07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238171
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 29.06.2022 – 22 W 16/22
Ist nach einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits über die Kosten der Nebenintervention zu entscheiden, betrifft dies nur die durch den in diesem Zeitpunkt wirksamen Beitritt verursachten Kosten. Hat der Nebenintervenient vorher seinen Beitritt zurückgenommen, sind ihm entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die durch diese Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen. Tritt der Nebenintervenient daher im weiteren Verlauf des Verfahrens der anderen Partei dem Rechtsstreit bei, ist eine Kostenentscheidung nach § 101 Abs. 1 ZPO nur hinsichtlich der durch den weiteren Beitritt verursachten Kosten veranlasst.
Oberlandesgericht Köln
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten, wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - Einzelrichter - vom 22.04.2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die der Streithelferin des Klägers nach ihrem Beitritt vom 21.01.2022 entstandenen außergerichtlichen Kosten werden zu 75 % der Beklagten auferlegt; im Übrigen findet bezüglich der Nebeninterventionen der Streithelferin der Klägerin im Verfahren, auch soweit sie vor dem 21.01.2022 der Beklagten beigetreten war, keine Kostenerstattung statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin des Klägers.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 1.000 € festgesetzt.
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Gründe:
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I.
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Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind in der Hauptsache Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagten gewesen. Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 ist die Streithelferin zunächst auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten. Im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung vom 21.01.2022 hat die Streithelferin erklärt, nunmehr auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beizutreten. Das Verfahren ist im weiteren Verlauf durch in der Spruchfrist geschlossenen Vergleich beendet worden, an dem die Streithelferin des Klägers nicht beteiligt gewesen ist und dessen Zustandekommen das Landgericht mit Beschluss vom 14.03.2022 - berichtigt durch Beschluss vom 22.03.2022 - festgestellt hat. Die im Vergleich vereinbarte Kostenregelung sieht eine Kostenlast der Beklagten zu 75 % und des Klägers zu 25 % vor. Eine Regelung hinsichtlich der Kosten der Nebenintervention ist nicht getroffen.
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Auf Antrag der Streithelferin der Klägerin hat das Landgericht der Beklagten mit Beschluss vom 22.04.2022, 75 Prozent der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin auferlegt. Hierauf hat die Beklagte die Ergänzung des Beschlusses dahingehend beantragt, dass die der Beklagten auferlegte Erstattungspflicht nur insoweit bestehe, als die Kosten nach dem Wechsel der Beitrittsseite durch die Streithelferin entstanden sind; hilfsweise hat sie gegen den Beschluss sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat die Eingabe als sofortige Beschwerde behandelt und dieser nicht abgeholfen.
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II.
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Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.
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1.
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Gegen die Zulässigkeit der frist- und formgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde bestehen keine Bedenken. Zwar ist die Entscheidung über die Verteilung der Kosten der Nebenintervention grundsätzlich nur zusammen mit der Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar. Dis gilt indes nicht, wenn die Anfechtung der Hauptsache aufgrund einer Erledigung des Rechtsstreits durch Prozessvergleich nicht möglich ist. In diesem Fall unterliegt der die Kostentragung aussprechende Beschluss der sofortigen Beschwerde (vgl. nur BeckOK ZPO/Jaspersen ZPO § 101 Rn. 17, 20 mwN).
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2.
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Die sofortige Beschwerde der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
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a) Gemäß § 101 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO sind die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Im Falle eines Vergleichs bestimmt sich die Kostentragungspflicht nach § 98 Satz 1 ZPO, wonach die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben sind, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbart haben. Der Vorrang der der gesetzlichen Zweifelsregelung entgegenstehende Vereinbarung der Hauptparteien im Vergleich ist dabei auch dann vorrangig, wenn - wie hier - der Nebenintervenient am Vergleich nicht teilnimmt (BGH, Beschluss vom 18.12.2013 - V ZB 19/13, juris Rn. 10).
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Ist nach einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits über die Kosten der Nebenintervention zu entscheiden, betrifft dies allerdings nur die durch den in diesem Zeitpunkt wirksamen Beitritt verursachten Kosten. Hat der Nebenintervenient vorher seinen Beitritt zurückgenommen, sind ihm insoweit entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen (OLG Dresden, Beschluss vom 11.04.2008 - 13 W 210/08, juris Rn. 11; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl., § 101 Rn. 17; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 19. Aufl., § 101 Rn. 3), wobei diese Kostenentscheidung im Grundsatz mit dem Wirksamwerden der Rücknahme zu treffen ist (Musielak/Voit/Flockenhaus aaO). Tritt der Nebenintervenient daher im weiteren Verlauf des Verfahrens der anderen Partei dem Rechtsstreit bei, ist eine Kostenentscheidung nach § 101 Abs. 1 ZPO nur hinsichtlich der durch den weiteren Beitritt verursachten Kosten veranlasst; die Kosten des Erstbeitritts werden insoweit nicht erfasst (MüKoZPO/Schulz aaO).
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b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Kostenentscheidung auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2, § 101 Abs. 1 Halbsatz 1, § 98 Satz 1 ZPO wie ausgesprochen neu zu fassen. In der Erklärung der zunächst auf Seiten der Beklagten beigetretene Streithelferin in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2022, wonach diese auf Seiten des Klägers beitrete, lag - wie das Landgericht zutreffend gesehen hat - zugleich die Rücknahme des Beitritts auf Seiten der Beklagten.
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Soweit sich die Streithelferin der Klägerin gegen die Differenzierung zwischen Erst- und Zweitbeitritt mit der Erwägung wendet, dass sie in diesem Fall nicht nur einen anteiligen Anspruch auf Kostenersatz gegen den Gegner der von ihr zuletzt unterstützten Partei hätte, sondern auch gegen den Gegner der ursprünglich unterstützten Partei, gibt dies keinen Anlass, von den dargestellten Grundsätzen abzuweichen. Fehl geht bereits die Annahme, es bestünde ein anteiliger Anspruch auf Kostenersatz gegen den Kläger als Gegner der von ihr zunächst unterstützten Beklagten. Denn die der Streithelferin der Klägerin durch den zurückgenommenen Erstbeitritts entstandenen außergerichtlichen Kosten hat sie - wie dargelegt - in analoger Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO vollständig selbst zu tragen.
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4.
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Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittels der Beklagten folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 97 Rn. 7). Gegner der Beklagten im Beschwerdeverfahren ist ausschließlich die Streithelferin des Klägers, da nur zwischen diesen über die Verteilung der Kosten der Nebenintervention zu entscheiden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 03.04.2003 - V ZB 44/02, juris).
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 ZPO. Entscheidend für die Bemessung des Streitwertes ist das Interesse der Beklagten, die durch den Erstbeitritt der Streithelferin verursachten Kosten nicht in Höhe von 75 % tragen zu müssen.