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  • 06.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228508

    Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 07.01.2022 – 4 U 602/21

    1. Für die Bestimmung des Streitwerts des Berufungsverfahrens sind die Anträge des Rechtsmittelführers dann nicht unbesehen zugrunde zu legen, wenn die angekündigten Rechtsmittelanträge erkennbar und auf der Hand liegend keinen Sinn ergeben. In einem solchen Fall richtet sich der Streitwert des Berufungsverfahrens, soweit es um den Rechtsmittelführer geht, nach dessen Beschwer durch die angefochtene Entscheidung.

    2. Die Wirkung des § 45 Abs. 4 GKG erstreckt sich auf die Wertfestsetzung für das gesamte Berufungsverfahren und beschränkt sich nicht auf einen Mehrwert nur des Vergleichs.

    3. Der im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte und von einem Prozessvergleich erfasste Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz wegen der Rückabwicklung eines zur Finanzierung der Anschaffung eines Kraftfahrzeuges geschlossenen Darlehensvertrages führt zu einer Erhöhung des Gebührenstreitwerts. Einer Wertaddition mit den von dem Kläger geltend gemachten Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages nach dessen Widerruf steht die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht entgegen.


    Oberlandesgericht Braunschweig

    Beschluss vom 07.01.2022


    Tenor:

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 65.000,00 Euro festgesetzt.

    Gründe

    Die Festsetzung des Streitwerts des Berufungsverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 GKG.

    Der Streitwert setzt sich zusammen aus der Beschwer des Klägers durch die erstinstanzliche Entscheidung in Höhe von 34.656,80 Euro zuzüglich des Wertes der von dem Vergleich erfassten Hilfsaufrechnung in Höhe von 25.051,09 Euro.

    1.

    In einem ersten Schritt wird der Streitwert des gesamten Berufungsverfahrens zunächst durch den Wert der Berufungsanträge in der Hauptsache bestimmt, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

    Die besonderen Umstände des Einzelfalls erfordern es vorliegend, die Werte der Berufungsanträge nicht unbesehen für die Wertfestsetzung zugrunde zu legen, sondern auf die Beschwer durch die in vollem Umfang angefochtene erstinstanzliche Entscheidung abzustellen.

    Diese liegt hier bei 34.656,80 Euro.

    a)

    Der Kläger hat in der Berufungsbegründung vom 30.09.2021 angekündigt, zu beantragen,

    1. das am 3. August 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig - Az. 5 O 4916/19 - abzuändern,

    2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Herausgabe des Kfz V. T5 Multivan mit der Fahrgestellnummer ............... und unter Aufgabe seines Anwartschaftsrechts auf Übereignung an ihn,

    3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 4.800,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

    4. festzustellen, dass der Beklagten seit dem 11.01.2019 keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr auf das Darlehen Nr. ..... zustehen,

    5. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des ihr von dem Kläger angebotenen Kfz V. T5 Multivan mit der Fahrgestellnummer ........ seit dem 11.01.2019 im Annahmeverzug befindet und mit der Zahlung des im Antrag zu 1. genannten Betrages im Schuldnerverzug,

    6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.554,93 Euro freizustellen.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wäre der Gesamtstreitwert dieser Anträge zwar grundsätzlich nach dem Nettodarlehensbetrag des streitgegenständlichen Darlehensvertrages zuzüglich der geleisteten Anzahlung zu bemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 - Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14 - Rn. 3, juris), hier also mit insgesamt 53.027,74 Euro.

    b)

    Vorliegend ist jedoch aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall eine abweichende Betrachtung geboten.

    Denn die durch Schriftsatz vom 30.09.2021 angekündigten Berufungsanträge ergeben erkennbar und auf der Hand liegend keinen Sinn.

    Sie entsprechen zwar denjenigen Anträgen, mit denen der Kläger die erste Instanz eingeleitet hat, aber gerade nicht denjenigen, die zuletzt in der mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellt wurden, nachdem das streitgegenständliche Fahrzeug - wie von dem Kläger in dem Schriftsatz vom 23.06.2021 selbst vorgetragen - zuvor veräußert und der Darlehensvertrag vollständig abgelöst worden war. Diesem - unbestrittenen - Tatsachenvortrag entsprechend hat der Kläger in erster Instanz zuletzt nur noch beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 33.800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 Euro zu verurteilen. Im Übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

    Im Umfang der vollständigen Abweisung der Klage ist der Kläger vorliegend beschwert. Schließlich ist nicht anzunehmen, dass der Kläger nunmehr im Berufungsverfahren das Rechtsschutzziel weiterzuverfolgen gedenkt, das allein zu dem Sachverhalt vor der Veräußerung des streitgegenständlichen Fahrzeuges passt.

    Zwar gilt im Grundsatz, dass bei der Streitwertbemessung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG die Zulässigkeit und Begründetheit der Rechtsmittelanträge keine Rolle spielt (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 5. Aufl. 2021, GKG § 47 Rn. 2).

    Hier ist aber eine Korrektur nach dem Sinn und Zweck des § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG angebracht, die dadurch erhellt wird, dass sich das Rechtsmittelverfahren in erster Linie an der Beschwer des Rechtsmittelführers und sodann an seinem Rechtsschutzziel orientiert.

    Werden bis zur Beendigung des Rechtsmittelverfahrens keine Anträge gestellt, ist nach § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwer des Rechtsmittelführers durch die angefochtene Entscheidung maßgebend. Werden aber Anträge eingereicht, so bestimmt sich der Streitwert nach dem "konkreten Rechtschutzziel" des Rechtsmittelführers (BeckOK KostR/Schindler, 35. Ed. 1.10.2021, GKG § 47 Rn. 1). Dies gilt sowohl mit Blick auf eine Reduktion des Rechtsschutzziels im Vergleich zur Beschwer (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 19 U 104/10 -, Rn. 4, juris) als auch mit Blick auf eine Erweiterung des Rechtsschutzziels durch Erweiterung des Streitgegenstandes.

    Vorliegend bilden die von dem Berufungskläger angekündigten Berufungsanträge sein Rechtsschutzziel jedoch nicht ab.

    Vielmehr ist - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift, die sich allein auf Rechtsausführungen beschränken - offensichtlich, dass er im Berufungsverfahren nicht - in Abkehr von seinen zuletzt in der ersten Instanz gestellten Anträgen - sein Rechtsschutzziel wieder auf die bei Einleitung des Rechtszuges erster Instanz angekündigten Anträge ausweiten will, sondern aus seinen Berufungsanträgen ergibt sich offenkundig, dass er die Entscheidung erster Instanz in vollem Umfang anfechten will.

    Dann aber sprechen seine Berufungsanträge, die keine Erweiterung des Streitgegenstandes beinhalten - eine eindeutige Sprache dahingehend, dass für die Bemessung des Wertes der Berufungsanträge die Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung maßgeblich ist.

    c)

    Für die Beschwer durch die erstinstanzliche Entscheidung sind bei einer übereinstimmenden Teilerledigungserklärung betreffend einen Teil der Hauptforderung ohne dessen Nebenforderung - wie hier - die restliche Hauptforderung und die auf den erledigten Teil entfallenden Nebenforderungen bestimmend (Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 3 ZPO, Rn. 16.67).

    "Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erhöhen die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den (Streitwert und) Wert der Beschwer zwar nicht, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache noch im Streit ist (BGH, Beschluss vom 20. September 1962 - VII ZB 2/62, NJW 1962, 2252, 2253; zuletzt Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026 Rn. 7 m.w.N.). Etwas anderes gilt aber für den Anspruch auf Zinsen und Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten. Diese erhöhen als Nebenforderungen den Streitwert und die Beschwer nicht, solange sie neben dem Hauptanspruch geltend gemacht werden, für dessen Verfolgung die Zinsen und Rechtsanwaltskosten angefallen sind. Sobald und soweit die Hauptforderung jedoch nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder - wie hier - auf einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung beiderseitig erklärt worden ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung gelöst hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt (BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06, NJW 2008, 999 Rn. 8; vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 62/10, WuM 2011, 177 Rn. 5; vom 31. März 2011 aaO)" (BGH, Beschluss vom 4. April 2012 - IV ZB 19/11 -, Rn. 5, juris; vgl. auch BeckOK KostR/Schindler, 35. Ed. 1.10.2021, GKG § 43 Rn. 17).

    aa)

    Demnach ist der Kläger zunächst durch die Abweisung seines Zahlungsantrages in Höhe von 33.800,00 Euro beschwert.

    Der Wert des Zahlungsantrages, der die Differenz zwischen den geleisteten Darlehensraten und der Anzahlung abzüglich des Veräußerungserlöses von 24.898,91 Euro für das streitgegenständliche Fahrzeug abbildet, ist in voller Höhe von 33.800,00 Euro streitwertbestimmend und nicht um die enthaltenen Zinsen als Nebenforderungen gemäß § 43 Abs. 1 GKG zu bereinigen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass entsprechend § 396 Abs. 2, § 367 Abs. 1 BGB der Veräußerungserlös zunächst auf die Zinsen angerechnet wird, wie auch der Bundesgerichtshof festhält: "Der Wert der vom Kläger erstrebten Verurteilung der Beklagten bemisst sich zwar nach dem Nettodarlehensbetrag zuzüglich der Anzahlung; davon ist aber der von ihm aufgerechnete Wertersatzanspruch der Beklagten in Abzug zu bringen, soweit dieser nicht entsprechend § 367 Abs. 1, § 396 Abs. 2 BGB auf die herausverlangten Zinsen zu verrechnen ist" (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 - XI ZR 389/19 -, juris).

    bb)

    Weiter ist die Nebenforderung gerichtet auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten durch die teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung teilweise zur Hauptforderung erstarkt (BeckOK KostR/Schindler, 35. Ed. 1.10.2021, GKG § 43 Rn. 17), sodass sich daraus eine weitere Beschwer des Klägers in Höhe von 856,80 Euro ergibt.

    Diese leitet sich aus folgender Berechnung ab:

    Die von dem Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten setzen sich aus einem Gegenstandswert von 90.948,91 Euro wie folgt zusammen (vgl. Seite 28 der Klageschrift vom 20.08.2019):

    1,5 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG  2.127,00 Euro
    Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG  20,00 Euro
    Zwischensumme netto  2.147,00 Euro
    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG  407,93 Euro
    Summe  2.554,93 Euro

    Abhängig ist diese Nebenforderung nach der teilweise übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien jedoch nur noch von dem Betrag in Höhe von 33.800,00 Euro, damit aus einem Gegenstandswert bis 35.000 Euro wie folgt:

    1,5 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG  938 x 1,5 = 1.407,00 Euro
    Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG  20,00 Euro
    Zwischensumme netto  1.427,00 Euro
    19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG  271,13
    Summe  1.698,13 Euro

    Die Differenz beträgt 856,80 Euro.

    2.

    Eine Hilfswiderklage ist bei Abschluss der Instanz durch Vergleich zwar grundsätzlich geeignet, den Streitwert des gesamten Berufungsverfahrens zu erhöhen, wenn sich der Vergleich auf sie erstreckt, § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG.

    Vorliegend stellt sich diese Frage jedoch nicht, da die Beklagte die Hilfswiderklage nach der Veräußerung des Fahrzeuges bereits in erster Instanz nicht weiterverfolgt hat. Sie ist daher erkennbar auch nicht Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs geworden.

    3.

    Jedoch ist der Wert der von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung in Höhe von 25.051,09 Euro streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

    Nach § 45 Abs. 3 GKG erhöht sich in dem Fall, in dem der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend macht, der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Nach § 45 Abs. 4 GKG ist bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich u.a. der Absatz 3 der Vorschrift entsprechend anzuwenden.

    a)

    Die Wirkung des § 45 Abs. 4 GKG erstreckt sich auf die Wertfestsetzung für das gesamte Berufungsverfahren und beschränkt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf einen Mehrwert nur des Vergleichs (vgl. nur OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 15 W 87/18, BeckRS 2018, 35195, Rn. 14, beck-online). Denn § 45 Abs. 4 GKG ordnet die "entsprechende" Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG an, was im Falle der Hilfsaufrechnung bedeutet, dass die vergleichsweise Regelung das Ergehen einer der Rechtskraft fähigen gerichtlichen Entscheidung ersetzt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. März 2011 - 10 W 8/11 -, Rn. 8, juris; KG Berlin, Beschluss vom 24. Mai 2018 - 4 W 17/18 -, Rn. 14 m.w.N., juris).

    b)

    Die Voraussetzungen für die Werterhöhung sind vorliegend erfüllt.

    Während der Kläger die Rückzahlung geleisteter Zins- und Tilgungsraten einschließlich der Anzahlung nach dem von ihm erklärten Widerruf des Finanzierungsgeschäfts - unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses - begehrt hat, hat die Beklagte dem Zahlungsanspruch eine Hilfsaufrechnung betreffend einen behaupteten Wertersatzanspruch entgegengehalten, und zwar in Höhe von 25.051,09 Euro (vgl. Seiten 7 und 9 des Beklagtenschriftsatzes vom 16.07.2021) und nicht in Höhe von nur 24.898,91 Euro, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil vom 3. August 2021 festgestellt hat (vgl. dort Seite 3, dritter Absatz).

    aa)

    Über beide Ansprüche haben sich die Parteien verglichen, denn das Schicksal beider Ansprüche ist in dem Vergleich geregelt.

    Danach soll - bezogen auf die Klageforderung - der Darlehensvertrag nicht rückabgewickelt, sondern ordnungsgemäß bedient werden, wofür der Kläger wiederum eine Zahlung von der Beklagten erhalten soll. Dass sich die Parteien entgegen dem ursprünglichen Begehren des Klägers gegen eine Rückabwicklung entschieden haben, stellt eine Regelung des geltend gemachten Anspruchs dar. Denn eine begehrte Rückabwicklung erfährt nicht nur dann eine Regelung, wenn sich die Parteien für eine Rückabwicklung entscheiden und deren Modalitäten festlegen, sondern auch dann, wenn sie das Recht auf eine Rückabwicklung ausschließen.

    Mit Abschluss des Vergleichs sollen ausdrücklich "sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aufgrund des streitgegenständlichen Darlehensvertrages" sowie "der Rückabwicklung des Widerrufs des Darlehensvertrages" und "der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts abgegolten und vollständig erledigt" sein.

    Hierin ist eine Regelung des von der Beklagten im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Wertersatzanspruches zu erblicken. Die Parteien haben ausdrücklich auf die "wechselseitigen" Ansprüche "aufgrund der Rückabwicklung des verbundenen Geschäfts" Bezug genommen. Die Wahl der Formulierung "wechselseitige Ansprüche" macht deutlich, dass nicht nur die Ansprüche des Klägers, sondern auch die Ansprüche der Beklagten im Vergleich eine Regelung erfahren sollten. Mit dem Vergleich sollte auch die Gegenforderung der Beklagten abgegolten und insoweit vollständig erledigt werden, als die Parteien auch den Streit um die Frage einer Haftung des Klägers für den an dem finanzierten Fahrzeug eingetretenen Wertverlust beigelegt haben.

    Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass sich die Parteien gegen eine Rückabwicklung des Darlehensvertrages entschieden haben, es insoweit bei dem verbundenen Vertrag bleibt und deshalb keine Regelung über den Wertersatzanspruch der Beklagten getroffen worden ist, weil solche Ansprüche bei der Fortsetzung des Vertrages nicht in Rede stehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 17 W 37/19 -, Rn. 15, juris; offengelassen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 - 6 U 418/20 -, Rn. 7, juris; offengelassen: OLG Bamberg, Beschluss vom 9. November 2021 - 8 W 55/21 -, Anlagenband Beklagte).

    Die Parteien haben eine umfassende Abgeltungsklausel bezüglich aller wechselseitigen Ansprüche vorgesehen, damit deren Schicksal geregelt und das hinter den Anträgen stehende wirtschaftliche Interesse der Beklagten bewusst in den Vergleich einbezogen (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2021 - 4 W 25/21 -, Rn. 4, juris, OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 6 U 646/20 -, juris). Bei der Frage, über was sich Parteien vergleichsweise einigen, kommt es regelmäßig nur auf das Begehren der Parteien und ausgehend davon auf das gegenseitige Nachgeben an. Regelmäßig keine Rolle spielt es, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt besteht. Es wäre systemfremd, eine vergleichsweise Regelung betreffend das Begehren einer Partei mit der Begründung zu verneinen, es bestünde kein Anspruch auf das Begehrte, weshalb auf diesen Anspruch im Rahmen des Vergleichs auch nicht hätte verzichtet werden müssen.

    bb)

    Für die Werterhöhung gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 GKG ist es unerheblich, dass die Beklagte diese Hilfsaufrechnung in der Berufungsinstanz - mangels Vorlage einer Berufungserwiderung - nicht eingeführt hat, sondern sich lediglich in erster Instanz darauf berufen hat (insoweit bereits zweifelnd: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 - 6 U 418/20 -, Rn. 6, juris).

    Denn es kommt allein darauf an, ob die Parteien in ihrer materiellrechtlichen Einigung des Vergleichs zugleich Regelungen über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderungen getroffen haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. März 2011 - 10 W 8/11 -, Rn. 6, juris; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 17 W 37/19 -, Rn. 13, juris, für Hilfswiderklage).

    Dies ist aus den genannten Gründen anzunehmen. Die Beklagte erweckt in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2021 auch nicht den Eindruck, die in erster Instanz hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung fallengelassen zu haben. Dies wäre auch von ihrem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet unverständlich. Vielmehr argumentiert sie allein aus Rechtsgründen gegen eine Werterhöhung.

    c)

    Einer Wertaddition steht auch nicht die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entgegen. Die mit der Klage und der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Ansprüche betreffen nicht denselben Gegenstand.

    Zweck der Vorschrift ist es, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Klage und Widerklage die Arbeit des Gerichts vereinfacht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03 -, Rn. 8, juris). Der Gegenstandsbegriff des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht gleichbedeutend mit dem zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03 -, Rn. 8, juris). Es handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2019 - I ZR 205/18 -, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03 -, Rn. 8, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - I ZR 61/11 -, Rn. 6, juris). Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein einheitliches wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - I ZR 61/11 -, Rn. 6, juris).

    Wirtschaftliche Identität in diesem Sinne liegt vor, wenn die Ansprüche aus Klage und etwa einer Widerklage nicht in der Weise nebeneinanderstehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2019 - I ZR 205/18 -, Rn. 7, juris; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 14). Wirtschaftliche Identität ist mithin immer dann anzunehmen, wenn sich die Anträge der Klage und der Widerklage gegenseitig ausschließen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2008 - I-10 W 114/08 -, Rn. 2, juris; OLG Köln, Beschluss vom 12. Januar 2012 - I-18 W 76/11 -, Rn. 7, juris; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 14). Kostenrechtlich liegen jedoch dann verschiedene Gegenstände vor, wenn die mit der Klage und der Widerklage geltend gemachten Ansprüche einander nicht ausschließen, sodass die Zuerkennung des einen Anspruchs nicht notwendigerweise die Aberkennung des anderen Anspruchs zur Folge hat. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise soll gewährleisten, dass verschiedene Ansprüche, die denselben Streitgegenstand betreffen, einen unterschiedlichen Wert haben können (vgl. BT-Drucks 12/6962, S. 63). Selbst wenn sich die Ansprüche jedoch ausschließen und grundsätzlich von einer Identität auszugehen ist, erfährt der Nämlichkeitsgrundsatz wiederum dann eine Ausnahme, wenn mit der Klage und Widerklage Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VIII ZR 261/12 -, Rn. 5, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2008 - I-10 W 114/08 -, Rn. 2, juris).

    Dies zugrunde gelegt besteht vorliegend keine wirtschaftliche Identität der mit der Klage und der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Ansprüche.

    Die Anträge von Klage und Hilfsaufrechnung schließen sich nicht aus, sondern bilden vielmehr einen Gleichlauf dergestalt, dass bei stattzugebener Klage gleichermaßen der Raum eröffnet wird, auch der Hilfsaufrechnung zum Erfolg zu verhelfen.

    Mag dem Bestreben des Klägers um Rückabwicklung des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages und dem Wunsch der Beklagten, im Falle der Rückabwicklung Wertersatz zu erlangen, ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liegen, so sind die hinter den einzelnen Begehren stehenden wirtschaftlichen Interessen der Parteien keineswegs identisch. Wenn der Kläger so gestellt werden möchte, als hätte er den Darlehensvertrag nicht geschlossen, so ist seine Pflicht, Wertersatz zu leisten, von seinem wirtschaftlichen Interesse nicht erfasst. Während es dem Kläger nämlich um die Rückzahlung der von ihm gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen einschließlich der Anzahlung abzüglich des Veräußerungserlöses geht, reicht das Interesse der Beklagten deutlich darüber hinaus, indem sie - wenn sie schon das Begehren des Klägers zu erfüllen hat - Wertersatz für sich beansprucht.

    Dass die von den Parteien geltend gemachten Ansprüche entweder beide bestehen oder beide nicht bestehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Oktober 2021 - 6 U 418/20 -, Rn. 11, juris), sagt über die wirtschaftliche Identität der Ansprüche nichts aus. Die mit der Klage und der Aufrechnung verfolgten Teilansprüche überschneiden sich wirtschaftlich nicht, sondern betreffen unterschiedliche Vermögensdispositionen eines Rückabwicklungsverhältnisses, die sich nicht ausschließen (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24. November 2021 - 17 U 111/20 - Rn. 15 juris).

    Die Wertaddition muss auch nicht deshalb unterbleiben, weil ein Gleichlauf von der primären und der sekundären Verteidigung besteht, sodass wirtschaftlich gesehen die Hilfsaufrechnung und die primäre Verteidigung als einheitliche Verteidigung gegen den Klageanspruch gewertet werden könne (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. November 2010 - 10 W 54/10 -, Rn. 23, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 11 W 52/13 -, BeckRS 2014, 3328, beck-online; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, I. Streitwerte im gerichtlichen Verfahren im Allgemeinen, Rn. 45, beck-online; Toussaint/Elzer, 51. Aufl. 2021, GKG, § 45 Rn. 47).

    Die Primärverteidigung der Beklagten zielte auf die Verfristung der Widerrufserklärung, mithin die Verneinung einer Rückabwicklungspflicht, während die Sekundärverteidigung der Hilfsaufrechnung auf diejenigen Ansprüche gerichtet war, die der Beklagten im Falle einer - entgegen der Primärverteidigung - berechtigten Rückabwicklung zustehen.

    Die Wertaddition muss - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht deshalb unterbleiben, weil der Inhalt des Vergleichs bei wirtschaftlicher Betrachtung hinter dem durch die Berufungseinlegung beschriebenen Streitgegenstand deutlich zurückbleibt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. Oktober 2021 - 19 U 135/21 -, Anlagenband Beklagte). Ob die Parteien einen für sich günstigen oder ungünstigen Vergleich schließen und wie weit sie sich dabei von ihrem ursprünglichen Begehren entfernen, spielt für die Frage einer "wirtschaftlichen Werthäufung" von Klage und Hilfsaufrechnung ebenso wenig eine Rolle, wie für die Frage, welches Interesse die Klage und die Hilfsaufrechnung überhaupt betreffen.

    4.

    Nicht aber ist die Hilfsaufrechnung in Höhe von 5.671,17 Euro betreffend einen Anspruch der Beklagten auf vertragliche Zinsen im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs werterhöhend zu berücksichtigen.

    Denn insoweit ist nicht zweifelhaft, dass in dieser Höhe zwischen dem auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsraten gerichteten Zahlungsantrag und diesem hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Anspruch wirtschaftliche Identität vorliegt.

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG