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  • 09.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235189

    Oberlandesgericht Zweibrücken: Urteil vom 09.03.2023 – 4 U 97/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Zweibrücken

    Urteil vom 09.03.2023


    In dem Rechtsstreit
    D.
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte X
    gegen
    B.
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Y

    wegen Rechtsanwaltshaftung

    hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Landgericht xxx auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2023 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 04.07.2022, Az. 4 O 315/21 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:
      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.950,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2022 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsverlangens wird die Klage abgewiesen.
    2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 55 % und die Beklagte 45 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.
    5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.950,96 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der klagende Rechtsschutzversicherer nimmt die Beklagte (Partnerschaft von Rechtsanwälten) aus übergegangenem Recht seiner Versicherungsnehmer mit der am 20.01.2022 zugestellten Klage auf Schadenersatz wegen behaupteter Berufspflichtverletzung bei der Führung eines anwaltlichen Mandats in Anspruch.

    Die Beklagte beriet und vertrat die bei der Klägerin rechtsschutzversicherten Zeugen M. und S. G. zunächst vorgerichtlich und sodann in einem über zwei Instanzen geführten Zivilrechtsstreit gegen die V. Gegenstand der Auseinandersetzung war der Widerruf eines dinglich besicherten Immobiliendarlehensvertrages über 88.200,00 € für den Erwerb einer Eigentumswohnung, den die Mandanten am 17.02.2011 mit der V. geschlossen hatten.

    Die Beklagte erachtete die dem Darlehensvertrag beigefügte umrandete Widerrufsbelehrung, wegen deren Wortlauts auf Blatt 29 der eAkte erster Instanz verwiesen wird, als rechtlich fehlerhaft. Die Widerrufsbelehrung enthält eine sog. "Kaskadenverweisung", worauf die Beklagten in dem für die Mandanten verfassten Widerrufsschreiben vom 23.08.2016 hinwiesen. Ferner enthält die Widerrufsinformation u.a. folgenden Passus:

    "Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückerlangen kann."

    Ausweislich des Vertragsdokuments sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditgeberin Bestandteil des Darlehensvertrages (Anlage K 7, Bl. 30 ff der eAkte erster Instanz) und waren diesem auch beigefügt. Bezüglich des Inhaltes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird auf Anlage K8 (Bl. 86-89 der eAkte erster Instanz) verwiesen.

    Die Mandanten ließen mit Schreiben der Beklagten vom 23.08.2016 den Widerruf des Vertrages erklären, nach Ablehnung seitens der Bank gegen diese durch die Beklagte Klage zum Landgericht Frankenthal (Pfalz) (Az. ...) erheben und gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz vom 29.09.2017 Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken (Az. ...) einlegen. Die Berufung ging am 06.11.2017 ein und wurde von den Beklagten am 14.11.2017 für die Mandanten begründet. Auf einen am 15.10.2018 erteilten Hinweis des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO nahm die Beklagte die Berufung für die Mandanten zurück. Vor Tätigwerden der Beklagten war jeweils eine Deckungszusage bei der Klägerin eingeholt worden.

    Der Klägerin entstanden aus dem verlorenen Prozess Kosten von insgesamt 35.708,87 €. Mit Schreiben vom 30.08.2021 ließ die Klägerin die Beklagte zur Erstattung dieses Betrages bis zum 10.09.2021 auffordern.

    Die Klägerin hat erstinstanzlich den Standpunkt eingenommen,

    dass die Beklagte den rechtsschutzversicherten Mandanten von einem Vorgehen gegen die Bank hätte abraten müssen, da die Rechtsverfolgung durch Darlehenswiderruf von Anfang an keine oder allenfalls äußerst geringe Erfolgsaussichten geboten habe. Denn die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen gewesen.

    Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei der beanstandete Passus in der Widerrufsbelehrung von der herrschenden Rechtsprechung nicht als unzulässig beurteilt worden; hierüber hätte die Beklagte die Mandanten aufklären müssen. Das von der Beklagten im Prozess gegen die V. ins Feld geführte Urteil des Landgerichts Aurich sei zum einen erst nach Anhängigkeit der Klage ergangen; zum anderen habe es eine absolute Mindermeinung dargestellt. Im Übrigen habe das übergeordnete Berufungsgericht (Oberlandesgericht Oldenburg) dieses Urteil - unstreitig - noch vor der mündlichen Verhandlung im hiesigen Ausgangsverfahren abgeändert und die dortige Klage mit der Begründung abgewiesen, die Widerrufsbelehrung sei wirksam. Hierüber hätte die Beklagte die Mandanten aufklären müssen. Ebenso hätte sie die Mandanten darüber informieren müssen, dass die für ihren Prozess zuständige Kammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) in einem anderen Rechtsstreit die Klausel bereits am 16.03.2017 als wirksam beurteilt habe. Die Beklagte habe dadurch die sie treffenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Die Beklagte hätte von sich aus deutlich zum hohen Grad des Risikos und der Wahrscheinlichkeit des Prozessverlustes Stellung nehmen müssen. Sei eine Klage aussichtslos, müsse dies der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten klar herausstellen. Vorliegend habe die Beklagte jedoch den Rat erteilt, "es auf jeden Fall zu versuchen", da eine Rechtsschutzversicherung vorhanden sei. Der Bundesgerichtshof habe schon mit Pressemitteilung vom 22.11.2016 (Anlage K 11) klargestellt, dass die Widerrufsinformation wirksam sei. Schließlich habe die Beklagte die Mandanten auch nicht über das Risiko der Kündigung der Rechtsschutzversicherung aufgeklärt.

    Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.708,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2021 zu zahlen.

    Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

    dass der für die Mandanten geführte Rechtsstreit nicht aussichtslos gewesen sei, da zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen eine höchstrichterliche Rechtsprechung damals noch nicht vorgelegen und das Landgericht Aurich eine gleichlautende Widerrufsbelehrung als rechtlich unzureichend erachtet habe. Die Widerrufsbelehrung sei wegen der Formulierung, der Darlehensnehmer habe dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht habe und nicht zurückverlangen könne, fehlerhaft gewesen. Eine entgegenstehende Entscheidung habe der Bundesgerichtshof erst mit Beschluss vom 24.04.2018 (Az XI ZR 573/17) getroffen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2017 (XI ZR 741/16) treffe eine dahingehende Aussage noch nicht. Außerdem habe es an der erforderlichen drucktechnischen Hervorhebung gefehlt. Ferner sei im Darlehensvertrag entgegen Art. 247 § 3 EGBGB Abs. 1 Ziff. 6 und 7 die Anzahl der Annuitätenraten nicht beziffert gewesen.

    Sie, die Beklagte, habe die Mandanten darüber belehrt, dass die Rechtsprechung zum Darlehenswiderruf nicht einheitlich und nicht verlässlich vorhersehbar sei, es immer wieder zu überraschenden gerichtlichen Enstcheidungen komme, und dass deswegen - wenn auch geringe - Erfolgsaussichten im Prozess gegen die V. bestünden. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung sei damals gänzlich unvorhersehbar gewesen. Sie, die Beklagte, habe seinerzeit für Bankkunden zahlreiche Vergleiche mit Kreditgebern geschlossen, die - wie auch im Falle der Mandanten - die Aufsichtsbehörde als Pflichtangabe angeführt hätten. Die Mandanten (Versicherungsnehmer der Klägerin) hätten sich auf die so erteilte Belehrung hin für die Führung des Rechtsstreits entschieden, auch mit der Hoffnung, möglicherweise eine vergleichsweise Einigung mit der V. erzielen zu können. Zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung sei an dieser Sach- und Rechtslage keine wesentliche Änderung eingetreten gewesen, insbesondere habe weiterhin keine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Kaskadenverweis vorgelegen. Das Urteil der Bankrechtskammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16.03.2017 sei der Beklagten nicht bekannt.

    Es fehle jedenfalls an einem kausalen Schaden als Folge einer etwaigen Verletzung anwaltlicher Pflichten. Zudem wäre die von der Klägerin als Schadenspositionen geltend gemachte Gebühr für die außergerichtliche Tätigkeit ohnehin angefallen. Für die Klägerin streite auch keine Vermutung beratungsgerechten Verhaltens der Mandanten, da bereits nach ihrem eigenen Vortrag die Klage nicht gänzlich aussichtslos gewesen sei.

    Schließlich müsse sich die Klägerin darauf verweisen lassen, dass sie in Kenntnis der erstinstanzlichen Klageabweisung Deckungszusage für das Berufungsverfahren erteilt habe. Der nunmehrige Regress sei deshalb rechtsmissbräuchlich. Außerdem verhalte sich die Klägerin treuwidrig, wenn sie nach mehreren Jahren Regressansprüche verfolge und ihre Pflicht aus § 128 VVG verletzt habe. Das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers gelte daher als anerkannt. Die Beklagte erhebt ferner die Einrede der Verjährung.

    Die Zivilkammer hat die Akte des Ausgangsprozesses (Az. 7 O 157/17) beigezogen, die Partner der Beklagten, Rechtsanwälte C. L., K. L. und D. B. informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M. G. und S. G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2022 (Blatt 183-193 der eAkte erster Instanz) Bezug genommen.

    Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage vollumfänglich abgewiesen. Im Wesentlichen hat das Landgericht ausgeführt:

    Bis zur Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 24.04.2018 (Az XI ZR 573/17) habe die Beklagte ihre Beratungspflicht gegenüber den Mandanten nicht verletzt. Erst mit Veröffentlichung des Beschlusses seien die Erfolgsaussichten für die Klage gänzlich entfallen. Dass es keiner besonderen drucktechnischen Hervorhebung bedurfte, habe der Bundesgerichtshof schon am 23.02.2016 entschieden. Die Einrahmung sei ausreichend gewesen. Die Frage zur beanstandeten Klausel sei nicht abschließend geklärt gewesen. Der Bundesgerichtshof habe zwar bereits am 04.07.2017 entschieden, dass eine Widerrufsinformation wie die im Streitfall in Rede stehende gesetzeskonform sei. Zu dem angegriffenen Passus habe er aber erst am 24.04.2018 Stellung bezogen. Bis dahin habe kein Anlass zur Annahme der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung der Mandanten bestanden.

    Den Beweis einer anwaltlichen Pflichtverletzung der Beklagten habe die Klägerin nicht geführt. Ein Anscheinsbeweis greife im Streitfall nicht. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer nicht zur hinreichenden Überzeugung gelangt, dass die Beklagte den als Zeugen vernommenen Mandanten die Erfolgsaussichten der Klage fehlerhaft als zu günstig dargestellt hätte. Ferner sei nicht bewiesen, dass der Rechtsstreit bei ordnungsgemäßer Beratung nicht geführt worden wäre. Für die Mandanten sei entscheidend gewesen, dass die Klägerin Deckungszusage erteilt habe. Daher sei nicht erwiesen, dass diese von dem Prozess Abstand genommen hätten, wenn die Erfolgsaussichten als gering bezeichnet worden wären. Bis zur Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 24.04.2018 seien bereits alle Kosten angefallen gewesen.

    Gegen das Urteil hat die Klägerin in beschränktem Umfang Berufung eingelegt. Sie verlangt Schadensersatz allein noch bezüglich der Kosten der Berufungsinstanz in dem Ausgangsrechtsstreit und rügt die Rechtsauffassung der Kammer zum Fehlen einer anwaltlichen Pflichtverletzung hinsichtlich der Durchführung des Berufungsverfahrens. Die Beklagte hätte von der Durchführung eines Rechtsmittels abraten müssen. Sei eine Rechtsverfolgung praktisch aussichtslos, müsse der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und dürfe sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Der Bundesgerichtshof habe bereits am 04.07.2017 ein Urteil verkündet, welches eine gleichlautende Widerrufsbelehrung als ordnungsgemäß erachtet habe. Im Oktober 2017 habe deutschlandweit kein Oberlandesgericht die in Rede stehende Widerrufsbelehrung als nicht ordnungsgemäß erachtet. Daher sei die von der Beklagten für die Mandanten eingelegte Berufung praktisch aussichtslos gewesen. Für die zweite Instanz wurden von der Klägerin - was unstreitig ist - 4.856,51 € an die Beklagte, 3.850,00 € Gerichtskosten und 7.244,45 € an die gegnerischen Prozessbevollmächtigten gezahlt.

    Hätte die Beklagte den Mandanten wegen mangelnder Erfolgsaussicht von einer Berufung abgeraten, hätten diese keinen entsprechenden Auftrag erteilt. Dafür streite die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens.

    Weitergehend meint die Klägerin, die Beklagte hätte auch darauf hinweisen müssen, dass für eine aussichtslose Rechtsverfolgung kein Rechtsschutz verlangt werden könne. Zudem habe der Zeuge G. ausgesagt, dass er in diesem Fall keinen Prozessauftrag erteilt hätte.

    Die Klägerin beantragt,

    das angefochtene Urteil abzuändern und

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.950,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2022 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Vortrag im Schriftsatz der Gegenseite vom 13.10.2022 sei verspätet.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Das Rechtsmittel der Klägerin ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und bis auf ein geringfügiges Unterliegen im Zinsbegehren auch in der Sache begründet.

    Die Klägerin hat, wie von ihr jetzt noch beantragt, einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 675, 611 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG wegen Verletzung der die Beklagte gegenüber den Mandanten treffenden anwaltlichen Beratungspflichten auf Erstattung der Kosten für das Berufungsverfahren (... PfOLG Zweibrücken) in Höhe von 15.950,96 €, weil die Berufung in dem Ausgangsrechtsstreit bereits zum Zeitpunkt ihrer Einlegung keine Aussicht auf Erfolg hatte.

    1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da der ihren Versicherungsnehmern (den Mandanten der Beklagten) zustehende Anspruch wegen Beratungspflichtverletzung kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen ist.

    Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gilt. Danach geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt (BGH NJW 2019, 3003 [BGH 23.07.2019 - VI ZR 307/18] Rn. 8; BGH NJW-RR 2015, 189 [BGH 24.09.2014 - IV ZR 422/13] Rn. 20), was vorliegend der Fall war.

    Der Annahme eines Ersatzanspruchs gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG steht insbesondere nicht der versicherungsvertragliche Deckungsanspruch entgegen. Dieser schließt die Annahme eines (Kosten-)Schadens des Versicherungsnehmers nicht aus. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass es den Schädiger nicht entlastet, wenn der Versicherer des Geschädigten den Schaden deckt, was auch in § 86 VVG zum Ausdruck kommt. Die Vorschrift soll zweierlei bewirken: Der Schädiger soll durch die Versicherungsleistung nicht befreit, der Versicherungsnehmer nicht bereichert werde (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 19).

    2. Zwischen der Beklagten und den Versicherungsnehmern der Klägerin, den Zeugen G., bestand ein anwaltliches Mandatsverhältnis, welches den §§ 611, 675 BGB unterfällt.

    3. Die Beklagte hat hinsichtlich der jetzt noch streitgegenständlichen Kosten der Berufungsinstanz des Ausgangsprozesses ihre Beratungspflicht verletzt.

    a) Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es danach, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Auch im Blick auf die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits geht es darum, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen rechtlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Aufgrund der Beratung muss der Mandant in der Lage sein, Chancen und Risiken des Rechtsstreits selbst abzuwägen. Hierzu reicht es nicht, die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken zu benennen. Der Rechtsanwalt muss auch das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist danach eine Klage oder ein Rechtsmittel praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen. Er darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Vielmehr kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 27-29, mwN; ebenso MüKoBGB/Heermann, 9. Aufl. 2023, BGB § 675 Rn. 29; OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Juli 2021 - 17 U 60/20 -, Rn. 53, juris).

    Steht zu einer rechtlich umstrittenen Frage eine höchstrichterliche Entscheidung noch aus, muss der Rechtsanwalt auch die Rechtsprechung der Obergerichte beachten (OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Juli 2021 - 17 U 60/20 -, Rn. 53, juris; BGH, Urteil vom 08. Oktober 1992 - IX ZR 98/91 -, Rn. 57, juris). Verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe eines Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit etwa verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 31).

    Das Recht des Mandanten, nach entsprechender Beratung durch den Rechtsanwalt eigenverantwortlich über die Einleitung und Fortführung der Rechtsverfolgung zu entscheiden, wird durch eine bestehende Rechtsschutzversicherung nicht berührt (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 33).

    b) Gemessen an diesen Grundsätzen hätte die Beklagte die Mandanten (Versicherungsnehmer der Klägerin) dahingehend beraten müssen, dass die Durchführung der Berufung praktisch aussichtslos war. Denn zum Zeitpunkt der telefonischen Beratung der Zeugen G. am 06.10.2017 nach Abschluss der ersten Instanz und der Berufungseinlegung am 06.11.2017 war durch die zwischenzeitlich ergangene ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend deutlich geklärt, dass die Widerrufsinformationen zu dem im Ausgangsprozess in Rede stehenden Darlehensvertrag, insbesondere soweit sie die Beklagte als rechtsfehlerhaft erachtet hatte, wirksam waren und ein ordentlicher Vertragswiderruf der Mandanten wegen Verfristung ausschied. Die gleichwohl gegenüber den Mandanten weiterhin abgegebene rechtliche Einschätzung, dass sich vor Berufungseinlegung nichts Wesentliches geändert habe und dass weiterhin zumindest geringe Erfolgsaussichten bestünden, war objektiv unzutreffend und damit pflichtwidrig. Dass sie die Pflichtwidrigkeit nicht zu vertreten hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), hat die Beklagte nicht bewiesen.

    Im Einzelnen:

    aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits 2016 dahin entschieden, dass die gemäß Artikel 247 § 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in einen Verbraucherdarlehensvertrag aufzunehmenden Pflichtangaben zum Widerrufsrecht keiner Hervorhebung bedürfen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15 -, BGHZ 209, 86-104).

    bb) Die fehlende Bezifferung der Anzahl der Darlehensraten bewirkt ebenso wenig die Unwirksamkeit der Widerrufsinformation.

    Die Formulierung des Art. 247 EGBGB § 3 Abs. 1 Nr. 7 ist aus § 502 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. entnommen. Ebenso wie dort kommt es im Hinblick auf den verfolgten Informationszweck auf die Zahl der Raten nicht an (MüKoBGB/Weber, 8. Aufl. 2021, EGBGB Art. 247 § 3 Rn. 14). Darüber hinaus war der Pflichtangabe in dem Darlehensvertrag der Mandanten genügt. Zwar blieb das Feld mit der Anzahl der Raten frei. Da die Monatsraten aber konstant mit 450 € angegeben und die Laufzeit des Darlehens mit 325 Monaten ausgewiesen wurden, war damit zugleich die Anzahl der Raten mit 325 festgelegt. Der Informationszweck war damit offenkundig erfüllt.

    cc) Im Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 06.11.2017 war zudem höchstrichterlich geklärt, dass der Kaskadenverweis nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsinformation führt.

    Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.11.2016 (XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 Rn. 18 ff) ausgeführt, dass die Bezugnahme der Kreditgeberin auf § 492 Abs. 2 BGB klar und verständlich ist. Er führt dort weiter aus, dass die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB ebenso wie die - mit dem hier interessierenden Widerrufstext identischen - Beispielangaben nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsinformation führen, auch wenn diese nicht zu den Pflichtabgaben gehören. Vielmehr haben die Vertragschließenden das Anlaufen der Widerrufsfrist dann gültig von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht (BGH NJW 2017, 1306 Rn. 23).

    Die vorstehend zitierte Entscheidung des Banksenats des Bundesgerichtshofs wurde in dem Heft 18 des Jahrgangs 2017 der Fachzeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (NJW), abgedruckt, welches am 27.04.2017 erschienen ist und damit deutlich vor Berufungseinlegung. Sie musste der Beklagten daher bekannt sein, weil die zeitnahe Auswertung der gängigen Fachmedien zu ihrem selbstverständlichen Pflichtenprogramm gehört. Bis zur Berufungseinlegung wurde diese Rechtsprechung nicht geändert. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof seine rechtliche Bewertung am 09.06.2020 bestätigt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 - XI ZR 381/19 -, juris).

    Maßgeblich ist auf die ex ante Sicht bei Beratungserteilung abzustellen. Deshalb ist nicht entscheidend, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Kaskadenverweis mit Urteil vom 26.03.2020 - C-66/19 - (BeckRS 2020, 4278) für intransparent bewertet hat. Eine etwa auf der EuGH-Entscheidung gründende Hoffnung, der Bundesgerichtshof werde diese Rechtsprechung auf andere Widerrufsinformationen übertragen, kann die Beklagte schon angesichts der zeitlichen Abfolge bei Einlegung der Berufung im November 2017 nicht gehegt haben. Dass dem tatsächlich nicht so war, folgt auch aus dem Umstand, dass sich Ausführungen zum Kaskadenverweis in der Berufungsbegründung - anders als in dem Widerspruchsschreiben vom 23.08.2016 - nicht mehr finden. Letztlich hat der Bundesgerichtshof die EuGH-Entscheidung bei Immobiliendarlehen auch für nicht einschlägig erachtet (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 - XI ZR 381/19 -, juris).

    dd) Die Annahme wenn auch nur geringer Erfolgsaussichten einer Berufung ließ sich auch nicht mit der beanstandenden Klausel rechtfertigen, wonach der Darlehensnehmer Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückerlangen kann.

    Denn bereits mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2017 (XI ZR 741/16) war die Wirksamkeit dieser Klausel endgültig geklärt. Diese Entscheidung wurde in NJW-RR 2017, 1077 veröffentlicht, welche am 15.09.2017 erschien, mithin wiederum vor der Beratung der Mandanten am 06.10.2017 und vor Berufungseinlegung. Auch diese Entscheidung musste der Beklagten, die wiederkehrend auf dem Gebiet des Bank- und Finanzrechts tätig war und nach eigener Darstellung mit anderen in der Materie spezialisierten Rechtsanwälten im ständigen Austausch stand, bekannt sein. Die notwendigen aktuellen Rechtskenntnisse muss sich der Anwalt verschaffen (BGH NJW 2006, 501/502).

    (a) Der Bundesgerichtshof entschied mit dem genannten Urteil vom 04.07.2017 über eine Widerrufsbelehrung und Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank, die mit den im Falle der Mandanten G. entscheidungserheblichen gleichlautend sind. In seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof herausgearbeitet, dass der Vertrag alle erforderlichen Angaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in der zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der zwischen dem 30. Juli 2010 und dem 3. August 2011 geltenden Fassung - welche auch für den Darlehensvertrag der Mandanten vom 17.02.2011 maßgeblich sind - enthalten hat (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16 -, Rn. 19). Soweit in der Widerrufsinformation "Pflichtangaben" enthalten sind, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben bei Immobiliendarlehensverträgen handelte, wurden diese von den Vertragschließenden lediglich zu zusätzlichen Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gemacht (BGH a.a.O., Rn. 22).

    Unmissverständlich führte der Bundesgerichtshof in dem Urteil weiter aus, dass "auch im Übrigen [...] die Angaben der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen" genügten (BGH a.a.O., Rn. 23). Ausführungen zu der Klausel betreffend "Ersatz von Aufwendungen gegenüber öffentlichen Stellen" finden sich in dem höchstgerichtlichen Urteil gerade nicht, woraus für einen aufmerksamen und in der Rechtsmaterie kundigen Leser bereits zu schlussfolgern war, dass die Klausel von dem Bundesgerichtshof als rechtlich unbedenklich erachtet wurde.

    Damit hatte der Bundesgerichtshof angesichts der Inhaltsgleichheit der von ihm rechtlich überprüften mit der hier interessierenden Widerrufsbelehrung und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch allen weiteren, von der Beklagten nicht besonders thematisierten Unwirksamkeitserwägungen, den Boden entzogen.

    (b) Darüber hinaus gab der Bundesgerichtshof mit der in der Sache XI ZR 741/16 erfolgten Zurückverweisung des Verfahrens (zwar stillschweigend, aber doch eindeutig) zu verstehen, dass die Klausel wirksam ist. Denn hätte er die Klausel für unwirksam erachtet, wäre die Widerrufsinformation fehlerhaft und damit der Widerruf nicht verfristet gewesen. In diesem Falle hätte der Bundesgerichtshof selbst endgültig in der Sache entscheiden können. Aus dem Umkehrschluss, dass der Bundesgerichtshof dies nicht getan hat ergab sich zwingend, dass er auch diese Klausel nicht beanstandete. Auch das hätte die Beklagte erkennen und gegenüber den Mandanten thematisieren müssen.

    Der Rechtsstreit in dem Verfahren XI ZR 741/16 wurde vom Bundesgerichtshof lediglich deshalb in die Berufungsinstanz zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur wirksamen Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen hatte. Die Angaben in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen selbst hielt der Bundesgerichtshof indes für klar und verständlich (BGH a.a.O., Rn. 27). Die Problematik der wirksamen Einbeziehung stellte sich vorliegend nicht, da die Beifügung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unstreitig war. Damit waren vorliegend alle zusätzlichen Informationen, die zur weiteren Voraussetzung des Anlaufens der Widerrufsfrist gemacht wurden, erteilt.

    (c) Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. April 2018 (XI ZR 573/17) bekräftigt, - entgegen der Auffassung des Landgerichts -, dass die Frage der Wirksamkeit der Klausel aus Sicht des Bundesgerichtshofs bereits zuvor hinreichend geklärt war und er sich lediglich klarstellend nochmals eindeutig zu der Klausel geäußert hat. Anderenfalls wäre die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geboten gewesen.

    Dabei folgt schon aus der Entscheidung vom 04.07.2017, dass die Wirksamkeit der Klausel nicht davon abhing, ob Aufwendungen tatsächlich gezahlt worden sind oder nicht. Ansonsten hätte der Bundesgerichtshof auch diese Frage dem Berufungsgericht zur Aufklärung aufgegeben. Das war jedoch nicht der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16 -, Rn. 34 f).

    4. Zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden besteht ein Kausalzusammenhang. Denn bei ordnungsgemäßer Beratung der Mandanten dahin, dass eine Berufung nicht erfolgversprechend war, wären die Kosten des Berufungsverfahrens im Ausgangsprozess nicht entstanden.

    Die Klägerin hat im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nach dem Maßstab des § 287 ZPO bewiesen (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 36), dass die Zeugen G. bei vertragsgerechter anwaltlicher Beratung keinen Versicherungsschutz der Klägerin für das Berufungsverfahren in Anspruch genommen hätten.

    a) Zum einen greift zu Gunsten der Klägerin die tatsächliche Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ihrer Versicherungsnehmer.

    Es ist anzunehmen, dass ein Mandant bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt wäre, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte (BGH NJW 2021, 3324 Rn. 36). War die Rechtsverfolgung des Mandanten aussichtslos, kann selbst eine einwandfrei herbeigeführte Deckungszusage den für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten sprechenden Anscheinsbeweis nicht hindern. Die Annahme der Aussichtslosigkeit unterliegt zwar hohen Anforderungen, ist aber in Betracht zu ziehen, wenn die streitentscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich abschließend geklärt sind (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 39 f).

    Dies war - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - vorliegend der Fall. Die gegen sie streitende tatsächliche Vermutung hat die Beklagte nicht erschüttert.

    b) Letztlich kann die Annahme eines Anscheinsbeweises vorliegend sogar dahinstehen. Denn bei dessen Nichtvorliegen kann der Anspruchssteller die nach dem Maßstab des § 287 ZPO notwendige Überzeugung des Tatrichters von einem beratungsgerechten Verhalten des Mandanten auf andere Weise herbeiführen (BGH NJW 2021, 3324 [BGH 16.09.2021 - IX ZR 165/19] Rn. 38).

    Der erkennende Senat ist aufgrund der landgerichtlichen Feststellungen, die er mangels Zweifeln an deren Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat, davon überzeugt, dass die Zeugen G. bei ordnungsgemäßer Beratung trotz Bestehens einer Rechtsschutzversicherung bei der Klägerin angesichts der eindeutig geklärten Rechtslage von einer Berufung abgesehen hätten.

    Erstinstanzlich hat die Zeugin G. ausgesagt, dass sie das Verfahren durchführen wollte, wenn überhaupt Aussichten auf Erfolg bestünden. Noch deutlicher wurde der Zeuge G., der klar bekundet hat, wenn ihm gesagt worden wäre, dass keine Erfolgsaussichten bestanden hätten, er dann das Verfahren nicht angestrebt hätte. Insofern sei er schon verantwortungsbewusst, auch gegenüber der Versicherung.

    In Übereinstimmung mit dem Landgericht bestehen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen begründen und eine Wiederholung der Beweisaufnahme erfordern würden. Insbesondere zeigten die Zeugen kein Eigeninteresse am Ausgang des Regressverfahrens und äußerten sich stets differenziert und widerspruchsfrei.

    Aus den Aussagen, vor allem des Zeugen G., lässt sich ohne Weiteres ableiten, dass die Versicherungsnehmer eine Deckungsanfrage gar nicht gestellt hätten, wenn ihnen klar gewesen wäre, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte. Dies wäre aber der richtige und gebotene Rechtsrat gewesen.

    5. Die Schadenshöhe von 15.950,96 € für die Kosten der Berufung in dem Ausgangsprozess steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

    6. Mit der Erteilung der Deckungszusage gegenüber den Zeugen G. hat die Klägerin weder einen Regressverzicht erklärt, noch verstößt ein Regress trotz Deckungszusage gegen Treu und Glauben.

    a) Die Rechtsschutzversicherung ist keine "Schadensversicherung" zugunsten von Rechtsanwälten. Eine Deckungszusage gewährt keinen Vertrauenstatbestand zugunsten von Rechtsanwälten, sondern beansprucht ausschließlich im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Rechtsschutzversicherer Geltung (s. dazu ausführlich Dallwig: Der Anwaltsregress des Rechtsschutzversicherers in r+s 2020, 181 unter Verweis auf: OLG Köln Urt. v. 23.5.2019 - 24 U 122/18, BeckRS 2019, 12371 Rn. 45, OLG Koblenz NJW-RR 2011, 761 [OLG Koblenz 16.02.2011 - 1 U 358/10]; OLG Celle Hinweisbeschluss v. 18.9.2018 - 4 U 104/18, BeckRS 2018, 28338 Rn. 5 u.a.).

    b) "Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Klägerin aus übergegangenem Recht verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsverfolgung der Klägerin insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schadensabwicklungsunternehmen der Klägerin die Deckungsanfragen der Beklagten geprüft und die zur Begründung der Schadensersatzansprüche geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können. Die Klägerin ist aus dem Versicherungsverhältnis gegenüber den Versicherungsnehmern berechtigt und verpflichtet. Gegenüber den Beklagten treffen sie keine Pflichten. Nach den Versicherungsbedingungen kann der Rechtsschutzversicherer die Deckung in bestimmten Fällen ablehnen, wenn nach seiner Auffassung die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Verpflichtet ist er hierzu nach dem Wortlaut der Bedingungen nicht. Erst recht besteht keine Pflicht zur Ablehnung des Rechtsschutzes gegenüber dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist die Klägerin daher nicht gehalten, die Prüfung des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls zur Vermeidung einer Haftung des Rechtsanwalts einzusetzen. Es obliegt allein dem Rechtsanwalt, seine Tätigkeit so auszurichten, dass der Mandant nicht geschädigt wird. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 86 VVG ändert daran nichts." (BGH NJW 2021, 3321 Rn. 22 f)

    7. Schließlich kann sich die Beklagte nicht erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen.

    Die Forderung unterliegt der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB. Voraussetzung des Verjährungsbeginns ist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände. Für die zur Annahme der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Tatsachen ist die Beklagte als Schuldnerin darlegungs- und beweispflichtig (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 199 Rn. 46).

    Die am 27.12.2021 eingegangene Klage wurde am 20.01.2022 zugestellt, nachdem die Klägerin auf die Vorschussanforderung vom 30.12.2021 (Bl. 1 Kostenheft eAkte erster Instanz) die Gerichtskosten am 12.01.2022 eingezahlt hatte (Bl. 2 Kostenheft eAkte erster Instanz). Da die Zustellung somit noch demnächst erfolgt ist, wurde die Verjährung gemäß § 167 ZPO noch im Jahr 2021 gehemmt.

    Vortrag der Beklagten, dass die Zeugen G. oder die Klägerin bereits im Jahr 2018 eine verjährungsschädliche Kenntnis von der Falschberatung der Beklagten gehabt hätten, liegt nicht vor. Vielmehr behauptet die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.06.2022 (Bl. 156 der eAkte erster Instanz), dass die Klägerin ihre Versicherungsnehmer erstmals im April 2022 bezüglich der Beratungsleistung kontaktiert habe

    Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht nach § 128 VVG vorgegangen ist, kann die Beklagte keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin ableiten. Vielmehr spricht dies dafür, dass die Klägerin von Erfolgsaussichten und vor allem von einer ordnungsgemäßen Beratung der Versicherungsnehmer durch die Beklagte ausgegangen ist.

    8. Der von dem Senat zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.

    a) Der Senat hat das Zinsverlangen der Klägerin bei verständiger Würdigung dahingehend ausgelegt, dass Zinsen - entsprechend dem Vorbringen in der Klageschrift und dem erstinstanzlichen Klageantrag - tatsächlich ab dem 11.09.2021 geltend gemacht sein sollen. Parteianträge sind auch in Ansehung des § 308 ZPO der Auslegung fähig. Dabei ist nicht der bloße Wortlaut des Antrags entscheidend, sondern der durch ihn verkörperte Wille. Wie das Gericht den Klageantrag zu verstehen hat, darf nicht allein dem bloßen Wortlaut des Antrags entnommen werden, sondern hierfür ist auch die Sachverhaltsschilderung des Antragstellers maßgebend (Musielak/Voit/Musielak, 19. Aufl. 2022, ZPO § 308 Rn. 3). Dies berücksichtigend entspricht es dem wohlverstandenen Interesse der Klägerin, dass sie Zinsen ab Verstreichen der von ihr mit Anspruchsschreiben vom 30.08.2021 gesetzten Frist begehrt und insofern an ihrem erstinstanzlichen Rechtsschutzziel festhält. Bei dem im Berufungsantrag angegebenen Zinsbeginn ("2022") handelt es sich offensichtlich um ein Versehen.

    b) Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch über die zuerkannten Prozesszinsen hinaus zu. Insbesondere kann sie einen früheren Zinsbeginn nicht auf Schuldnerverzug gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen. Die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB sind nicht vorgetragen. "Eine Mahnung setzt eine eindeutige und bestimmte Aufforderung an den Schuldner voraus, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt" (NJW 2009, 1813 [BGH 17.10.2008 - V ZR 31/08], Rn. 30 beck-online). Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, dass sie die Beklagte zur Erstattung bis 10.09.2021 aufgefordert habe (Bl. 3 eAkte erster Instanz). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass eine eindeutig und bestimmte Zahlungsaufforderung ausgesprochen wurde, die den Anforderungen des § 286 Abs. 1 BGB entspricht. Da das Schreiben vom 30.08.2021 selbst nicht vorgelegt wurde, ist dem Senat eine weitergehende Prüfung nicht möglich. Wegen des zeitlich weitergehenden Zinsverlangens war die Klage daher abzuweisen. Eines Hinweises bedurfte es gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht.

    III.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO.

    Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

    RechtsgebieteAnwaltshaftung, RechtsschutzversicherungVorschriften§ 280 Abs. 1, § 611, § 675 BGB, § 86 Abs. 1 VVG