02.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227273
Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 10.12.2021 – 6 Ws 42/21
Die Tätigkeit des nach § 68b Abs. 2 StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwaltes ist als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zu vergüten.
Oberlandesgericht Dresden
Tenor:
Gründe
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Leipzig am 18. Mai 2018 war dem Zeugen A...... für die Dauer seiner Vernehmung Rechtsanwalt R...... als Beistand beigeordnet worden. Der Zeuge wurde von 11.06 Uhr bis 11.09 Uhr vernommen und anschließend entlassen.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 beantragte Rechtsanwalt R...... für seine Tätigkeit die Festsetzung einer Grundgebühr in Höhe von 192,00 EUR, einer Terminsgebühr in Höhe von 312,00 EUR sowie einer Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR und damit zuzüglich Umsatzsteuer eine Vergütung in Höhe von insgesamt 623,56 EUR.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts Leipzig die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 261,80 EUR fest, weil sie die Tätigkeit des Zeugenbeistandes lediglich als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 VV RVG bewertete.
Die dagegen gerichtete Erinnerung von Rechtsanwalt R...... hat das Landgericht Leipzig durch die Einzelrichterin mit Beschluss vom 22. April 2021 als unbegründet verworfen.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde von Rechtsanwalt R...... hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 hat der zuständige Einzelrichter des Oberlandesgerichts die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung dem Senat übertragen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolgt; sie erweist sich als unbegründet.
Das Landgericht hat die Tätigkeit des Zeugenbeistandes zu Recht als Einzeltätigkeit bewertet, für die lediglich die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG entstanden ist.
Die Frage, ob der nach § 68b StPO beiordnete Zeugenbeistand wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten ist oder lediglich die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG beanspruchen kann, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
Mit der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG ("Für die Tätigkeit als Beistand ... sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden") war unklar geblieben, ob der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt die Gebühren eines Verteidigers nach Abschnitt 1 oder eine Einzeltätigkeit nach Abschnitt 3 abrechnen konnte. Vereinzelt wurde vor diesem Hintergrund in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers die Gebühren eines Verteidigers entstehen würden (vgl. nur OLG Dresden - 2. Strafsenat -, Beschluss vom 6. November 2007 - 2 Ws 495/06 - und vom 6. November 2008 - 2 Ws 103/08 -, juris m.w.N.). Ausweislich der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts sollten erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden. Die Gleichstellung mit dem Verteidiger sah der Gesetzgeber als sachgerecht an, weil die Gebührenrahmen ausreichend Spielraum bieten würden, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr werde sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen (BT-Drs. 15/1971, Seite 220).
Wie das Landgericht weiter zutreffend ausführt, ist der Versuch, den Meinungsstreit durch eine Klarstellung im Gesetzgebungsverfahren zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu beenden, gescheitert. Nach dem dort zugrunde liegenden Entwurf der Bundesregierung sollte der gesetzgeberische Wille durch eine klarstellende Formulierung der Vorbemerkung 4 Abs. 1, die der Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG folgt, deutlicher zum Ausdruck gebracht werden [BT-Drs. 17/11741 (neu), Seite 281]. Die Vorbemerkung 5 Abs. 1 zu Teil 5 (Bußgeldsachen) lautete seinerzeit: "Für die Tätigkeit als Beistand ... eines Zeugen ... entstehen die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren". Diese Klarstellung ist indes am Widerstand des Bundesrates gescheitert, der es nicht für sachgerecht hielt, für die begrenzte Tätigkeit eines Zeugenbeistandes die gleichen Gebühren anzusetzen wie für das Wirken als Verteidiger (BR-Drs. 517/1/12, Seite 94 f.).
Bereits damit konnte nicht mehr von einem gesetzgeberischen Willen ausgegangen werden, den Zeugenbeistand wie einen Verteidiger zu vergüten, sondern der Gesetzeswortlaut und die Verlautbarungen des Gesetzgebers ließen auch eine Vergütung als Einzeltätigkeit zu.
Den Widerspruch zur Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG, hat der Gesetzgeber schließlich mit der Begründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I, 3229) aufgelöst. Mit dem Gesetz ist die Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG ihrerseits an die unverändert gebliebene Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG angeglichen worden. Zur Begründung hat der Gesetzgeber angeführt, dass im Hinblick darauf, dass die Beiordnung durch § 68b Abs. 2 StPO ausdrücklich auf die Dauer der Vernehmung beschränkt ist, es sachgerecht erscheine, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben (BT-Drs. 19/23484, Seite 87). Für die Annahme, der Zeugenbeistand sei wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten, ist danach kein Raum mehr (vgl. auch unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung OLG Dresden - 2. Strafsenat -, Beschluss vom 15. Februar 2021 - 2 Ws 20/21).
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstatte (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Beschluss vom 10.12.2021
Tenor:
Die Beschwerde des Zeugenbeistandes gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 22. April 2021 wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Leipzig am 18. Mai 2018 war dem Zeugen A...... für die Dauer seiner Vernehmung Rechtsanwalt R...... als Beistand beigeordnet worden. Der Zeuge wurde von 11.06 Uhr bis 11.09 Uhr vernommen und anschließend entlassen.
Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 beantragte Rechtsanwalt R...... für seine Tätigkeit die Festsetzung einer Grundgebühr in Höhe von 192,00 EUR, einer Terminsgebühr in Höhe von 312,00 EUR sowie einer Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR und damit zuzüglich Umsatzsteuer eine Vergütung in Höhe von insgesamt 623,56 EUR.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts Leipzig die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 261,80 EUR fest, weil sie die Tätigkeit des Zeugenbeistandes lediglich als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 VV RVG bewertete.
Die dagegen gerichtete Erinnerung von Rechtsanwalt R...... hat das Landgericht Leipzig durch die Einzelrichterin mit Beschluss vom 22. April 2021 als unbegründet verworfen.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde von Rechtsanwalt R...... hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 hat der zuständige Einzelrichter des Oberlandesgerichts die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung dem Senat übertragen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolgt; sie erweist sich als unbegründet.
Das Landgericht hat die Tätigkeit des Zeugenbeistandes zu Recht als Einzeltätigkeit bewertet, für die lediglich die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG entstanden ist.
Die Frage, ob der nach § 68b StPO beiordnete Zeugenbeistand wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten ist oder lediglich die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG beanspruchen kann, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
Mit der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG ("Für die Tätigkeit als Beistand ... sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden") war unklar geblieben, ob der nach § 68b StPO beigeordnete Rechtsanwalt die Gebühren eines Verteidigers nach Abschnitt 1 oder eine Einzeltätigkeit nach Abschnitt 3 abrechnen konnte. Vereinzelt wurde vor diesem Hintergrund in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers die Gebühren eines Verteidigers entstehen würden (vgl. nur OLG Dresden - 2. Strafsenat -, Beschluss vom 6. November 2007 - 2 Ws 495/06 - und vom 6. November 2008 - 2 Ws 103/08 -, juris m.w.N.). Ausweislich der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts sollten erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden. Die Gleichstellung mit dem Verteidiger sah der Gesetzgeber als sachgerecht an, weil die Gebührenrahmen ausreichend Spielraum bieten würden, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr werde sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen (BT-Drs. 15/1971, Seite 220).
Wie das Landgericht weiter zutreffend ausführt, ist der Versuch, den Meinungsstreit durch eine Klarstellung im Gesetzgebungsverfahren zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu beenden, gescheitert. Nach dem dort zugrunde liegenden Entwurf der Bundesregierung sollte der gesetzgeberische Wille durch eine klarstellende Formulierung der Vorbemerkung 4 Abs. 1, die der Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG folgt, deutlicher zum Ausdruck gebracht werden [BT-Drs. 17/11741 (neu), Seite 281]. Die Vorbemerkung 5 Abs. 1 zu Teil 5 (Bußgeldsachen) lautete seinerzeit: "Für die Tätigkeit als Beistand ... eines Zeugen ... entstehen die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren". Diese Klarstellung ist indes am Widerstand des Bundesrates gescheitert, der es nicht für sachgerecht hielt, für die begrenzte Tätigkeit eines Zeugenbeistandes die gleichen Gebühren anzusetzen wie für das Wirken als Verteidiger (BR-Drs. 517/1/12, Seite 94 f.).
Bereits damit konnte nicht mehr von einem gesetzgeberischen Willen ausgegangen werden, den Zeugenbeistand wie einen Verteidiger zu vergüten, sondern der Gesetzeswortlaut und die Verlautbarungen des Gesetzgebers ließen auch eine Vergütung als Einzeltätigkeit zu.
Den Widerspruch zur Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG, hat der Gesetzgeber schließlich mit der Begründung zum Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I, 3229) aufgelöst. Mit dem Gesetz ist die Vorbemerkung 5 Abs. 1 VV RVG ihrerseits an die unverändert gebliebene Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG angeglichen worden. Zur Begründung hat der Gesetzgeber angeführt, dass im Hinblick darauf, dass die Beiordnung durch § 68b Abs. 2 StPO ausdrücklich auf die Dauer der Vernehmung beschränkt ist, es sachgerecht erscheine, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben (BT-Drs. 19/23484, Seite 87). Für die Annahme, der Zeugenbeistand sei wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG zu vergüten, ist danach kein Raum mehr (vgl. auch unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung OLG Dresden - 2. Strafsenat -, Beschluss vom 15. Februar 2021 - 2 Ws 20/21).
III.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstatte (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
RechtsgebietStrafverfahrenVorschriftenVorbem. 4 Abs. 1, Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG