08.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229570
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 11.04.2022 – 6 W 19/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Brandenburg
Tenor:
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die nach Klagerücknahme unterlegene Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als Teil der Prozesskosten die Kosten für prozessbegleitend von dem Beklagten - insbesondere auch zur Stellungnahme zu den vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten - beauftragte Privatgutachten antragsgemäß zu erstatten hat.
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Maßstab dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26.01.2006 - III ZB 63/05, juris Rn. 20; vom 04.04.2006 - VI ZB 66/04, juris Rn. 6; vom 20.10.2005 - VII ZB 53/05, juris Rn. 12 und vom 23.03.2004 - VIII ZB 145/03, juris Rn. 27 mwN).
a) Ist eine Partei aus eigener Sachkunde nicht ausreichend in der Lage, sich sachgerecht mit einem gerichtlich eingeholten oder von der Gegenseite vorgelegten Gutachten auseinanderzusetzen, insbesondere weil ihr aufgrund einer komplizierten und fremden Materie das erforderliche Spezialwissen fehlt, sind die Kosten für ein prozessbegleitendes Privatgutachten in aller Regel zur Ermöglichung eines substantiierten Sachvortrages notwendig (vgl. KG, OLGR 2008, 487; OLG Koblenz, JurBüro 2007, 652; MünchKommZPO/Schulz, 6. Auflage, § 91 Rn. 42 und Rn. 145). Diese Voraussetzungen liegen hier für den Beklagten vor. Dass vorliegend im Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachtens aus Sicht des Beklagten insbesondere ein hinreichender Grund für eine sachverständige Stellungnahme des Privatgutachters M... gegeben war, ergibt sich aus dem Prozessverlauf und ist vom Landgericht mit den im Nichtabhilfebeschluss vom 30.03.2022 ausgeführten Gründen, auf die verwiesen wird, zutreffend bejaht worden. Ausweislich des gerichtlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen G... wurde dem Beklagten dort gerade die fachliche Kompetenz zur Planung der streitgegenständlichen Biogasanlage abgesprochen. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass sich das Gericht allein durch eine gegenläufige Stellungnahme des Beklagten selbst und nicht erst durch das Gutachten eines von diesem privat beauftragten Sachverständigen von der möglichen Mangelhaftigkeit des gerichtlich eingeholten (Erst-) Gutachtens und der Notwendigkeit der Einholung eines weiteren gerichtlich beauftragten Gutachtens hätte überzeugen lassen.
b) Auch die weiteren Einwände des Beklagten rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.08.2021 die Notwendigkeit des Kostenaufwandes für den Privatsachverständigen detailliert und unter Vorlage der Rechnungen dargelegt (Bl. 1178 ff. d.A.). Damit sind die Mindestanforderungen an die erforderliche Substantiierung der privatgutachterlichen Tätigkeiten erfüllt und im formalisierten Kostenfestsetzungsverfahren ausreichend im Sinne von § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.01.2020 - 9 W 27/19, juris Rn. 14 ff.). Das gerichtlich eingeholte Gutachten und die Ergänzungsgutachten haben zusammen einen Umfang von nahezu 180 Textseiten nebst Anlagen. Vor diesem Hintergrund und der ersichtlich hohen Komplexität des Untersuchungsgegenstandes ist der vom Privatsachverständigen M... zunächst pauschal und in ergänzenden Stellungnahmen nach Stunden abgerechnete Aufwand, den die Beschwerdeführerin maßgeblich angreift, auch nicht offensichtlich übersetzt. Die Gesamtkosten für die Gutachten allein dieses Privatsachverständigen von 24.574,06 € sind zwar erheblich, erscheinen aber mit Blick auf die für den Beklagten nach seinen Darlegungen existenzbedrohende Klageforderung von annähernd 1,8 Mio. € nicht als unverhältnismäßig. Das gilt gerade auch bei vergleichender Betrachtung der durch die gerichtlich eingeholten Gutachten entstandenen Kosten, die sich auf rund 48.000 € und damit fast das Doppelte belaufen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Wertfestsetzung ist für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht erforderlich. Ein Kostenwert ist grundsätzlich nur festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach einem Gegenstandswert berechnen (vgl. § 63 Abs. 1 GKG). Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies wegen der zu erhebenden Festgebühr nicht der Fall (vgl. Nr. 1812 KV GKG).
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil hierfür die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Beschluss vom 11.04.2022
Tenor:
- Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 17.01.2022, Az. 6 O 493/16, wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die nach Klagerücknahme unterlegene Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als Teil der Prozesskosten die Kosten für prozessbegleitend von dem Beklagten - insbesondere auch zur Stellungnahme zu den vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten - beauftragte Privatgutachten antragsgemäß zu erstatten hat.
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Maßstab dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26.01.2006 - III ZB 63/05, juris Rn. 20; vom 04.04.2006 - VI ZB 66/04, juris Rn. 6; vom 20.10.2005 - VII ZB 53/05, juris Rn. 12 und vom 23.03.2004 - VIII ZB 145/03, juris Rn. 27 mwN).
a) Ist eine Partei aus eigener Sachkunde nicht ausreichend in der Lage, sich sachgerecht mit einem gerichtlich eingeholten oder von der Gegenseite vorgelegten Gutachten auseinanderzusetzen, insbesondere weil ihr aufgrund einer komplizierten und fremden Materie das erforderliche Spezialwissen fehlt, sind die Kosten für ein prozessbegleitendes Privatgutachten in aller Regel zur Ermöglichung eines substantiierten Sachvortrages notwendig (vgl. KG, OLGR 2008, 487; OLG Koblenz, JurBüro 2007, 652; MünchKommZPO/Schulz, 6. Auflage, § 91 Rn. 42 und Rn. 145). Diese Voraussetzungen liegen hier für den Beklagten vor. Dass vorliegend im Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachtens aus Sicht des Beklagten insbesondere ein hinreichender Grund für eine sachverständige Stellungnahme des Privatgutachters M... gegeben war, ergibt sich aus dem Prozessverlauf und ist vom Landgericht mit den im Nichtabhilfebeschluss vom 30.03.2022 ausgeführten Gründen, auf die verwiesen wird, zutreffend bejaht worden. Ausweislich des gerichtlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen G... wurde dem Beklagten dort gerade die fachliche Kompetenz zur Planung der streitgegenständlichen Biogasanlage abgesprochen. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass sich das Gericht allein durch eine gegenläufige Stellungnahme des Beklagten selbst und nicht erst durch das Gutachten eines von diesem privat beauftragten Sachverständigen von der möglichen Mangelhaftigkeit des gerichtlich eingeholten (Erst-) Gutachtens und der Notwendigkeit der Einholung eines weiteren gerichtlich beauftragten Gutachtens hätte überzeugen lassen.
b) Auch die weiteren Einwände des Beklagten rechtfertigen keine andere Entscheidung. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.08.2021 die Notwendigkeit des Kostenaufwandes für den Privatsachverständigen detailliert und unter Vorlage der Rechnungen dargelegt (Bl. 1178 ff. d.A.). Damit sind die Mindestanforderungen an die erforderliche Substantiierung der privatgutachterlichen Tätigkeiten erfüllt und im formalisierten Kostenfestsetzungsverfahren ausreichend im Sinne von § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.01.2020 - 9 W 27/19, juris Rn. 14 ff.). Das gerichtlich eingeholte Gutachten und die Ergänzungsgutachten haben zusammen einen Umfang von nahezu 180 Textseiten nebst Anlagen. Vor diesem Hintergrund und der ersichtlich hohen Komplexität des Untersuchungsgegenstandes ist der vom Privatsachverständigen M... zunächst pauschal und in ergänzenden Stellungnahmen nach Stunden abgerechnete Aufwand, den die Beschwerdeführerin maßgeblich angreift, auch nicht offensichtlich übersetzt. Die Gesamtkosten für die Gutachten allein dieses Privatsachverständigen von 24.574,06 € sind zwar erheblich, erscheinen aber mit Blick auf die für den Beklagten nach seinen Darlegungen existenzbedrohende Klageforderung von annähernd 1,8 Mio. € nicht als unverhältnismäßig. Das gilt gerade auch bei vergleichender Betrachtung der durch die gerichtlich eingeholten Gutachten entstandenen Kosten, die sich auf rund 48.000 € und damit fast das Doppelte belaufen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Wertfestsetzung ist für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht erforderlich. Ein Kostenwert ist grundsätzlich nur festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach einem Gegenstandswert berechnen (vgl. § 63 Abs. 1 GKG). Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies wegen der zu erhebenden Festgebühr nicht der Fall (vgl. Nr. 1812 KV GKG).
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil hierfür die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
RechtsgebieteZivilprozessrecht, KostenfestsetzungVorschriften§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO