLG München, OLGR 2004, 204 [Testkauf]; KG, MDR 1987, 677 [Meinungsumfrage]). Maßstab für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit ist, ob die von der Partei ergriffene Maßnahme einen derart engen Zusammenhang mit dem Prozessgeschehen aufweist, dass es aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit gerechtfertigt ist, die hierfür entstehenden Kosten den Prozesskosten zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2017 - I ZB 41/16, MDR 2017, 909 Rn. 11).

    Hier folgt der unmittelbare Prozessbezug des während des erstinstanzlichen Verfahrens eingeleiteten Betreuungsverfahrens bereits daraus, dass die nachfolgend durch das Amtsgericht angeordnete Betreuung - ausschließlich - die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers in dem vorliegenden Rechtsstreit durch die Betreuerin zum Gegenstand hatte. Die Einrichtung der Betreuung diente dazu, dem Kläger, der nach der Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten seine Entscheidungen in dem - zum Zeitpunkt der Betreuungsanordnung schon fast acht Jahre andauernden - Rechtsstreit aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr von vernünftigen Erwägungen habe abhängig machen können und auch nicht mehr prozessfähig gewesen sei, die prozessuale Geltendmachung seiner behaupteten Ansprüche gegen die Beklagte zu ermöglichen. Dies habe ihn - so der Prozessbevollmächtigte des Klägers - dazu bewegt, eine Betreuung zu beantragen, nachdem das Landgericht der Frage der Prozessfähigkeit nicht nachgegangen sei.

    Der Umstand, dass die Durchführung des Betreuungsverfahrens ausschließlich dem Interesse und dem Schutz des Klägers diente, stellt den Prozessbezug nicht infrage (aA wohl OLG München, JurBüro 1992, 612). Einer Maßnahme, die eine Partei bzw. ihr Prozessbevollmächtigter prozessbegleitend ergreift, ist es immanent, dass damit die Stellung der Partei im Prozess verbessert werden soll. Diese Zielrichtung steht der Erstattungsfähigkeit der für die außerprozessuale Maßnahme anfallenden Kosten nicht entgegen. Dabei macht es im Grundsatz keinen Unterschied, ob sich die angestrebte Verbesserung auf die materielle Rechtsposition der Partei bezieht, wie es etwa bei der Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens der Fall ist, oder auf die prozessuale Rechtsstellung. Im Streitfall sollte durch die Einrichtung einer Betreuung im Übrigen nicht nur die ordnungsgemäße Vertretung des Klägers im Prozess gesichert werden. Die Betreuung sollte den Kläger vielmehr auch bei der Durchsetzung seiner materiellen Rechte unterstützen im Hinblick darauf, dass aufgrund seiner Weigerung, zu den durch die Gerichtssachverständige anberaumten Untersuchungsterminen zu erscheinen, eine Beweisfälligkeit drohte, was die behauptete Berufsunfähigkeit anbelangt.

    2.

    Die Kosten des Betreuungsverfahrens sind jedoch deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie nicht die Anforderungen an die Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfüllen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Kosten nur dann zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen durfte (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2019 - V ZB 196/17, MDR 2019, 1091 Rn. 6; Beschluss vom 30. April 2019 - VI ZB 41/17, VersR 2019, 1521 Rn. 9; Beschluss vom 20. Oktober 2005 - VII ZB 53/05, NJW 2006, 446 Rn. 12). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem die Partei die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst hat (BGH, Beschluss vom 12. September 2018 - VII ZB 56/15, aaO; Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn. 12). Aus dem Beurteilungsmaßstab folgt, dass die Partei die Kosten durch ihr vor- oder außerprozessuales Handeln selbst (unmittelbar) verursacht haben muss. Kosten, auf deren Entstehung sie keinen oder allenfalls einen mittelbaren Einfluss hat, können daher im Regelfall nicht Gegenstand der prozessualen Kostenerstattung sein. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Haftung des Prozessgegners für jedwede in einem - wenn auch möglicherweise nur losen - Zusammenhang mit dem Rechtsstreit entstandenen Kosten. Eine derart weitgehende Haftung würde dem Grundsatz, dass Kosten für den Prozess vorbereitende oder diesen begleitende Maßnahmen nur ausnahmsweise gegenüber dem Gegner liquidiert werden können (vgl. Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 41), nicht gerecht.

    Die im Betreuungsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 1.095,95 €, für die der Kläger ausweislich der vorgelegten Gerichtskostenrechnung vom 27. Mai 2020 als Kostenschuldner (§ 23 Nr. 1 GNotKG) herangezogen wurde, setzen sich zusammen aus einer 0,5 Verfahrensgebühr bei einer - hier angeordneten - Betreuung für einzelne Rechtshandlungen (Nr. 11103 GNotKG) in Höhe von 800 € sowie aus Sachverständigenauslagen (Nr. 31005 GNotKG) in Höhe von 295,95 €.

    Die Entstehung der Verfahrensgebühr wurde durch eine Maßnahme des Betreuungsgerichts ausgelöst und nicht (unmittelbar) durch den Kläger veranlasst. Dass der Einleitung des Betreuungsverfahrens ein Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Einrichtung einer Betreuung voranging, ist nicht entscheidend. Ein entsprechender Antrag stellt rechtlich lediglich eine Anregung dar. Darüber, ob aufgrund der Anregung ein Betreuungsverfahren eingeleitet wird, entscheidet das Gericht auf der Basis des ihm zur Kenntnis gebrachten Sachverhalts von Amts wegen (Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl., § 24 Rn. 4a; Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 24 Rn. 5). Der Eingang der Anregung bei Gericht löst dementsprechend noch nicht die Verfahrensgebühr aus. Diese entsteht erst dann, wenn das Gericht die Anregung zum Anlass für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens nimmt (Volpert in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., KV GNotKG Nr. 11100 Rn. 28). Darauf, ob es der Anregung folgt, hat der "Antragsteller" grundsätzlich keinen Einfluss. Die Situation stellt sich letztlich nicht anders dar, als wenn das Betreuungsgericht auf eine Mitteilung des zur Entscheidung über den Zivilprozess berufenen Landgerichts gemäß Abschnitt I/1 Abs. 1 Satz 1 der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) zu einer bei dem Kläger möglicherweise bestehenden Betreuungsbedürftigkeit hin tätig geworden wäre.

    Davon abgesehen steht einer Einbeziehung der Verfahrensgebühr für das Betreuungsverfahren in die zivilprozessuale Kostenerstattung entgegen, dass es sich bei dem Betreuungsverfahren um ein gegenüber dem Erkenntnisverfahren selbständiges Verfahren handelt, das auch kostenrechtlich eigenen Regeln folgt, wie etwa aus § 307 FamFG deutlich wird (vgl. auch OLG München, JurBüro 1967, 665, 666). Die Kosten selbständiger Verfahren können einem allgemeinen Grundsatz zufolge im Regelfall nicht den Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 91 ff. ZPO zugeordnet werden (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl., § 91 Rn. 23).

    Die weiterhin geltend gemachten Sachverständigenkosten sind ebenfalls nicht erstattungsfähig. Auch diese Kosten wurden nicht durch den Kläger veranlasst sondern durch das Betreuungsgericht, das gemäß § 280 FamFG gehalten war, vor der Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers ein Gutachten über die Notwendigkeit der Maßnahme einzuholen. Die im Betreuungsverfahren entstehenden Sachverständigenkosten sind kostenrechtlich nicht mit den Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens vergleichbar. Die für deren Erstattungsfähigkeit geltenden Grundsätze können nicht übertragen werden.

    Darüber, ob der Kläger die für die Anregung der Betreuung durch seinen Prozessbevollmächtigten etwa angefallenen Anwaltskosten erstattet verlangen könnte, muss nicht entschieden werden (ablehnend OLG München, JurBüro 1992, 612; OLG Schleswig, JurBüro 1987, 906; aA OLG Karlsruhe, Rpfleger 1969, 422 li. Sp.). Solche Kosten werden mit dem Kostenfestsetzungsantrag nicht geltend gemacht.

    3.

    An seinem mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 gestellten Antrag, die in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen I bis III festgesetzten Kosten nach Rücknahme der gegen diese Beschlüsse gerichteten Rechtsmittel in dem vorliegenden Kostenfestsetzungsbeschluss als notwendige Kosten des Rechtsstreits festzusetzen, hat der Kläger zuletzt ausdrücklich nicht mehr festgehalten.

    III.

    Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Der Beschwerdewert richtet sich nach dem von dem Kläger verfolgten Kosteninteresse unter Berücksichtigung der in dem Vergleich vereinbarten Kostenquote.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

    RechtsgebietKostenfestsetzung Vorschriften§ 91 Abs.1 S. 1 ZPO