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  • 12.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235260

    Landgericht Karlsruhe: Beschluss vom 06.12.2022 – 11 T 168/22

    1. Der Rechtspfleger ist bei der Kostenfestsetzung an die Kostengrundentscheidung des Richters (hier: Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft statt zugunsten der übrigen Wohnungseigentümer) gebunden.

    2. Es kommt nicht alleine darauf an, ob eine Vertretungsanzeige für die "Wohnungseigentümergemeinschaft" zur Akte gegeben wurde oder nicht. Bei Fällen der unklaren Parteibezeichnung sind alle Prozessvorgänge einschließlich widersprüchlicher Hinweise und Rubrumsgestaltung seitens des Gerichts zu würdigen.


    Landgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 06.12.2022


    In Sachen
    M.
    - Kläger und Beschwerdegegner -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt M.
    gegen
    gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft C.straße 222, M.-Stadt,
    - Beklagte und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte Dr. H.
    Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft:
    F.

    wegen Beschlussanfechtung
    hier: Beschwerde in Wohnungseigentumssachen

    hat das Landgericht Karlsruhe - Zivilkammer XI - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter am 06.12.2022 beschlossen:

    Tenor:
    1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 09.08.2022, Az. 5 C 4168/21 WEG, aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten an den Rechtspfleger des Amtsgerichts Mannheim zurückverwiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
    3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.587,85 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

    1.

    Der Rechtsbehelf ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 RPflG statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 569 ZPO. Insbesondere wurde der Mindestbeschwerdewert von 200,- Euro aus § 567 Abs. 2 ZPO erreicht.

    2.

    Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Festsetzungsantrag der Rechtsanwälte der Beklagtenseite vom 28.06.2022 zurückgewiesen. Es wäre zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft festzusetzen gewesen.

    a.

    Im Ausgangspunkt ist allerdings zutreffend, dass der Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung an die Kostengrundentscheidung des Richters (hier: Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft) gebunden ist, mag sie inhaltlich auch falsch gewesen sein (Zöller/Herget ZPO 34. Auflage 2012 § 104 Rn. 21 Stichwort: Bindung). Der Rechtspfleger hat die Kostenentscheidung nicht auszulegen oder zu interpretieren, sondern zu vollziehen, indem er betragsmäßig umsetzt, was der Richter in der bindenden Kostengrundentscheidung festgelegt hat (OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Juni 2008 - 14 W 371/08 - ZIP 2009, 783).

    Die richterlichen Verfügungen und Hinweise wichen im Laufe des Prozesses deutlich voneinander ab. Zunächst war die Klagepartei darauf hingewiesen worden, dass eindeutig die übrigen Wohnungseigentümer verklagt worden seien, dass der Klägervertreter schlichtweg das neue WEG- Recht mit Geltung zum 01.12.2020 übersehen und damit die Klage gegen die falschen Beklagten gerichtet habe und von einem Schreibversehen nicht ohne weiteres ausgegangen werden könne (vgl. VFG T.(13.01.) 30.11.2021 auf Seite 104 [AZ: 5 C 4168/21 WEG]).

    Unter Zugrundelegung der Klageschrift hätte das Passivrubrum so lauten müssen, dass sich die Zivilklage richtet gegen:

    "die übrigen Wohnungseigentümer des Anwesens C.straße 222, M.-Stadt" (Formulierung der Klageschrift)

    oder besser:

    "die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft C.straße 222, M.-Stadt" (Standardformulierung nach altem Recht).

    Vor dem Hintergrund dieser Hinweise wurde die Klage zurückgenommen. Nichtsdestotrotz erging sodann eine Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO zugunsten der "Wohnungseigentümergemeinschaft" und nicht zugunsten der "übrigen Wohnungseigentümer".

    Ein entsprechender Berichtigungsantrag der Beklagtenseite vom 07.07.2022 (AS I 187) war allerdings mit richterlichem Beschluss vom 13.07.2022 (AS I 189) zurückgewiesen worden. Darin heißt es - im Gegensatz zum oben zitierten, vor dem Richterwechsel ergangenen Hinweis -: "Soweit die Klage gegen "die übrigen Wohnungseigentümer des Anwesens "C.straße 222, M.-Stadt [...]" gerichtet war, war das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen. Die Auslegung der fehlerhaften Bezeichnung ergibt eindeutig, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft C.straße 222, M.-Stadt verklagt werden sollte." (vgl. BES 13.07.2022 auf Seite 190 [AZ: 5 C 4168/21 WEG]).

    Dieser Beschluss vom 13.07.2022 berücksichtigt auch nicht die nur wenige Tage zuvor ergangene Entscheidung des BGH (Urteil vom 08.07.2022 - V ZR 202/21). Danach gilt: Wird eine Beschlussklage, auf die neues Recht anwendbar ist, nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, muss ein gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen werden; andernfalls ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

    Raum für großzügige Auslegungen, wie im richterlichen Beschluss des Amtsgerichts vorgenommen, bleibt danach gerade nicht. Vor der BGH-Entscheidung war die Frage, wie mit neuen Anfechtungsklagen gegen die übrigen Eigentümer umzugehen ist, heftig umstritten (vgl. etwa LG Frankfurt/Main, IMR 2022, 296; LG Itzehoe, IMR 2022, 380; LG München I, IMR 2022, 421).

    Im konkreten Fall gab es also eigentlich keinen gewillkürten Parteiwechsel. Die offensichtlich schon mit der Erfassung des Verfahrens beim Eingang durch die Geschäftsstelle vorgenommene Rubrumsgestaltung (s. Vorakte, Aktendecke vom 16.09.2021) war in der Kostengrundentscheidung vom 20.06.2022 wohl einfach übernommen worden (s. AS I 178).

    Der Beschluss vom 13.07.2022 ist nach § 319 Abs. 3 Alt. 1 ZPO nicht anfechtbar.

    Die vorangegangene ("stillschweigende") Rubrumsberichtigung, die nach hiesigem Verständnis erstmals in der Kostengrundentscheidung vom 20.06.2022 zum Ausdruck kommt, ist (trotz Hinweises auf die wohl nicht gegebene Verfristung) nicht mit gesonderter Beschwerde angegriffen worden.

    Das komplette ursprüngliche Ziel gemäß Kostenfestsetzungsantrag (Kostenfestsetzung zugunsten der übr. Eigentümer inkl. Erhöhungsgebühren mit einer Bezifferung auf 5.726,28 €) ist für die Beklagtenseite bei dieser Rubrumsfassung also nicht erreichbar, da das Rubrum gemäß Klageschrift nicht wiederhergestellt wurde.

    Die durch die richterlichen Entscheidungen aufgetretenen Schwierigkeiten können im Kostenfestsetzungsverfahren nur teilweise aufgelöst werden.

    Die (erste, beiläufig geschehene) Rubrumsberichtigung in der Kostengrundentscheidung vom 20.06.2022 simuliert einen nicht stattgehabten Parteiwechsel.

    Der Rechtspfleger (und der Beschwerderichter im Kostenfestsetzungsverfahren) kann nach § 318 ZPO nicht abweichend von der Kostengrundentscheidung festsetzen. Eine Erhöhungsgebühr kommt also nicht in Betracht, da laut Rubrum nur eine Partei vertreten wurde.

    b.

    Das mit der vorliegenden Beschwerde verfolgte (verminderte) Rechtsschutzziel (also: Kostenfestsetzung zugunsten der WEG ohne Erhöhungsgebühren) ist jedoch zu erlangen. Anders als im Nichtabhilfebeschluss vom 09.08.2022 (AS I 201) ausgeführt, kommt es nämlich nicht alleine darauf an, ob eine Vertretungsanzeige für die "Wohnungseigentümergemeinschaft" zur Akte gegeben wurde oder nicht. Denn gerade bei Fällen der unklaren Parteibezeichnung sind insoweit alle Prozessvorgänge zu würdigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. 10. 2003 - VII ZB 19/02, NJW-RR 2004, 501, beck-online). Der Beklagtenvertreter dürfte ersichtlich auch für den wahren Beklagten aufgetreten sein. Selbst die Doppelvertretung für den alten und neuen Beklagten ist durchaus üblich (vgl. BGH, B.v. 19.10.2006, Az. V ZB 91/06, MDR 2007, 365). An seine Vertretungsanzeige müssen jedenfalls nicht strengere Bestimmheitserfordernisse angelegt werden als an das Rubrum in der Klageschrift. Sonst könnte ein deutlicher Wertungswiderspruch (letztlich zulasten der Anwaltschaft bzw. der zu Unrecht in Anspruch genommenen Beklagtenpartei) entstehen.

    Hinzukommt, dass das in den amtsgerichtlichen Verfügungen und im Protokollkopf verwendete Kurzrubrum stets wie folgt lautete: "In Sachen M. ./. WEG C.straße 222 wg. Beschlussanfechtung" (vgl. Protokoll VT(24.5.) 26.04.2022 auf Seite 152 [AZ: 5 C 4168/21 WEG_10.08.2022 07:23:00]). Mit "WEG C.straße 222" ist jedoch ersichtlich der Verband gemeint, nicht die einzelnen Wohnungseigentümer, die im Justizjargon eher mit "d.übr.E.d.WEG C.straße 222" abgekürzt worden wären. Es liegt daher nahe, dass Prozessverhalten des Beklagtenvertreters im Lichte dieses Kurzrubrums zu verstehen und eine Vertretungsanzeige (auch) für den Verband zu bejahen.

    c.

    Um den Parteien keine Instanz zu den sich stellenden gebührenrechtlichen Fragen zu nehmen, macht das Beschwerdegericht von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch und trifft die zu ersetzende Entscheidung in der Sache nicht selbst, sondern verweist das Verfahren zurück an den Rechtspfleger (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 104 Rn. 33)

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG und berücksichtigt das mit der vorliegenden Beschwerde verfolgte (verminderte) Rechtsschutzziel (also: Kostenfestsetzung zugunsten der WEG ohne Erhöhungsgebühren), das bei einem Streitwert von 41.000 € im Erkenntnisverfahren und nach stattgehabter mündlicher Verhandlung laut Prozesskostenrechner (etwa) 3.587,85 € beträgt.

    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 574 Abs. 2 ZPO.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 269 Abs. 3 ZPO