11.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230169
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 14.02.2022 – 7 U 199/21
1.
Ein zwar reparierter aber nicht unerheblicher Leitungswasserschaden (Sanierungskosten > 13 T€), der nur drei Jahre zurückliegt, ist bei einem Verkauf des Hauses aufklärungspflichtig.
2.
Der Berufungskläger hat im Falle einer Beschlusszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO auch die Kosten einer damit wirkungslos gewordenen, im Übrigen zulässigen, Anschlussberufung zu tragen. Für die Kostenentscheidung macht es keinen Unterschied, ob der Berufungskläger bereits auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts seine Berufung zurückgenommen oder ob sie durch Beschluss nach § 522 Abs.2 ZPO endgültig zurückgewiesen wird.
Bei einer Beschlusszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO hat der Berufungskläger auch die Kosten einer damit wirkungslos gewordenen, im Übrigen aber zulässigen Anschlussberufung zu tragen.
Tenor:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 01.11.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer Urteil des Landgerichts Lübeck wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Lübeck ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.961,95 € festgesetzt.
5.
Die Anschlussberufung der Kläger ist wirkungslos (§ 524 Abs.4 ZPO).
Gründe
Die Parteien streiten um Minderungs- und Schadenersatzansprüche nach dem Verkauf eines Hausgrundstückes im April 2019.
Die auf Zahlung von insgesamt 31.961,95 € gerichtete Klage hatte erstinstanzlich Erfolg in Höhe von 5.220,95 € wegen verschwiegener Feuchtigkeitsschäden im Wohnzimmerbereich des Hauses. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung; die Anschlussberufung der Kläger ist auf Zahlung weiterer 9.741,-€ wegen dieses Mangels gerichtet.
Die Berufung der Beklagte gegen das angefochtene Urteil ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 24.01.2022 Bezug genommen. Dort hat der Senat ausgeführt:
"Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO.
Mit der Berufung kann gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur geltend gemacht werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten zeigt weder das Vorliegen des einen noch des anderen Berufungsgrundes auf.
Vielmehr hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, der der Senat beitritt, die Beklagten zur Zahlung eines Minderungsbetrages sowie zum Ersatz der Kosten für ein vorgerichtliches Sachverständigengutachten verurteilt.
Die Beklagten haben arglistig im Sinne von § 444 BGB - sodass sie sich auf den Gewährleistungsausschluss gem. § 6 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages vom 26.04.2019 (Anlage K 1) nicht berufen können - einen Mangel des von ihnen an die Kläger verkauften Hausgrundstückes verschwiegen.
Bei dem nur rund 3 Jahre vor dem Verkauf der Immobilie aufgetretenen Wasserschaden handelte es sich, ungeachtet der Tatsache, dass er ordnungsgemäß beseitigt worden ist, um einen aufklärungspflichtigen Mangel. Betroffen war nach den eigenen Angaben der Beklagten vor dem Landgericht der "Estrich des gesamten Wohnbereiches". Ausweislich der Rechnung der L GmbH vom 22.08.2016 (Anlagenband Beklagte) beliefen sich die Kosten der Sanierung auf mehr als 13.300,00 €. Von einem unerheblichen Mangel, der nicht aufklärungspflichtig wäre, kann bei einem solchen Schaden nicht die Rede sein (vgl. Grüneberg (ehem.Palandt) - Ellenberger, BGB 81. Aufl., § 123, Rn. 8 m.w.N.).
Dies war offensichtlich auch den Beklagten klar, die dem von ihnen mit der Vermakelung des Objekts beauftragten Zeugen H. den Wasserschaden mitgeteilt hatten; dass dieser der Auffassung war, es handle sich nicht um einen offenbarungspflichtigen Mangel entband die Beklagten aber nicht davon, diesen Mangel gleichwohl den Klägern mitzuteilen.
Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang dem Zeugen H. nicht geglaubt hat, dass er gleichwohl gegenüber den Klägern den stattgehabten Wasserschaden erwähnt haben will, ist dies aus berufungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (§ 286 ZPO). Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ist noch darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Zeugen H., ihm sei klar gewesen, "dass das Ganze (ergänze: Wasserschaden) beim Verkaufsgespräch erwähnt werden muss", vor dem Hintergrund der von dem Beklagten zu 2. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2020 vor dem Landgericht präsentierten WhatsApp-Nachricht des Zeugen (vgl. Bl. 45 GA), wonach er es verneinte, den Wasserschaden potenziellen Käufern mitzuteilen, gänzlich unplausibel ist.
Die Höhe des zuerkannten Minderungsbetrages basiert auf den nachvollziehbaren, überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. G. in seinem schriftlichen Gutachten (Eingang bei Gericht am 01.06.2021). Die Schätzung des Minderwertes anhand der Ausführungen des Gutachters mit 4.357,00 € ist, da es sich um ein "lokal abgrenzbares Ereignis" gehandelt hat (S. 30 des Gutachtens), gleichfalls nicht zu beanstanden (§ 441 Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 286 ZPO).
Daneben schulden die Beklagten im Schadenersatzwege Ersatz der Kosten für die vorgerichtlich von den Klägern eingeholte sachverständige Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. mit 863,95 €."
Inhaltlich haben die Beklagten dazu keine Stellung genommen, vielmehr mit Schriftsatz vom 07.02.2022 um eine Beschlusszurückweisung gebeten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10 und 713 ZPO.
Dabei haben die Beklagten die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens, also auch die Kosten der gem. § 524 Abs.4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung, zu tragen.
Entgegen der in Teilen der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Senats und auch der einer Vielzahl anderer Oberlandesgerichte (vgl. die Gegenüberstellung bei Zöller-Heßler, ZPO 34. Aufl. § 524 Rn 42), dass der Berufungsführer auch im Falle einer Beschlusszurückweisung im Regelfall die Kosten einer damit wirkungslos gewordenen - im übrigen zulässigen - Anschlussberufung zu tragen hat. Denn für den Anschlussberufungskläger macht es keinen Unterschied, ob auf den Hinweis nach § 522 Abs.2 ZPO die Berufung zurückgenommen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird (OLG Frankfurt Beschluss vom 25.05.2018, 13 U 236/16); es kann auch nicht im Belieben des Berufungsklägers stehen, ob im Rahmen des § 522 Abs.2 ZPO der Anschlussberufungskläger quotal mit den Rechtsmittelkosten belastet wird - auch wenn keine Sachentscheidung über das Anschlussrechtsmittel ergeht - oder nicht (vgl. OLG Braunschweig Beschluss vom 18.12.2019, 11 U 85/18, MDR 2020, S. 694 f.).
RechtsgebietKostenrecht
Vorschriften§ 522 Abs. 2 ZPO