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  • 12.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235247

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 23.12.2022 – 13 WF 145/22

    Bei der Wertfestsetzung für den Versorgungsausgleich ist das Nettoeinkommen der Beteiligten, anders als bei der Wertfestsetzung für die Scheidung, weder um das für Kinder bezogene Kindergeld zu erhöhen noch im Hinblick auf die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern zu verringern.


    Oberlandesgericht Hamm

     
    Tenor:

    Auf die Beschwerde vom 13.09.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts ‒ Familiengericht ‒ Essen vom 31.08.2022 hinsichtlich der Wertfestsetzung wie folgt abgeändert:

    Der Verfahrenswert für die Ehesache wird auf 7.874,55 € festgesetzt, der Verfahrenswert für die Versorgungsausgleichssache auf 4.256 €.

    Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

    1
    Gründe:

    2
    I.

    3
    Die Beschwerdeführerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Heraufsetzung des Verfahrenswerts für das zwischen den Beteiligten geführte Scheidungsverfahren.

    4
    Die Antragstellerin hat mit am 01.07.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag die Scheidung der Ehe der Beteiligten beantragt. Aus der Ehe sind zwei Kinder, die am 00.00.1999 geborene A und der am 00.00.2002 geborene B, hervorgegangen, die im Zeitpunkt der Antragstellung ihren Lebensmittelpunkt bei der Antragstellerin hatten.

    5
    Die Antragstellerin hat ausweislich der im Verfahrenskostenhilfeverfahren vorgelegten Unterlagen in den Monaten April bis Juni 2019 ein Einkommen von durchschnittlich 836,85 € netto erzielt, der Antragsgegner hat ein Einkommen in Höhe von rund 2.000 € netto erzielt. Den Angaben der Antragstellerin im Verfahrenskostenhilfeprüfverfahren ist ferner zu entnehmen, dass die Kinder in diesem Zeitpunkt kein Einkommen hatten und der Antragsgegner Unterhalt für sie zahlte. B befand sich in der allgemeinen Schulausbildung, A hat im Frühsommer ihr Abitur absolviert und beabsichtigte, im Oktober 2019 ein Studium aufzunehmen. Der Antragsgegner hat im Juli 2019 Schulden in Höhe von 2.540 € gegenüber der Agentur für Arbeit und in Höhe von 1273 € gegenüber dem Zollamt, auf die er monatliche Raten von 254 € und 110 € zahle, angegeben.

    6
    Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 31.08.2022 die Ehe der Beteiligten geschieden und im Verbund den Versorgungsausgleich bezüglich der fünf seitens der Beteiligten in der Ehezeit erworbenen Anrechte durchgeführt. Mit diesem Beschluss hat es ferner den Verfahrenswert für die Scheidungssache auf 3.408 € und für die Versorgungsausgleichssache auf 1.363 € festgesetzt.

    7
    Mit ihrer am 14.09.2022 beim Amtsgericht eingelegten Beschwerde vom 13.09.2022 hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass der Antragsgegner angegeben habe, dass sein monatliches Nettoeinkommen bei Einreichung des Scheidungsantrags bei 2.000 € gelegen habe. Die Antragstellerin habe angegeben, über kein Einkommen zu verfügen.

    8
    Die Beschwerdeführerin hat beantragt, unter Abänderung des Beschlusses vom 31.08.2022 den Gegenstandswert für die Scheidung auf 6.000 € und für den Versorgungsausgleich auf 3.000 € festzusetzen.

    9
    Mit Beschluss vom 20.09.2022 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass vom Einkommen des Antragsgegners je 300 € pauschal als Bedarf der beiden Kinder und entsprechend der Angaben des Antragsgegners im VKH-Verfahren monatliche Raten von 364 € abzuziehen seien.

    10
    Die Beschwerdeführerin trägt weiter vor, dass die Kinder volljährig seien. Im Falle einer einkommensmindernden Berücksichtigung von Unterhaltspflichten sei das Kindergeld erhöhend hinzuzurechnen. Schulden seien nur zu berücksichtigen, wenn sie die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig beeinträchtigt hätten. Die Restschuld habe lediglich 2.540 € gegenüber der Agentur für Arbeit und 1.273 € gegenüber dem Zollamt betragen. Eine nachhaltige Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse sei nicht gegeben.

    11
    Mit Beschluss vom 25.11.2022 ist den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats gegeben worden. Einwände gegen die beabsichtigte Entscheidung sind nicht erhoben worden.

    12
    Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag daraufhin geändert und beantragt nunmehr,

    13
    unter Abänderung des Beschlusses vom 31.08.2022 den Gegenstandswert für die Ehescheidung auf 7.854,55 € und für den Versorgungsausgleich auf 4.256 € festzusetzen.

    14
    II.

    15
    1.

    16
    Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist zulässig und begründet.

    17
    a)  Die Beschwerde ist gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG statthaft, gemäß §§ 59 Abs. 1 S. 3, 55 Abs. 3 S. 2 fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert des § 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG ist erreicht. Die Verfahrensbevollmächtigte kann aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Wertfestsetzung einlegen, § 32 Abs. 2 S. 1 RVG.

    18
    b)  Die Beschwerde ist auch begründet, da der Verfahrenswert unzutreffend festgesetzt worden ist (vgl. Laube in Dörndorfer/ Wendtland/ Gerlach/ Diehn, BeckOK, Kostenrecht, 39. Ed., Stand 01.10.2022, § 59 FamGKG, Rn. 27). Auf die Beschwerde hin ist er wie folgt festzusetzen:

    19
    aa)  Der Verfahrenswert ist in Ehesachen nach § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen, wobei der Wert nicht unter 3.000 € und nicht über 1 Million € angenommen werden darf. Gemäß § 43 Abs. 2 FamGKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen. Abzustellen ist gemäß § 34 S. 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der ersten Antragstellung im jeweiligen Rechtszug. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht (Schindler in Dörndorfer/ Wendtland/ Gerlach/ Diehn, BeckOK Kostenrecht, 39. Edition, Stand: 01.10.2022, § 34, Rn. 3). Es ist das Nettoeinkommen der Eheleute in den letzten drei Monaten vor Einleitung der Instanz heranzuziehen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.01.2009, 13 WF 4/09, beck-online; Dörndorfer in Binz/ Dörndorfer/ Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. A., 2021, § 42 FamGKG, Rn. 6; Frank in Musielak/ Borth/ Frank, FamFG, 7. A., 2022, § 43 FamGKG, Rn. 2).

    20
    Auf Seiten der Antragstellerin ist ein Einkommen von 836,85 € anzusetzen, auf Seiten des Antragsgegners ein Einkommen von 2.000 €, zusammen 2.836,85 €.

    21
    Dem Einkommen hinzuzusetzen ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats das Kindergeld (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.09.2015, 13 WF 146/15, juris; so auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2012, 5 WF 173/11, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2006, 11 WF 293/05; Feskorn in Zöller, Zivilprozessordnung, 34. A., 2022, § 43 FamGKG, Rn. 1.12). Das Kindergeld belief sich in der ersten Jahreshälfte 2019 auf 194 € je Kind.

    22
    Vom Einkommen abzusetzen ist, ebenfalls in ständiger Rechtsprechung des Senats (OLG Hamm, Beschluss vom 16.09.2015, 13 WF 146/15, juris; so auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2012, 5 WF 173/11, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10.02.2006, 11 WF 293/05; Feskorn, a.a.O.), für jedes unterhaltsberechtigte Kind ohne Rücksicht auf die tatsächliche Höhe der Unterhaltsansprüche ein Pauschalbetrag von 300 €.

    23
    Nicht abzusetzen sind Ratenzahlungen auf Schulden. Der Senat schließt sich insofern der Auffassung des 4. Familiensenats an, nach der Schulden ohne Rücksicht auf ihre Höhe, ihren Entstehungsgrund oder auf einen vorhandenen Gegenwert beim Verfahrenswert unberücksichtigt zu bleiben haben, um eine unkomplizierte, zügige und praktikable Handhabung des Wertfestsetzungsverfahrens zu gewährleisten. Die Verfahrenswertfestsetzung soll möglichst pauschalisiert erfolgen und nicht mit der Aufklärung von Verbindlichkeiten nach Art und Höhe belastet werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2017, 4 WF 207/17, juris).

    24
    Danach ergibt sich folgende Berechnung:

    25
    Nettoeinkommen der Beteiligten 2.836,85 €

    26
    Kindergeld  + 388 €

    27
    Pauschalbetrag Kinder - 600 €

    28
    Monatliches Einkommen 2.624,85 €

    29
    x 3, 7.874,55 €

    30
    bb)  In der Versorgungsausgleichssache beträgt der Verfahrenswert gemäß § 50 Abs. 1 FamGKG für jedes Anrecht 10 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000 €. Einzusetzen ist das Nettoeinkommen, das beide Ehegatten in den letzten drei Monaten vor Antragstellung tatsächlich erzielt haben (Neumann in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/ Wendtland/ Gerlach/ Diehn, 39. Edition, Stand 01.10.2022, § 50 FamGKG; Rn. 34). Zu beachten ist, dass anders als bei § 43 Abs. 1 FamGKG, wonach alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, mit der h.M. beim Versorgungsausgleich ausschließlich das Nettoeinkommen anzusetzen ist, ohne Abzüge für den Kindesunterhalt vorzunehmen (OLG Hamm, Beschluss vom 25.07.2011, 8 WF 8/11, beck-online; Neumann, a.a.O., Rn. 72, 73; ; Frank in Musielak/ Borth/ Frank, FamFG, 7. A., 2022, § 50 FamGKG, Rn. 5). Ausgehend von dem dreifachen, oben errechneten Nettoeinkommen von 2.836,85 € und den fünf in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechten ist der Verfahrenswert für die Versorgungsausgleichssache auf 4.256 € festzusetzen.

    31
    2.

    32
    Eine Entscheidung über Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 59 Abs. 3 FamGKG.

    RechtsgebieteVersorgungsausgleich, VerfahrenswertVorschriften§ 50 Abs. 1 FamGKG