02.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227276
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 08.09.2021 – 11 EK 11/20
Das beim Amtsgericht zu führende Verfahren zur Festsetzung erstinstanzlicher Pflichtverteidigerkosten kann eine im Sinne von § 198 GVG unangemessen lange Verfahrensdauer haben, wenn es vom zuständigen Rechtspfleger grundsätzlich so betrieben wird, dass die Vergütungsfestsetzung bis zur Rücksendung der Akten aus der Rechtsmittelinstanz nicht abschließend bearbeitet wird, und während der Dauer der Aktenversendung auch eine Anfrage beim Rechtsmittelgericht unterbleibt, um die Akten für den kurzen Bearbeitungszeitraum einer Vergütungsfestsetzung zurück zu erlangen.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 200,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 76 % und das beklagte Land 24 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
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Die Klägerin, eine Rechtsanwältin, verlangt von dem beklagten Land mit dem Vorwurf einer überlangen Verfahrensdauer für die Festsetzung von erstinstanzlich angefallenen Pflichtverteidigergebühren in einem gegen A vor dem AG Rahden geführten Strafverfahren 5 Ds ‒ 586 Js 1844/17 ‒ 72/18 die Zahlung einer Geldentschädigung.
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Das Strafverfahren nahm ‒ soweit hier von Bedeutung ‒ folgenden Verlauf:
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Mit Beschluss vom 18.06.2018 eröffnete das AG Rahden die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten A und bestellte die Klägerin zur Pflichtverteidigerin. Der Abschluss der Hauptverhandlung erfolgte am 30.04.2019. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren sowie zur Unterbringung in eine Entziehungsanstalt verurteilt. Noch am gleichen Tage beantragte die Klägerin die Festsetzung ihrer Pflichtverteidigergebühren. Am 07.05.2019 legte sie sodann für den Angeklagten Rechtsmittel ein. Nachdem zunächst am 04.06.2019 der zuständige Richter die Übersendung der Akten an die StA Bielefeld verfügt hatte, lag die Akte am 05.06.2019 der für die Festsetzung zuständigen Rechtspflegerin vor. Mit Verfügung von diesem Tage bat sie die Klägerin um Überprüfung ihrer Kostenrechnung und um Einreichung einer berichtigten Rechnung. Soweit in der Rechnung Kopierkosten geltend gemacht waren, bat sie um Einreichung der gefertigten Kopien. Ferner bat sie um Erläuterung von Abwesenheitszeiten und der für Fahrten angesetzten Kilometerzahl. Abschließend erteilte sie den Hinweis: „Ich weise Sie allerdings bereits jetzt darauf hin, dass die Bearbeitung des Antrags erst nach Aktenrückkehr aus der Berufungsinstanz erfolgen kann.“
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Mit Schriftsatz vom 05.07.2019 erklärte die Klägerin, dass das eingelegte Rechtsmittel als Berufung geführt werden soll. Daraufhin übersandte die StA Bielefeld am 11.07.2019 die Strafakten an das Landgericht Bielefeld. Mit Verfügung vom 26.08.2019 regte die zuständige Richterin beim LG Bielefeld nach bereits erfolgter Zustimmung der Staatsanwaltschaft gegenüber der Klägerin die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten gegen Geld- und Therapieauflagen an. Mit Schriftsatz vom 20.09.2019 erläuterte die Klägerin gegenüber dem AG Rahden ihre Kostenrechnung und kündigte angesichts der voraussehbaren Bearbeitungszeit die Erhebung einer Verzögerungsrüge an. Am 23.09.2019 teilte die Rechtspflegerin der Klägerin mit, dass die Bearbeitung des Vergütungsantrages erst nach Aktenrückkehr erfolgen könne. Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 erklärte die Klägerin für den Angeklagten A das Einverständnis mit dem Vorgehen gemäß § 153 a StPO. Das Landgericht beschloss daraufhin die vorläufige Einstellung des Verfahrens und legte gegenüber dem Angeklagten Zahlungs- und Therapieauflagen fest. Mit Schriftsatz vom 19.11.2019 erhob die Klägerin gegenüber dem AG Rahden bezüglich der Gebührenfestsetzung Verzögerungsrüge. Mit Verfügung vom 29.11.2019, ausgeführt am 13.01.2020, teilte die Rechtspflegerin ihr daraufhin mit, sie müsse noch die von ihr berechneten Kopien im Original vorlegen, zudem bleibe es dabei, dass die weitere Bearbeitung des Kostenantrags erst nach Rückkehr der Akten erfolgen könne. Am 29.04.2020 stellte das Landgericht Bielefeld das Strafverfahren nach Erfüllung der Auflagen durch den Angeklagten ein. Unter dem 20.05.2020 erhob die Klägerin beim AG Rahden erneut Verzögerungsrüge. Am 03.06.2020 wurden der Klägerin die Verteidigergebühren für ihre Tätigkeit in II. Instanz aufgrund ihres Antrages vom 11.05.2020 angewiesen. Mit Schreiben vom 08.06.2020 mahnte die Klägerin die Bescheidung ihres Kostenantrages für die I. Instanz an. Am 17.06.2020 setzte das Amtsgericht die Vergütung der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 30.04.2019 auf 1.135,14 Euro fest.
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Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass spätestens nach ihrem Schreiben vom 20.09.2019 eine Entscheidung über ihren Kostenfestsetzungsantrag hätte getroffen werden müssen. Die für die Entscheidung erforderlichen Informationen hätten sämtlich zu diesem Zeitpunkt vorgelegen. Zur Vermeidung weiterer Verzögerung hätten entweder ein Aktendoppel gefertigt oder die Akten vom Landgericht zurückgefordert werden müssen.
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Die Klägerin beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 850,-- Euro beträgt, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es rügt zunächst den Klageantrag als nicht ausreichend bestimmt, sowie die Versäumung der Klagefrist. Weiter vertritt es die Auffassung, dass die Verzögerungsrügen der Klägerin grundlos erfolgt seien, da kein Anlass für die Besorgnis bestanden habe, dass das Verfahren nicht in angemessener Frist abgeschlossen sein werde. Solange sich die Akten beim LG Bielefeld befunden hätten, sei eine Bearbeitung des Antrags der Klägerin nicht möglich gewesen. Nach Rückkehr der Akten zum AG Rahden sei die Bearbeitung in angemessener Frist erfolgt. Darüber hinaus sei die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich.
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Der Senat hat die Akten StA Bielefeld, Az. 586 Js 1844/17 = AG Rahden, Az. 5 Ds 72/18 = LG Bielefeld, Az. 7 Ns 34/19, beigezogen. Wegen der Einzelheiten des dortigen Verfahrensablaufs wird auf die beigezogenen Akten, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.
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I.
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Die Klage ist zulässig.
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1.
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Der unbezifferte Klageantrag unter Angabe einer Mindestforderung genügt dem Bestimmtheitserfordernis gemäß § 253 Abs. 2 ZPO. Da die Klägerin immaterielle Nachteile geltend macht und hierfür eine Geldentschädigung verlangt, steht die Festsetzung der Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 S. 4 GVG im Ermessen des Gerichts, welches grundsätzlich neben einer niedrigeren auch eine höhere als die verlangte Mindestsumme ausurteilen kann. Diese Möglichkeit gebietet ‒ wie auch sonst bei Klagen auf Geldentschädigung wegen immaterieller Nachteile ‒ die Zulässigkeit des unbezifferten Zahlungsantrages (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rdn. 244; Zöller ‒ Greger, ZPO, 33. Aufl., § 253 Rdn. 14 a).
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2.
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Auch die besonderen Voraussetzungen der Entschädigungsklage liegen vor. Nachdem die Klägerin Verzögerungsrügen am 19.11.2019 und 20.05.2020 erhoben hat, ist die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG mit der Einreichung der Klage am 10.12.2010 eingehalten worden.
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Weiterhin ist die Klagefrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG eingehalten worden. Nach dieser Bestimmung muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden.
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Vorliegend wurde über den auf § 55 RVG gestützten Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin am 17.06.2020 entschieden. Gegen diesen Beschluss stand der Staatskasse gemäß § 56 RVG die unbefristete Erinnerung zu, die jedoch nicht eingelegt worden ist. Zumal der Kostenfestsetzungsbeschluss nicht in Rechtskraft erwächst, liegt deshalb nahe, die Klagefrist mit dem Datum des Beschlusses bzw. der Übermittlung an die Klägerin beginnen zu lassen. Die Einreichung der Klageschrift beim zuständigen Oberlandesgericht am 10.12.2020 erfolgte daher zweifellos vor Ablauf der Klagefrist.
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Soweit die Zustellung der vorliegenden Klage an das beklagte Land erst am 19.02.2021 erfolgt ist, wirkt die Zustellung gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück. Denn die Zustellung erfolgte im Sinne dieser Norm demnächst, da die Klägerin in ausreichender Weise alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hatte. Soweit es zu geringfügigen Zustellungsverzögerungen gekommen war, die in ihrem Verantwortungsbereich fielen, hat dies die Zustellung gegenüber der normalen Dauer um weniger als 14 Tage verzögert, so dass die Rückwirkung nicht entfällt (vgl. Zöller ‒ Schultzky, a.a.O., § 167 Rdn. 10/11 m.w.N.).
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Unschädlich ist insbesondere, dass die Klägerin nicht schon mit der Klageschrift den Kostenvorschuss entrichtete, sondern den Eingang einer Kostenrechnung abwartete. Nachdem sodann der Vorschuss mit Kostenrechnung vom 18.12.2020 angefordert war, hat ihn die Klägerin am 24.12.2020 und damit innerhalb einer angemessenen Frist von weniger als 14 Tagen eingezahlt (vgl. Zöller-Schultzky, a.a.O., § 167 Rdn. 15).
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Soweit es dann in der Folgezeit zu einer Zustellungsverzögerung kam, weil die Klägerin mit dem Justizministerium das falsche Vertretungsorgan des Landes im Beklagtenrubrum angegeben hatte, führt auch dies nicht zur Unzulässigkeit der Klage, denn dieses Versäumnis führte zu einer unschädlichen Zustellungsverzögerung von maximal acht Tagen (13.01. bis 21.01.2020). Nachdem die Akte am 28.12.2020 dem Senatsvorsitzenden vorgelegt worden war, wies dieser mit Verfügung vom gleichen Tage die Klägerin auf Bedenken gegen die ordnungsgemäße Vertretung des beklagten Landes durch das angegebene Justizministerium nach der VertretungsO NW hin. Nachdem dieses Anschreiben, der Klägerin nicht zurechenbar, zunächst an eine falsche Adresse gesandt wurde, erfolgte die erneute Absendung mit zutreffender Adressierung am 13.01.2020. Dieses Schreiben ging bei der Klägerin am 18.01.2021 ein. Sie teilte daraufhin mit Schreiben vom 19.01.2021 mit, dass die Zustellung nunmehr an die Generalstaatsanwältin in Hamm als zuständiges Vertretungsorgan erfolgen sollte. Daraufhin wurde mit Verfügung vom 21.01.2021 die Zustellung der Klage an diese Stelle verfügt. Die weitere Verzögerung der Zustellung bis zum 19.02.2021 beruhte sodann auf Umständen, die nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin fielen.
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II.
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Die Klage ist auch teilweise begründet.
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Der Klägerin steht wegen der unangemessenen Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens für ihre Pflichtverteidigergebühren in I. Instanz ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß § 198 Abs. 1 GVG zu.
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1.
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Die Vorschrift des § 198 GVG gilt auch für Verfahren auf Festsetzung von Kosten und Vergütungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.10.2018, 16 EK 10/18, MDR 2019, S. 99; OLG Zweibrücken, Urteil vom 26.01.2017, 6 Sch 1/16 EntV, NJW 2017, S. 1328; Heine, Die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der auf § 198 GVG gestützten Entschädigungsklage, MDR 2013, S. 1081, 1084). Dafür spricht bereits die Vorschrift des § 198 Abs. 6 GVG, welche umfassenden Schutz in allen gerichtlichen Verfahren gewährt und keine Beschränkung für bestimmte Verfahrensabschnitte enthält. Zudem ist auch kein rechtfertigender Grund ersichtlich, warum etwa die Vergütungsfestsetzungsverfahren für Rechtsanwälte von der Entschädigungsregelung ausgenommen werden sollten, zumal eine andere förmliche Rechtsschutzmöglichkeit für einen Anwalt, um die Festsetzung der Vergütung herbeizuführen, nicht besteht.
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2.
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Das Kostenfestsetzungsverfahren vor dem AG Rahden hat zudem unangemessen lang gedauert.
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a) Gemäß § 198 Abs 1 S. 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten.
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Maßgeblich kommt es insofern darauf an, ob die Verfahrensdauer eine Grenze überschreitet, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen wie Rechtsstaatsprinzip, Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt. Laufzeiten, die durch die Prozessleitung des Gerichts bedingt sind, haben nur dann eine unangemessene Verfahrensdauer zur Folge, wenn sich die verfahrensleitende Entscheidung nicht auf verfahrensökonomische Sachgründe stützen lässt, sondern von sachfremden und zweckwidrigen Erwägungen getragen und somit nicht mehr verständlich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Entscheidungsreife des Verfahrens ohne tragfähige Gründe hierfür nicht mehr gefördert wird (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.).
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Eine abstrakte generelle Regelung, wann ein in den Anwendungsbereich des § 198 GVG fallendes Gerichtsverfahren unangemessen lange dauert, besteht nicht. Ebenso wenig existieren zeitliche Vorgaben, die eine unangemessene Verfahrensdauer vermuten lassen. Die statistische durchschnittliche Dauer für vergleichbare Verfahren bietet allenfalls einen Vergleichsrahmen. Allein aufgrund ihrer Überschreitung lässt sich nicht schon auf die Unangemessenheit der Verfahrensdauer schließen, weil es gemäß § 198 Abs. 1 GVG auf die angemessene, und nicht auf die durchschnittliche Verfahrensdauer ankommt (vgl. Heine, a.a.O.).Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist grundsätzlich die Gesamtverfahrensdauer, so dass ein Entschädigungsanspruch ausscheiden kann, wenn einzelne Verfahrensschritte anfänglich unangemessen lange gedauert haben, der dadurch entstandene Zeitverlust aber im weiteren Verfahrensverlauf durch eine besonders zügige weitere Bearbeitung kompensiert worden ist. Die Verfahrensbeteiligten haben allerdings keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung. Sie müssen es hinnehmen, dass das Gericht vorrangige Verfahren zu beantworten hat und eine gleichzeitige tiefergehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren nicht möglich ist. Dabei muss aber stets in den Blick genommen werden, dass sich mit zunehmender Verfahrensdauer die mit dem Justizgewährleistungsanspruch verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014, III ZR 37/13, NJW 2014, Seite 939).
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b) Die Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ergibt, dass das von der Klägerin betriebene Kostenfestsetzungsverfahren für die Pflichtverteidigervergütung unangemessen lange andauerte.
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Nicht angängig war jedenfalls die mit der Verfügung vom 05.06.2019 dargestellte Handhabung des Amtsgerichts, das Kostenfestsetzungsverfahren bis zur Rückkehr der Akten aus der Berufungsinstanz nicht betreiben zu wollen. Es steht außer Frage, dass die hier in Rede stehende Verteidigervergütung Teil der Existenzgrundlage eines Rechtsanwalts ist und ihm daher jedenfalls nicht ohne ausreichenden sachlichen Grund zugemutet werden kann, auf eine unbestimmte Zeit auf die Auszahlung der Vergütung warten zu müssen. Dies ist gerade bei Rechtsmittelverfahren, deren Dauer oft nicht abschätzbar ist und die im Einzelfall Jahre andauern können, evident. Zwar bestand in dem vorliegend betroffenen Strafverfahren ein Interesse des von dem Strafverfahren betroffenen und erstinstanzlich verurteilten Angeklagten, den gegen ihn erhobenen Anklagevorwurf und die erstinstanzlich ergangene Verurteilung in angemessener Zeit durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen und eine Klärung herbeizuführen, ob ein und ggfls. welcher Schuldspruch aufgrund der ihm zur Last gelegten Tat gerechtfertigt war und welche Konsequenzen dies für ihn haben würde. Dieses Interesse ging dem Vergütungsinteresse der Klägerin vor und konnte daher eine vorrangige Weiterführung des Strafverfahrens grundsätzlich rechtfertigen. Daher war es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Akten zunächst an die Staatsanwaltschaft Bielefeld versandte, die sie sodann an das Landgericht Bielefeld weiterleitete, obwohl das Kostenfestsetzungsverfahren der Klägerin nicht abgeschlossen werden konnte.
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Aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Materialaufwandes kann weiterhin dem Amtsgericht nicht vorgeworfen werden, zur Durchführung des Kostenfestsetzungsverfahrens vor der Aktenversendung kein Aktendoppel erstellt zu haben. Indes sind auch im Rechtsmittelverfahren erfahrungsgemäß Zeiträume vorhanden, in denen das Rechtsmittelgericht die Akten für einen kurzen Zeitraum nicht benötigt und an das Ausgangsgericht zurücksenden kann. Daher war es im vorliegenden Fall zumutbar und auch geboten, dass seitens des Amtsgerichts jedenfalls nach Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin infolge ihres Schriftsatzes vom 20.09.2019 und damit den einhergehendem Eintritt von Entscheidungsreife über das Kostenfestsetzungsgesuch der Klägerin die Akten zeitnah vom Landgericht unter Hinweis auf das laufende Kostenfestsetzungsverfahren und die unter Angabe der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer zurückgefordert wurden. In dem Fall, dass eine Aktenrücksendung nicht erfolgte, war die Anforderung binnen angemessener Frist zu wiederholen. Die Entscheidung, ob die Akten für die erbetene Zeit entbehrlich sind, wäre daraufhin von dem zuständigen Dezernenten beim Landgericht zu treffen gewesen und am Stand des Berufungsverfahrens auszurichten. Auch insofern erscheint es zumutbar, dass in dem Fall, dass die Akten nicht entbehrlich sind, vom Rechtsmittelgericht regelmäßig eine Wiedervorlagefrist verfügt wird, nach deren Ablauf eine erneute Prüfung des Rückforderungsersuchens erfolgt.
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Ein derartiges Vorgehen ist seitens des AG Rahden schuldhaft versäumt worden, wobei das Fehlen einer Rechtfertigung, die Bearbeitung des Kostenfestsetzungsverfahrens für die gesamte, nicht absehbare Dauer des Rechtsmittelverfahrens zurückzustellen, für die zuständige Rechtspflegerin erkennbar war.
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c) Eine weitere unangemessene Verfahrensverzögerung erfolgte sodann nach Rückkehr der Akten an das AG Rahden. Denn angesichts des Umstandes, dass der am 11.05.2020 dort eingegangene Vergütungsantrag der Klägerin für ihre Pflichtverteidigung in II. Instanz bereits am 29.05.2020 beschieden wurde, fehlt es an einem sachlichen Grund, warum zu diesem Zeitpunkt nicht auch eine Bescheidung des erstinstanzlichen Antrages möglich war. Sofern das Amtsgericht die Verzögerung damit begründen wollte, dass noch eine Überprüfung der Angemessenheit der angemeldeten Kopierkosten erfolgen müsse, ist diese Handhabung nicht nachvollziehbar und daher auch nicht mehr vertretbar. Die Klägerin hatte Kosten für die Anfertigung von 160 Kopien geltend gemacht und insofern erläutert, dass sie nach ihrer Aktenanforderung vom 26.03.2019 den gesamten Akteninhalt einschließlich beschriebener Rückseiten abgelichtet habe. Da sich das Anforderungsgesuch auf Bl. 151 d. BA befand, war der Ansatz von 160 Kopien somit ohne weiteres nachvollziehbar und glaubhaft. Dementsprechend erfolgte letztlich die Festsetzung der angemeldeten Gebühren, ohne dass die Klägerin die von ihr gefertigten Kopien vorgelegt hatte. Darüber hinaus ist auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunkt der Arbeitsökonomie nicht nachvollziehbar, dass wegen einer Position von maximal 41,50 Euro die Auszahlung eines unzweifelhaften Gebührenanspruchs von rund 1.100,-- Euro weiter hinausgezögert wurde.
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3.
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Nicht feststellbar ist hingegen, dass bei Erfüllung der vorstehenden Anforderungen das Kostenfestsetzungsverfahren vor Januar 2020 hätte weiter bearbeitet werden können. Denn es ist nicht mit einer zur Verurteilung des beklagten Landes ausreichenden Gewissheit i.S.d. § 286 ZPO feststellbar, dass das Landgericht einem vor diesem Zeitpunkt liegenden Rückforderungsgesuch entsprochen hätte, da nach dem Verfahrensstand des Berufungsverfahrens mindestens vertretbare Gründe dafür bestanden, die Akten zunächst beim Landgericht zu behalten, um das Verfahren in der Hauptsache angemessen fördern zu können.
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Die Entscheidungsreife des Kostenfestsetzungsantrags trat mit Eingang des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.09.2019 beim Amtsgericht ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Landgericht mit vorangegangener Verfügung vom 26.08.2019 die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO gegen Auflagen angeregt und telefonisch eine Stellungnahme der Klägerin erbeten, die mit ihrem Mandanten Rücksprache nehmen wollte. Im Fall der Ablehnung einer derartigen Einstellung durch den Angeklagten wären im Interesse des Angeklagten eine zügige Terminierung und die Durchführung der Hauptverhandlung geboten gewesen. Jedoch teilte die Klägerin erst mit Schriftsatz vom 21.10.2019 für den Angeklagten mit, dass dieser der angeregten Einstellung des Verfahrens zustimme. Nach sogleich erlassenem vorläufigem Einstellungsbeschluss verfügte das Landgericht die Wiedervorlage der Akten binnen eines Monats, um zu überprüfen, ob der Angeklagte die erste Rate bei der Gerichtskasse zeitgerecht eingezahlt hat. Auch wenn hier bereits ein erstes Zeitfenster entstand, welches eine kurzzeitige Übersendung der Akten an das Amtsgericht zugelassen hätte, ist, da die Klägerin keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung erheben kann, ein Verbleib der Akten beim Landgericht bis zum Ablauf dieser Frist vertretbar. Erst nach erneuter Wiedervorlage und Verfügung einer erneuten Frist von 3 Monaten am 12.12.2019 bestand kein nachvollziehbarer Grund mehr, die Akten nunmehr durchgängig beim Landgericht zu behalten und eine Übersendung der Akten an das Amtsgericht Rahden abzulehnen. Wäre nach diesem Zeitpunkt die Übersendung erfolgt, so wäre auch unter Berücksichtigung der durch die Feiertage und des Jahreswechsel verlängerten Bearbeitungszeit am Amtsgericht damit zu rechnen gewesen, dass spätestens Mitte Januar 2020 die Entscheidung über die Kostenfestsetzung hätte ergehen können.
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Die weitere Anspruchsvoraussetzung des Entschädigungsanspruchs in Form einer wirksamen Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 S. 1 GVG liegt ebenfalls vor.
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Die Klägerin hat diese sowohl mit Schriftsatz vom 19.11.2019 als auch mit Schriftsatz vom 20.05.2020 erhoben. Jedenfalls aufgrund der mit Verfügung vom 05.06.2019 angekündigten Untätigkeit des Amtsgerichts auch nach Eingang des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.09.2019 bestand im Zeitpunkt der Rügen die Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden konnte.
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Für die Verzögerung der Kostenfestsetzung um rund 5 Monate erscheint dem Senat die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs in Höhe von 200,-- Euro angemessen, aber auch ausreichend.
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a) Eine Wiedergutmachung lediglich durch Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne des § 198 Abs. 4 GVG kam nicht in Betracht, nachdem die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 20.09.2019 die Entscheidungsreife über ihren Antrag herbeigeführt hatte und das Amtsgericht trotz wiederholter Eingaben mit der Aufforderung zur Beschleunigung an seiner rechtswidrigen Praxis, das Kostenfestsetzungsverfahren bis zur Rückkehr der Akten aus der Berufungsinstanz nicht weiter zu bearbeiten, festhielt.
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b) Indes erschien dem Senat eine geringere als die Regelentschädigung des § 198 Abs. 2 S. 3 GVG angemessen. Das Kostenfestsetzungsverfahren betraf eine Vergütungsforderung der Klägerin von nicht übermäßigem Wert. Dass die Verzögerung der Auszahlung bei ihr zu einem den Zinsverlust übersteigenden Nachteil geführt hat, ist weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Der Senat folgt daher der Auffassung des OLG Zweibrücken (a.a.O. unter weiterem Hinweis auf KG, Urteil vom 29.01.2016, 7 EK 12/15), wonach bei der Verzögerung von Kostenfestsetzungsverfahren mit geringem Streitwert eine Abweichung von der Regelentschädigung nach unten in Betracht kommen kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Der Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Voraussetzungen der §§ 201 Abs. 2 S. 3 GVG, 543 ZPO nicht vorliegen.
RechtsgebieteStrafverfahren, KostenfestsetzungVorschriften§ 198 GVG