07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238170
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 02.08.2022 – 12 U 185/21
1. Es kann bei der Pflicht zur Herausgabe des Erlangten im Rahmen des § 852 BGB dahinstehen, wie hoch die abzuziehende Händlermarge konkret ist, wenn die Abzüge vom Schadensersatzanspruch im Wege der Vorteilsausgleichung jedenfalls so hoch sind, dass sie die Händlermarge übersteigen.
2. Der erst im zweiten Rechtszug erfolgte Vortrag zur Neuwageneigenschaft des Fahrzeugs stellt einen eklatanten Fall der unsorgfältigen Prozessführung dar, der die Verpflichtung nach sich ziehen kann, die Kosten der Berufung gemäß § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn im ersten Rechtszug umfangreich zur Rechtslage bei Vorliegen eines Gebrauchtwagens vorgetragen wird.
Oberlandesgericht Schleswig
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.737,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2021 zu zahlen.
Die Kosten im ersten Rechtszug fallen der Beklagten zu 80 % und dem Kläger zu 20 % zur Last. Die Kosten im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Fahrzeugkauf im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Skandal" in Anspruch. Er kaufte am 5. August 2013 von dem Autohaus I. GmbH in H., einer Vertragshändlerin der Beklagten, als Neuwagen das Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 2.0 TDI zum Kaufpreis von 33.750 € (vgl. korrigierter Vortrag im Berufungsrechtszug, Bl. 325 d. A.). Im Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte Motor EA189 eingebaut, der vom sog. "Diesel-Abgasskandal" betroffen ist. Am 17. August 2020 veräußerte der Kläger das Fahrzeug an einen Dritten für 8.000 €.
Der Kläger hat behauptet, zum Zeitpunkt des Verkaufs an den Dritten habe die Laufleistung bei 140.832 km gelegen. Die Beklagte habe ihn sittenwidrig durch den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung getäuscht. Durch das zur Behebung durchgeführte Software-Update, durch das ein "Thermofenster" implementiert worden sei, sei er von der Beklagten erneut sittenwidrig getäuscht worden. Er hat erstinstanzlich zuletzt Schadensersatz in Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises abzüglich des Verkaufserlöses in Höhe von 8.000 € und einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht. Die Klage wurde im Dezember 2020 eingereicht und am 11. Februar 2021 an die Beklagte zugestellt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klage hat das Landgericht wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen. Auch ein Anspruch aus § 852 BGB sei unbegründet, denn der Kläger habe bis zuletzt und trotz ausdrücklichen Hinweises nicht vorgetragen, ob er das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben habe. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die Ansprüche weiter, reduziert aber seine Forderung, da die erstinstanzlich angegebenen Kaufpreishöhe von 35.535 € unrichtig gewesen sei.
Der Senat hatte den Kläger zunächst darauf hingewiesen, dass seine Berufung im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich unbegründet ist, weil nicht vorgetragen wurde, ob es sich vorliegend um ein Neufahrzeug handelt. Hierauf hat der Kläger unter Bezugnahme auf erstinstanzlich eingereichte Anlagen vorgetragen, dass es sich um den Kauf eines Neufahrzeugs handelte. Dies ist seitens der Beklagten nicht bestritten worden.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
Mit dem Landgericht ist zwar davon auszugehen, dass ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB zwischenzeitlich verjährt ist (1.) und zur Anspruchsbegründung auch nicht an die Aufspielung des sogenannten "Updates" angeknüpft werden kann (2.). Allerdings haftet die Beklagte gleichwohl aus dem Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB (3.), der der Höhe nach zur selben Rechtsfolge führt wie die ursprüngliche Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB (4.). Da erst im Berufungsrechtszug erfolgter Vortrag dem Kläger zum Klagerfolg verhilft, trifft ihn für die Berufungsinstanz die Kostenpflicht (5.).
1.
Der hier vorliegende Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs mit EA-189-Motor und eingebauter unzulässiger Abschaltsoftware stellt inzwischen die geradezu klassische Situation einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung dar, welche auch durch den späteren Einbau des Updates nicht als solche entfallen ist (grundlegend BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 ff.).
Gegen die Haftung spricht lediglich, dass die erst im Dezember 2020 erfolgte Klagerhebung nicht mehr geeignet war, die dreijährige Verjährung (§ 199 BGB) zu hemmen.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger hinreichende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Dieselabgasproblematik bereits im Herbst 2015 erlangen konnte. Jedenfalls hat die Beklagte, beginnend mit Februar 2016, Fahrzeugeigner über das Kraftfahrtbundesamt angeschrieben, weshalb bis Ende 2016 auch der Kläger hinreichende Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal erlangen konnte, also mit seiner Unkenntnis als grob fahrlässig i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu bezeichnen wäre. Zum Jahresende 2019 war damit Verjährung eingetreten. Da der Kläger sich auch nicht an einer Musterfeststellungsklage beteiligt hat, kann er sich auch nicht insoweit auf eine hierdurch bewirkte Verjährungshemmung berufen.
2.
Aus dem Aufspielen des Softwareupdates kann der Kläger keinen Schadensersatz, dessen Berechnung auf der Zahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug beruht, herleiten. Denn das Software-Update kann für den Kauf des Fahrzeugs, da es ihm nachfolgte, keine kausale sittenwidrige Schädigung des Klägers darstellen. Für eine erneute sittenwidrige Schädigung müsste der Kläger einen Schaden substantiiert darlegen, der sich (unabhängig vom Fahrzeugerwerb) lediglich auf die durch das Update zurückführbaren negativen Vermögensfolgen bezieht. Dies ist hier nicht erfolgt.
3.
Letztlich kommt es hierauf allerdings nicht entscheidend an, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 6.737,68 € aus § 852 BGB.
Nach § 852 Satz 1 BGB ist der Ersatzpflichtige nach dem Eintritt der Verjährung zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat.
So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat durch den Verkauf des Neuwagens über die Verkäuferin den Kaufpreis für das Fahrzeug erlangt (vgl. BGH Urteil vom 21.02.2022, Az. VIa ZR 8/21, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20]; OLG München, Urteil vom 27.09.2021, Az. 3 U 1705/21, BeckRS 2021, 28126, Rn. 49). Der Zufluss erfolgte abzüglich einer Händlermarge (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2022, Az. VIa ZR 680/21, NZG 2022, 938, Presseinformation; BGH, Hinweisbeschluss vom 09.05.2022, Az. VIa ZR 555/21, BeckRS 2022, 15662, Rn. 23 bei Beck-Online).
Es handelt sich vorliegend um einen Neuwagen. Dies hat der Kläger im zweiten Rechtszug erstmals ausdrücklich vorgetragen. Eine Präklusion dieses Vorbringens nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, denn neues unstreitiges Vorbringen ist stets zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2018, Az. XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269, 2271; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531, Rn. 20). So liegt der Fall hier. Die Beklagte ist dem neuen Vorbringen nicht entgegengetreten.
4.
Es kann vorliegend dahinstehen, wie hoch die abzuziehende Händlermarge im vorliegenden Fall konkret war, denn jedenfalls liegt sie unterhalb des Betrages, den sich der Kläger ohnehin anrechnen lassen muss, weil gezogene Nutzungen und der durch den Fahrzeugverkauf erzielte Erlös abzuziehen sind, da der Anspruch des § 852 BGB dem Anspruch aus § 826 BGB folgt (vgl. BGH, a.a.O, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20], Rn. 83 bei Beck-Online).
Dies ergibt hier folgende Rechnung:
Vom Kaufpreis in Höhe von 33.750 € sind die gezogenen Nutzungen abzuziehen, die hier (§ 287 ZPO) 19.012,32 € betragen, denn der Kläger hat bei einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km zwischen Erwerb und Veräußerung 140.832 km zurückgelegt (für die Einzelheiten zur Berechnungsformel wird auf BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796, 2797 verwiesen). Eine höhere Laufleistung hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte nicht nachgewiesen. Abzuziehen ist zudem der erzielte Erlös aus dem Weiterverkauf in Höhe von 8.000 €. Mithin ist hier im Wege der Vorteilsausgleichung vom Kaufpreis bereits ein Anteil in Höhe von rund 80 % abzuziehen. Dass die Händlermarge vorliegend größer als 80 % war, ist weder vorgetragen noch wäre eine solche Händlermarge auch nur ansatzweise plausibel.
Im Übrigen kann die Beklagte dem Anspruch aus § 852 BGB weder ihre eigenen Aufwendungen noch, wegen §§ 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB, eine Minderung der Bereicherung entgegenhalten (vgl. BGH, a.a.O, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20], Rn. 86 bei Beck-Online).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 BGB.
Obwohl der Kläger, der sich bereits mit der Klage Nutzungen anrechnen ließ, in der Sache mit der Klage überwiegend Erfolg hat, trägt er 20 % der Kosten im ersten Rechtszug sowie die Kosten der Berufung.
Für den ersten Rechtszug ist dies der Zuvielforderung aufgrund der erhöhten (falschen) Angabe des Kaufpreises geschuldet.
Für den zweiten Rechtszug folgt dies aus § 97 Abs. 2 ZPO. Hiernach sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. So liegt der Fall hier. Der Kläger hätte bereits im ersten Rechtszug vortragen können, dass er das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben hat und wäre dann bereits vor dem Landgericht (überwiegend) siegreich gewesen. Die Durchführung des Berufungsverfahrens ist einzig auf diese unterbliebene Angabe zurückzuführen. Auch auf den im Termin vor dem Landgericht am 1. September 2021 erteilten gerichtlichen Hinweis auf den fehlenden diesbezüglichen Vortrag (vgl. 283 d. A.) erfolgten im nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 7. September 2021 (vgl. Bl. 287 ff. d. A.) keine Ausführungen zu dieser Frage. Der Vortrag des Klägers zur Neuwageneigenschaft seines Fahrzeugs war auch nicht aus dem Gesichtspunkt entbehrlich, dass aus den von ihm eingereichten Anlagen evtl. hätte geschlossen werden können, dass es sich vorliegend um den Erwerb eines Neuwagens handelte. Anlagen können den Vortrag einer Partei erläutern, diesen aber nicht ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2007, Az. II ZR 111/05, NJW 2008, 69, 71). Hier kommt hinzu, dass der Kläger in beiden Rechtszügen teilweise umfangreich dazu ausführt hat, der Anwendungsbereich des § 852 BGB sei auch bei Gebrauchtfahrzeugen eröffnet. Da infolge der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Neuwageneigenschaft der Anspruch aus § 852 BGB steht und fällt, stellt es einen eklatanten Fall der unsorgfältigen Prozessführung dar, sein Vorbringen über hunderte von Seiten zu erstrecken, aber gerade zu dieser Frage erst in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO konkret vorzutragen.
Urteil vom 02.08.2022
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Januar 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.737,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2021 zu zahlen.
Die Kosten im ersten Rechtszug fallen der Beklagten zu 80 % und dem Kläger zu 20 % zur Last. Die Kosten im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach einem Fahrzeugkauf im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Skandal" in Anspruch. Er kaufte am 5. August 2013 von dem Autohaus I. GmbH in H., einer Vertragshändlerin der Beklagten, als Neuwagen das Fahrzeug VW Tiguan Sport & Style 2.0 TDI zum Kaufpreis von 33.750 € (vgl. korrigierter Vortrag im Berufungsrechtszug, Bl. 325 d. A.). Im Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte Motor EA189 eingebaut, der vom sog. "Diesel-Abgasskandal" betroffen ist. Am 17. August 2020 veräußerte der Kläger das Fahrzeug an einen Dritten für 8.000 €.
Der Kläger hat behauptet, zum Zeitpunkt des Verkaufs an den Dritten habe die Laufleistung bei 140.832 km gelegen. Die Beklagte habe ihn sittenwidrig durch den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung getäuscht. Durch das zur Behebung durchgeführte Software-Update, durch das ein "Thermofenster" implementiert worden sei, sei er von der Beklagten erneut sittenwidrig getäuscht worden. Er hat erstinstanzlich zuletzt Schadensersatz in Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises abzüglich des Verkaufserlöses in Höhe von 8.000 € und einer ins Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht. Die Klage wurde im Dezember 2020 eingereicht und am 11. Februar 2021 an die Beklagte zugestellt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klage hat das Landgericht wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen. Auch ein Anspruch aus § 852 BGB sei unbegründet, denn der Kläger habe bis zuletzt und trotz ausdrücklichen Hinweises nicht vorgetragen, ob er das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben habe. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die Ansprüche weiter, reduziert aber seine Forderung, da die erstinstanzlich angegebenen Kaufpreishöhe von 35.535 € unrichtig gewesen sei.
Der Senat hatte den Kläger zunächst darauf hingewiesen, dass seine Berufung im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich unbegründet ist, weil nicht vorgetragen wurde, ob es sich vorliegend um ein Neufahrzeug handelt. Hierauf hat der Kläger unter Bezugnahme auf erstinstanzlich eingereichte Anlagen vorgetragen, dass es sich um den Kauf eines Neufahrzeugs handelte. Dies ist seitens der Beklagten nicht bestritten worden.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
Mit dem Landgericht ist zwar davon auszugehen, dass ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB zwischenzeitlich verjährt ist (1.) und zur Anspruchsbegründung auch nicht an die Aufspielung des sogenannten "Updates" angeknüpft werden kann (2.). Allerdings haftet die Beklagte gleichwohl aus dem Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB (3.), der der Höhe nach zur selben Rechtsfolge führt wie die ursprüngliche Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB (4.). Da erst im Berufungsrechtszug erfolgter Vortrag dem Kläger zum Klagerfolg verhilft, trifft ihn für die Berufungsinstanz die Kostenpflicht (5.).
1.
Der hier vorliegende Erwerb eines von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs mit EA-189-Motor und eingebauter unzulässiger Abschaltsoftware stellt inzwischen die geradezu klassische Situation einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung dar, welche auch durch den späteren Einbau des Updates nicht als solche entfallen ist (grundlegend BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 ff.).
Gegen die Haftung spricht lediglich, dass die erst im Dezember 2020 erfolgte Klagerhebung nicht mehr geeignet war, die dreijährige Verjährung (§ 199 BGB) zu hemmen.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger hinreichende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Dieselabgasproblematik bereits im Herbst 2015 erlangen konnte. Jedenfalls hat die Beklagte, beginnend mit Februar 2016, Fahrzeugeigner über das Kraftfahrtbundesamt angeschrieben, weshalb bis Ende 2016 auch der Kläger hinreichende Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal erlangen konnte, also mit seiner Unkenntnis als grob fahrlässig i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu bezeichnen wäre. Zum Jahresende 2019 war damit Verjährung eingetreten. Da der Kläger sich auch nicht an einer Musterfeststellungsklage beteiligt hat, kann er sich auch nicht insoweit auf eine hierdurch bewirkte Verjährungshemmung berufen.
2.
Aus dem Aufspielen des Softwareupdates kann der Kläger keinen Schadensersatz, dessen Berechnung auf der Zahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug beruht, herleiten. Denn das Software-Update kann für den Kauf des Fahrzeugs, da es ihm nachfolgte, keine kausale sittenwidrige Schädigung des Klägers darstellen. Für eine erneute sittenwidrige Schädigung müsste der Kläger einen Schaden substantiiert darlegen, der sich (unabhängig vom Fahrzeugerwerb) lediglich auf die durch das Update zurückführbaren negativen Vermögensfolgen bezieht. Dies ist hier nicht erfolgt.
3.
Letztlich kommt es hierauf allerdings nicht entscheidend an, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 6.737,68 € aus § 852 BGB.
Nach § 852 Satz 1 BGB ist der Ersatzpflichtige nach dem Eintritt der Verjährung zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat.
So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat durch den Verkauf des Neuwagens über die Verkäuferin den Kaufpreis für das Fahrzeug erlangt (vgl. BGH Urteil vom 21.02.2022, Az. VIa ZR 8/21, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20]; OLG München, Urteil vom 27.09.2021, Az. 3 U 1705/21, BeckRS 2021, 28126, Rn. 49). Der Zufluss erfolgte abzüglich einer Händlermarge (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2022, Az. VIa ZR 680/21, NZG 2022, 938, Presseinformation; BGH, Hinweisbeschluss vom 09.05.2022, Az. VIa ZR 555/21, BeckRS 2022, 15662, Rn. 23 bei Beck-Online).
Es handelt sich vorliegend um einen Neuwagen. Dies hat der Kläger im zweiten Rechtszug erstmals ausdrücklich vorgetragen. Eine Präklusion dieses Vorbringens nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, denn neues unstreitiges Vorbringen ist stets zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2018, Az. XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269, 2271; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531, Rn. 20). So liegt der Fall hier. Die Beklagte ist dem neuen Vorbringen nicht entgegengetreten.
4.
Es kann vorliegend dahinstehen, wie hoch die abzuziehende Händlermarge im vorliegenden Fall konkret war, denn jedenfalls liegt sie unterhalb des Betrages, den sich der Kläger ohnehin anrechnen lassen muss, weil gezogene Nutzungen und der durch den Fahrzeugverkauf erzielte Erlös abzuziehen sind, da der Anspruch des § 852 BGB dem Anspruch aus § 826 BGB folgt (vgl. BGH, a.a.O, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20], Rn. 83 bei Beck-Online).
Dies ergibt hier folgende Rechnung:
Vom Kaufpreis in Höhe von 33.750 € sind die gezogenen Nutzungen abzuziehen, die hier (§ 287 ZPO) 19.012,32 € betragen, denn der Kläger hat bei einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km zwischen Erwerb und Veräußerung 140.832 km zurückgelegt (für die Einzelheiten zur Berechnungsformel wird auf BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796, 2797 verwiesen). Eine höhere Laufleistung hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte nicht nachgewiesen. Abzuziehen ist zudem der erzielte Erlös aus dem Weiterverkauf in Höhe von 8.000 €. Mithin ist hier im Wege der Vorteilsausgleichung vom Kaufpreis bereits ein Anteil in Höhe von rund 80 % abzuziehen. Dass die Händlermarge vorliegend größer als 80 % war, ist weder vorgetragen noch wäre eine solche Händlermarge auch nur ansatzweise plausibel.
Im Übrigen kann die Beklagte dem Anspruch aus § 852 BGB weder ihre eigenen Aufwendungen noch, wegen §§ 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB, eine Minderung der Bereicherung entgegenhalten (vgl. BGH, a.a.O, NJW-RR 2022, 740 ff. [OLG Düsseldorf 15.02.2022 - 23 U 153/20], Rn. 86 bei Beck-Online).
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 BGB.
Obwohl der Kläger, der sich bereits mit der Klage Nutzungen anrechnen ließ, in der Sache mit der Klage überwiegend Erfolg hat, trägt er 20 % der Kosten im ersten Rechtszug sowie die Kosten der Berufung.
Für den ersten Rechtszug ist dies der Zuvielforderung aufgrund der erhöhten (falschen) Angabe des Kaufpreises geschuldet.
Für den zweiten Rechtszug folgt dies aus § 97 Abs. 2 ZPO. Hiernach sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. So liegt der Fall hier. Der Kläger hätte bereits im ersten Rechtszug vortragen können, dass er das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben hat und wäre dann bereits vor dem Landgericht (überwiegend) siegreich gewesen. Die Durchführung des Berufungsverfahrens ist einzig auf diese unterbliebene Angabe zurückzuführen. Auch auf den im Termin vor dem Landgericht am 1. September 2021 erteilten gerichtlichen Hinweis auf den fehlenden diesbezüglichen Vortrag (vgl. 283 d. A.) erfolgten im nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 7. September 2021 (vgl. Bl. 287 ff. d. A.) keine Ausführungen zu dieser Frage. Der Vortrag des Klägers zur Neuwageneigenschaft seines Fahrzeugs war auch nicht aus dem Gesichtspunkt entbehrlich, dass aus den von ihm eingereichten Anlagen evtl. hätte geschlossen werden können, dass es sich vorliegend um den Erwerb eines Neuwagens handelte. Anlagen können den Vortrag einer Partei erläutern, diesen aber nicht ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2007, Az. II ZR 111/05, NJW 2008, 69, 71). Hier kommt hinzu, dass der Kläger in beiden Rechtszügen teilweise umfangreich dazu ausführt hat, der Anwendungsbereich des § 852 BGB sei auch bei Gebrauchtfahrzeugen eröffnet. Da infolge der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Neuwageneigenschaft der Anspruch aus § 852 BGB steht und fällt, stellt es einen eklatanten Fall der unsorgfältigen Prozessführung dar, sein Vorbringen über hunderte von Seiten zu erstrecken, aber gerade zu dieser Frage erst in der Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO konkret vorzutragen.
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