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  • 11.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230163

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 11.05.2022 – 8 W 7/22

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Beklagten zu 2) bis 5) vom 08.12.2021 wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Münster vom 25.11.2021 in Ge- stalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 02.02.2022 dahin abgeändert, dass der Streitwert auf 6.400,00 EUR festgesetzt wird.

    Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
     
    1

    Gründe:
    2

    I.
    3

    Die Klägerin und die Beklagten zu 2) bis 5) sind Kommanditisten der A GmbH & Co. KG (im Folgenden: A KG) mit Sitz in B. Ein weiterer Kommanditist ist nicht an diesem Rechtsstreit beteiligt. Die Kommanditisten der A KG sind zugleich Gesellschafter der Beklagten zu 1), die auch Komplementärin der A KG ist. Der Beklagte zu 3) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Gesellschaftsverträge beider Gesellschaften (Anlagen AF 2 und AF 4) datieren aus dem Jahr 2007. Die A KG wurde gegründet zur Entwicklung und Vermarktung eines über das zentrale Nervensystem wirkenden Schmerzmedikamentes.
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    Das Festkapital der A KG beträgt 235.000,00 EUR, die Summe der Hafteinlagen ist in § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages abweichend auf 50.500,00 EUR festgesetzt. Der Kapitalanteil der Klägerin beträgt 31.676,00 EUR, sie ist mit einer Einlage in Höhe von 32.000,00 EUR im Handelsregister HRA ###1 Amtsgericht Münster, Anlage AF 1) eingetragen. Am Stammkapital der Beklagten zu 1) in Höhe von 25.200,00 EUR ist die Klägerin mit einem Geschäftsanteil zum Nennwert von 3.400,00 EUR beteiligt.
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    Mit ihrer Klage vom 22.03.2021 und der Klageerweiterung vom 18.05.2021 hat sich die Klägerin gegen Beschlussfassungen gewandt, die in Gesellschaftsversammlungen der A KG und der Beklagten zu 1) vom 24.02.2021 und vom 28.04.2021 gefasst wurden. Diese betreffen die Entlastung der Geschäftsführer, die Änderung des Gesellschaftsvertrages der A KG und der Satzung der Beklagten in Bezug auf die Beendigung der Gesellschaften durch Kündigung und den Wegfall von Wett- bewerbsverbot und Verschwiegenheitspflichten sowie die Änderung des Unterneh- mensgenstandes der A KG (Beratung bei der Entwicklung von Impfstoffen). Die Klägerin hat in der Klageschrift deutlich gemacht, dass die Anträge bezogen auf die Feststellung der Nichtigkeit der in der A KG gefassten Beschlüsse sich gegen die Beklagten zu 2) bis 5) richteten und die Anträge hinsichtlich der Unwirksamkeit der in der Beklagten zu 1) gefassten Beschlüsse gegen diese selbst. Ferner hat die Klägerin die Feststellung beantragt, dass die Kündigungen, die die Beklagten zu 2) bis 5) zu Protokoll der Gesellschafterversammlungen der A KG und der Beklagten zu 1) erklärt hatten, unwirksam seien. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben gemeint, alle Beschlüsse seien wirksam gefasst worden und auch in der Sache nicht zu beanstanden.
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    Mit Beschluss vom 03.08.2021 (Az. 72 IN 25/21) ordnete das Amtsgericht Münster die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A KG an. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 07.09.2021 (Az.: 72 IN 24/21) mangels Masse abgelehnt.
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    Durch Urteil vom 25.11.2021 hat das Landgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben und sie lediglich hinsichtlich der Teilanträge zu Ziff. I. 3. (Beschluss über Auflösung der A KG) und Ziff. II. 1. (Entlastung des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) C) abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
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    Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 25.11.2021 hat das Landgericht ‒ der vorläufigen Angabe der Klägerin in der Klageschrift entsprechend ‒ den Streitwert insgesamt auf 50.000,00 EUR festgesetzt. Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten zu 2) bis 5), mit der diese eine Herabsetzung des Streitwerts anstreben, hat das Landgericht den Streitwert auf 25.000,00 EUR reduziert. Im Übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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    Die Beklagten zu 2) bis 5) meinen, da die Beklagte zu 1) und die A KG über kein verwertbares Vermögen verfügten, stelle sich die Frage, welcher Wert in dem Rechtsstreit streitig gewesen sei. Seit dem Zeitpunkt, zu dem die mit der Klage angegriffenen Beschlüsse gefasst worden seien, hätten seitens der A KG mangels vorhandener Liquidität keine Vermögensbewegungen stattgefunden. Die Patentrechte, aus denen ggf. Vermögenswerte hätten entwickelt werden können, seien mittlerweile erloschen, da die Patenterhaltungsgebühren beim Deutschen Markenamt nicht bezahlt worden seien. Diese Rechte seien der Klägerin zur alleinigen Verwertung kostenlos angeboten worden, sie habe auf das Angebot jedoch nicht reagiert.
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    Die Beklagte zu 1) hält einen Streitwert von 10 % ihres Stammkapitals für angemessen, die Bewertung des Landgerichts sei nicht nachvollziehbar. Es sei nicht ersichtlich, welcher wirtschaftliche Wert einen Gegenstandswert von 25.000,00 EUR begründen könnte. Bei der Streitwertfestsetzung sei zu berücksichtigen, dass die A KG und die Beklagte zahlungsunfähig seien. Der einzige Vermögenswert, die hinter dem Streit stehenden Patente, seien wirtschaftlich wertlos. Außer einem ideellen Wert für die Klägerin sei dem Verfahren kein Wert beizumessen.
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    Die Klägerin ist der Auffassung, der Streitwert betrage mindestens 50.000,00 EUR, eine Herabsetzung sei nicht gerechtfertigt. Maßgeblich sei ihr eigenes Interesse. Der Streitwert sei unter Berücksichtigung von § 247 Abs. 1 AktG analog zu ermitteln. Gegenstand des Klageverfahrens seien verschiedene Gesellschafterbeschlüsse der Beklagten zu 1) und der A KG gewesen, so dass ein aus den Streitwerten der einzelnen Beschlüsse zusammengesetzter Gesamtstreitwert zu ermitteln sei. Dabei ergebe sich ein Gesamtgegenstandswert von 113.234,00 EUR. Dieser setze sich aus einem Betrag von 3 ͯ 3.400,00 EUR, mithin 13.200,00 EUR (rechnerisch richtig: 10.200,00 EUR) für die Anfechtung der drei Gesellschafterbeschlüsse der Beklagten zu 1), einem Betrag von 5.000,00 EUR betreffend den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärungen der A KG und einem Betrag von 3 ͯ  31.678,00 EUR, mithin 95.034,00 EUR betreffend die Überprüfung der Gesellschafterbeschlüsse der A KG zusammen. Der von ihr selbst angegebene Gegenstandswert von 50.000,00 EUR liege daher selbst bei Berücksichtigung der Insolvenz der Beklagten zu 1), die ihr Gesamtinteresse an der streitgegenständlichen Entscheidung nicht mindere, am unteren Rand. Sie ‒ die Klägerin ‒ habe zwischenzeitlich von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der A KG die streitberührten Patente und Markenrechte erworben und darüber hinaus auch die Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter aus dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot. Diese Rechte werde sie weiterhin verfolgen.
    12

    II.
    13

    Die nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Beklagten zu 2) bis 5), die auf eine (weitere) Herabsetzung des Streitwerts abzielt, ist weitgehend begründet und führt zu einer Festsetzung des Gesamtstreitwerts auf 6.400,00 EUR.
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    1.
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    Das Landgericht hat bei seiner Streitwertfestsetzung nicht beachtet, dass bei der Anfechtung verschiedener Beschlüsse mit mehreren Anträgen nach § 39 Abs. 1 GKG für jeden Antrag ein Einzelstreitwert zu bestimmen ist (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., Anhang zu § 47 Rn. 83; BGH, Beschluss vom 06.04.1992, II ZR 249/90, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.02.2015, 2 U 143/12, juris, Rn. 12), sofern keine wirtschaftliche Identität besteht (Wöstmann, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 3 Rn. 81 zum Stichwort „Gesellschaft“).
    16

    2.
    17

    Zudem besteht die Besonderheit, dass am 24.02.2021 und am 28.04.2021 zeitgleich Gesellschafterversammlungen beider Gesellschaften stattfanden und die von der Klägerin beanstandeten Beschlüsse gemäß den Anträgen zu Ziffer I. (betreffend die A KG) und zu Ziffer II. (betreffend die Beklagte zu 1)) mit identischem Beschlussgegenstand in beiden Gesellschaften gefasst wurden. Eine Ausnahme bildete der Antrag zu Ziffer I. 3., zu dem nach den Entscheidungsgründen keine Abstimmung erfolgte, so dass die Klage insoweit abgewiesen wurde. Auch die Klageerweiterung betrifft zum Teil identische Beschlussgegenstände.
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    a)
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    Der Streitwert einer Beschlussmängelklage gegen GmbH-Beschlüsse, wie sie bezogen auf die Beklagte zu 1) vorliegt, wird in der Regel unter entsprechender Heranziehung von § 247 AktG bestimmt (h.M.; vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.1999, II ZR 313/97; Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., Anhang zu § 47 Rn. 83; Wertenbruch in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl., Anhang § 47 Rn. 350; Wiegand-Schneider, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, § 39 Rn. 71). Dies gilt indes nicht für die Obergrenze des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG, denn für den damit bezweckten Schutz von Kleingesellschaftern vor unzumutbaren Kostenrisiken besteht bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung kein vergleichbares praktisches Bedürfnis (Fischer in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl. § 18 Rn. 30; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 3 Rn. 23 Stichwort „Anfechtungsklage“; Wöstmann, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 3 Rn. 81 zum Stichwort „Gesellschaft“; Emde, DB 1996, 1557; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 04.01.2013, 4 W 338/12, juris). Jedenfalls kann die Regelung in § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG im Rahmen von § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG als Orientierung dienen (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anhang zu § 47 GmbHG Rn. 83).
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    b)
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    Bei der Kommanditgesellschaft müssen Beschlussmängel wie bei allen Personengesellschaften im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden. Diese ist gegen die widersprechenden Gesellschafter und nicht gegen die Gesellschaft selbst zu richten (Wiegand-Schneider, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, § 68 Rn. 6). Für den Streitwert einer allgemeinen Feststellungsklage finden nach § 12 Abs. 1 GKG die Wertfestsetzungsvorschriften der ZPO, hier also § 3 ZPO Anwendung, so dass das nach freiem Ermessen festzusetzende maßgebliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung maßgeblich ist. Ob eine entsprechende Anwendung des § 247 AktG auf einen Gesellschafterbeschlüsse betreffenden Streit zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft in Betracht kommt, wird in Rechtsprechung und Literatur ‒ in Abhängigkeit von der Struktur der betroffenen Gesellschaft ‒ unterschiedlich beurteilt. Von der überwiegenden Auffassung wird eine analoge Anwendung von § 247 AktG abgelehnt (BGH, Beschluss vom 21.02.2002, II ZR 91/00 für zweigliedrige KG; BGH, Beschluss vom 25.05.1992, II ZR 23/92, juris für Verein; Fischer, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl., § 18 Rn. 33; Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 247 Rn. 7; s. aber BGH, Beschluss vom 15.03.1999, II ZR 22/10, NZG 2011, 997; befürwortend Emde, DB 1996, 1557). Maßgeblich ist, ob der Grundgedanke des § 247 AktG in der jeweiligen Konstellation Anwendung finden muss, da der streitwerterhöhende Grundansatz des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG, auf dem der weitere Regelungsgehalt der Vorschrift beruht, nicht verallgemeinerungsfähig ist (Schäfer in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 247 Rn. 7). Klaffen das wirtschaftliche Interesse des mit nur einem verschwindend geringen Kapitalanteil beteiligten Klägers und das Interesse der Beklagten an der ‒ in der Regel auch für und gegen alle sonstigen Gesellschafter wirken- den ‒ Feststellung der (Un-)Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses weit auseinander, hat die Festlegung des Streitwerts der Bedeutung der Sache nicht nur für den Kläger, sondern auch für die Beklagte Rechnung zu tragen (Siegmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl., § 78 Rn. 29).
    22

    c)
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    Angesichts der engen Verflechtung und der identischen Beteiligungsverhältnisse in beiden Gesellschaften ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Vernichtung jedenfalls der gleichlautenden Beschlüsse deckungsgleich. Die Beschlussfassungen in der Beklagten zu 1) dienten allein der Umsetzung der Entscheidungen, die die Beklagten zu 2) bis 5) für die operativ tätige A KG, deren Geschäftstätigkeit sie als gescheitert ansehen, treffen wollten. Die Klägerin ist mit einem nicht unerheblichen Anteil von über 13 % an beiden Gesellschaften beteiligt. Ihr durch die Klage zum Ausdruck gebrachtes Interesse, die Geschäftsführung nicht zu entlasten und eine Umgestaltung der Gesellschaften bzw. deren Auflösung zu verhindern, ist daher in erster Linie streitwertbestimmend. Der Grundgedanke des § 247 AktG, das oft geringe Interesse des einzelnen Gesellschafters und das regelmäßig höhere wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft zueinander in Relation zu setzen (Fischer in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, 6. Aufl. § 18 Rn. 26), passt damit in der vorliegenden Konstellation nicht. Allerdings beeinflusst die später festgestellte Vermögenslosigkeit beider Gesellschaften das für die Streitwertbemessung in erster Linie maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin. Auch wenn für die Wertberechnung nach § 40 GKG der Streitwert zum Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist, erlaubt das Ergebnis der Prüfung der im Mai 2021 für beide Gesellschaften gestellten Insolvenzanträge Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen Verhältnisse am 22.03.2021 (Eingang der Klage) und am 19.05.2021 (Eingang der Klageerweiterung). Dies ist jedoch nicht Ausfluss einer analogen Anwendung von § 247 AktG.
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    3.
    25

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bemisst der Senat den Streitwert der einzelnen Anträge wie folgt:
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    a)    Anträge zu Ziffern I. 1. und II. 1.: Entlastung der Geschäftsführer beider Gesellschaften
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    Ein konkretes wirtschaftliches Interesse, die Entlastung der Geschäftsführung zu verhindern ‒ etwa um etwaige Schadensersatzansprüche durchzusetzen (vgl. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2019, 5 U 21/18, juris, Rn. 82) ‒ hat die Klägerin nicht dargetan, wie sich auch aus S. 29 der Urteilsgründe ergibt. Der Senat orientiert sich daher bei der Bemessung des Interesses der Klägerin an dem von ihr übernommenen wirtschaftlichen Risiko. Maßgeblich für dessen Bestimmung sind die wirtschaftlichen Verhältnissen der A KG, in der das operative Geschäft angesiedelt war. Das Festkapital in Höhe von 235.000,00 EUR ist allerdings, wie sich aus den Ausführungen zu Nr. 4.1 des Protokolls der Gesellschafterversammlung der A KG vom 24.02.2021 ergibt, nicht voll eingezahlt. Der Senat hält es daher für sachgerecht, auf die abweichend festgesetzte Summe der Hafteinlagen (§§ 171 Abs. 1, 172 HGB) abzustellen, da dieser Betrag das von den Kommanditisten übernommene wirtschaftliche Risiko besser abbildet als der Betrag des Festkapitals. In Anlehnung an § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG hält der Senat daher einen Bruchteil von 10 % der Hafteinlage der Klägerin für angemessen, so dass sich für die Anträge zu Ziffern I.1. und II. 1. ein Streitwert in Höhe von 3.200,00 EUR ergibt.
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    b)   Anträge zu Ziffern I. 2. und II. 2.: Änderung beider Gesellschaftsverträge
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    Die beabsichtigte Änderung der Gesellschaftsverträge zielte über die Erleichterung der Kündigungsmöglichkeiten und eine Befreiung der Gesellschafter von Wettbewerbsverbot und Verschwiegenheitspflichten darauf ab, die bisherige Geschäftstätigkeit der Gesellschaften zu beenden, um den Beklagten zu 2) bis 5) die Möglichkeit zu geben, sich aus dem aus ihrer Sicht gescheiterten Projekt zurückzuziehen. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin war daher auf eine Fortsetzung der bisherigen Geschäftstätigkeit gerichtet, die durch den drohenden Weggang von vier Gesellschaftern einschließlich ihrer Arbeitskraft und Expertise gefährdet war, auch wenn die Kündigungen angesichts der Fortsetzungsklauseln in beiden Verträgen nicht zu einer Auflösung der Gesellschaften geführt hätten. Bei der Bemessung dieses Interesses ist eine Zusammenschau aller in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren geboten (Herget in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 3 Rn. 16.83). Zu berücksichtigen sind der Wert der Beteiligung der Klägerin, eine etwaige Vorsorge gegen eine drohende Haftung oder Haftungserweiterung und die im Fall einer Fortsetzung der Geschäftstätigkeit bestehenden Gewinnaussichten der Klägerin durch die Vermarktung des Schmerzmittel-Patentes, dem einzigen Vermögensgut der A KG. Auch die beabsichtigte Verhinderung einer Konkurrenztätigkeit der Beklagten zu 2) bis 5) bei der Vermarktung von Schmerzmitteln diente der Erhaltung bestehender Geschäftschancen der A KG. Auch hier orientiert sich der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte an der Höhe der Einlage der Klägerin und bemisst ihr wirtschaftliches Interesse mit 10 % dieses Betrages, also 3.200,00 EUR. Die A KG hat nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten zu 1) seit ihrer Gründung im Jahr 2007 keine Gewinne, sondern immer nur Verluste erwirtschaftet (S. 2 der Klageerwiderung vom 18.05.2021, Bl. 89 d.A.). Nach dem Inhalt von Nr. 4.1 des Protokolls der Gesellschafterversammlung der A KG vom 24.02.2021 verfügte die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt über ein Guthaben in Höhe von 500,00 EUR. Dass eine wirtschaftliche Verwertung der Patente noch möglich und mit einer reellen Gewinnaussicht verbunden war, hat die Klägerin im Rechtsstreit nicht behauptet. Die im Mai 2021 und damit zeitnah nach Klageerhebung gestellten Insolvenzanträge belegen die fehlende Fortführungsprognose. Auch bestand keine Gefahr, dass die Gesellschafter zur Einzahlung des noch ausstehenden Festkapitals verpflichtet werden würden, wie sich aus Nr. 4.1 des bereits zitierten Protokolls ergibt. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2021 behauptet, bei einer Vermarktung des Patentes der A KG gehe es im Erfolgsfalle um mehrere Millionen EUR, ist dieser Vortrag ohne Substanz und nicht durch konkrete Tatsachen untermauert.
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    c)   Antrag zu Ziffer I. 3.: Auflösung der A KG
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    Auch wenn zu dem angekündigten Tagesordnungspunkt keine Beschlussfassung er- folgte, ist der Antrag bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen. Angesichts der wirtschaftlichen Identität mit den Anträgen zu Ziffern I. 2. und II. 2. verbietet sich jedoch eine gesonderte Festsetzung und Addition nach §§ 5 ZPO, 39 GKG.
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    d)   Anträge zu Ziffern III. und IV.: Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen der Beklagten zu 2) bis 5)
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    In Bezug auf diese Anträge hat das Landgericht übersehen, dass die Feststellungsanträge unzulässig waren, da sie nicht auf die Klärung eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses gerichtet waren. Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO ist zwar auch jedes Schuldverhältnis zwischen den Parteien, so dass die Wirksamkeit, der Inhalt oder die Beendigung eines Vertrages zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden kann (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 3). Dies gilt jedoch nicht für bloße Vorfragen zu einem Rechtsverhältnis wie z.B. die Wirksamkeit einer Kündigung oder die Wirksamkeit eines Widerrufs (BGH, Urteil vom 29.09.1999, XII ZR 313/98, juris Rn. 44; BGH, Beschluss vom 14.10.2008, XI ZR 173/07, juris). Dies entbindet unabhängig von der Möglichkeit, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken, nicht von einer Streitwertfestsetzung für die unzulässigen Anträge. Auch hier besteht jedoch wirtschaftliche Identität mit den Anträgen zu Ziffern I. 2. und II. 2., da das Interesse der Klägerin darauf gerichtet war, die Gesellschaften mit den bisherigen Gesellschaftern fortzusetzen.
    34

    e)    Klageerweiterung vom 18.05.2021: Änderung des Unternehmensgegenstandes der A KG, Wegfall von Wettbewerbsverbot und Verschwiegenheitspflicht(en)
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    In Bezug auf die Änderung des Unternehmensgegenstandes war das Interesse der Klägerin ebenfalls darauf gerichtet, die bisherige Geschäftstätigkeit fortzusetzen. Sie hat die Auffassung vertreten, die beschlossene Änderung des Gegenstandes komme einer Auflösung der A KG gleich, zumal die Gesellschaft über kein Know-How auf dem Gebiet der Entwicklung von Impfstoffen verfüge. Auch insoweit besteht daher wirtschaftliche Identität mit den obigen Anträgen. Gleiches gilt für die erneut gefassten Beschlüsse über die Streichung der Regelungen zum Wettbewerbsverbot und zu den Verschwiegenheitspflichten.
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    4.
    37

    Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebieteGmbH-Recht, Streitwert, Beschlussmängelklage, wirtschaftliches Interesse, Entlastung der GeschäftsführungVorschriften§ 12 Abs. 1, § 39 Abs. 1, § 40 GKG,§ 3 ZPO, § 247 AktG