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  • 10.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239045

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 06.11.2023 – 8 W 53/23

    § 41 Abs. 5 GKG gilt nicht - auch nicht analog - für den Gebührenwert von Klagen auf Feststellung einer Überschreitung der gemäß § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miete.


    Kammergericht Berlin 

    Beschluss vom 06.11.2023


    In Sachen

    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
    - Klägerin -
    Prozessbevollmächtigte und Beschwerdeführerin:
    Rechtsanwälte xxxxxxxxxxxxxx
    gegen
    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
    - Beklagter und Beschwerdegegner -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt xxxxxxxxxxxxxxx

    hat das Kammergericht - 8. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht xxx, die Richterin am Kammergericht xxx und die Richterin am Kammergericht xxx am 06.11.2023 beschlossen:

    Tenor:

    Auf die weitere Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 03.08.2023 - 64 T 61/23 - teilweise geändert.

    Der Streitwertbeschluss des AG Charlottenburg vom 13.04.2023 - 226 C 152/22 - wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Streitwert wird auf 3.710,44 € festgesetzt. Der Wert des Vergleichs übersteigt den Streitwert um 20.549,76 €.

    Das gerichtliche Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    [1] Die weitere Beschwerde ist nach § 68 Abs. 1 Nr. 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat und der Beschwerdegegenstand - die mit der Beschwerde erstrebte Gebührendifferenz - 200 € übersteigt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die weitere Beschwerde ist auch zulässig, weil die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, welche die Beschwerde gemäß § 32 Abs. 2 RVG im eigenen Namen eingelegt hat, das Rechtsmittel formgerecht und innerhalb der Frist des § 68 Abs. 1 Satz 6 GKG eingelegt hat.

    [2] Die weitere Beschwerde ist teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.

    [3] Das Landgericht hat als Gebührenstreitwert für den Klageantrag auf Auskunft zu Recht (nur) 10 % des Wertes einer Klage auf Feststellung einer Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Miete angesetzt. Der Wert eines Auskunftsanspruchs ist in der Regel mit 1/10 bis 1/4 des Leistungsanspruchs und umso höher anzusetzen, je geringer die Kenntnisse des Anspruchsstellers von den zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (BGH, Beschluss vom 19.04.2018 - IX ZB 62/17 - MDR 2018, 767 Rn. 10). Das Landgericht hat zu Recht den unteren Rand dieser Spanne angesetzt, weil eine Belehrung gemäß § 556g Abs. 1a Satz 1 BGB nicht erfolgt war und die Ausnahmetatbestände, zu denen die Klägerin Auskunft begehrt hat, daher erst nach Ablauf der Frist des § 556g Abs. 1a Satz 3 BGB erheblich werden konnten.

    [4] Der Wert eines solchen Feststellungsantrages ist entgegen dem angefochtenen Beschluss hier nicht mit dem 17-fachen, sondern mit dem 47-fachen Überschreitungsbetrag zu bemessen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 Satz 1 ZPO ist der (42-fache) Überschreitungsbetrag für dreieinhalb Jahre anzusetzen und hinzu kommen - wie das Landgericht richtig erkannt hat - die geltend gemachten Überzahlungen auf zwei Monatsmieten und auf die drei Nettokaltmieten betragende Kaution (vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19 - BGHZ 225, 352, Rn. 117), die nicht Gegenstand des Klageantrages auf Rückzahlung sind.

    [5] Die angefochtene Wertfestsetzung stützt sich zu Unrecht auf § 41 Abs. 5 GKG:

    [6] Gemäß § 41 Abs. 5 GKG in der aufgrund des Kostenmodernisierungsgesetzes seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung ist für den Streitwert bei Ansprüchen auf Erhöhung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages und bei der Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum der Jahresbetrag der Mietminderung maßgebend. Bei einem Feststellungsantrag zu § 556d Abs. 1 BGB geht es aber weder um eine Mieterhöhung noch um eine Mietminderung (gemäß § 536 BGB), sondern der Antrag zielt auf eine andersartige Herabsetzung der vereinbarten Miete und wird daher vom Wortlaut des § 41 Abs. 5 GKG nicht erfasst.

    [7] Der Streitwert des Feststellungsantrages ist auch nicht in analoger Anwendung von § 41 Abs. 5 GKG auf den Jahresbetrag des streitigen Differenzbetrages begrenzt (BGH, Urteil vom 18.05.2022 - VIII ZR 382/21 - juris Rn. 54; OLG Hamburg, Beschluss vom 17.07.2023 - 4 W 23/23 - GE 2023, 797; LG Berlin, Beschluss vom 20.12.2023 - 67 T 77/22 - ZMR 2023, 461; LG Berlin, Beschluss vom 15.02.2023 - 65 T 15/23 - ZMR 2023, 239; Elzer in: Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage, § 41 GKG Rn. 62 "Feststellung"; Schneider, AGS 2023, 184; ebenso zu § 41 Abs. 5 GKG a. F.: BGH, Urteil vom 27.05.2020 - VIII ZR 45/19 - BGHZ 225, 352 Tz. 117; Senat, Beschluss vom 28.04.2022 - 8 W 12/22; anderer Auffassung: KG, Beschluss vom 29.09.2022 - 12 W 26/22 - ZMR 2023, 30; LG Berlin, Urteil vom 26.04.2023 - 64 S 189/22 - WuM 2023, 419, Revision anhängig zu VIIII ZR 135/23; LG Berlin, Urteil vom 30.08.2023 - 64 S 309/22 - GE 2023, 1006, Revision anhängig zu VIIII ZR 211/23; Schüller in: BeckOK BGB, 66. Ed. 01.05.2023, BGB § 556g Rn. 35b).

    [8] Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zu Grunde liegenden - Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt und auf Grund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 14.06.2016 - VIIII ZR 43/15 - MDR 2026, NZM 2016, 890 [BGH 14.06.2016 - VIII ZR 43/15], Rn. 10).

    [9] Eine solche planwidrige Regelungslücke ist hier nicht festzustellen.

    [10] In der Begründung zur Neufassung des § 41 Abs. 5 GKG durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drs. 19/23484, Seite 53) heißt es:

    41 GKG trifft Regelungen hinsichtlich des Streitwerts bei Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen. Die Regelung begrenzt den Gebührenstreitwert aus sozialpolitischen Erwägungen. Es geht dabei - insbesondere in Absatz 5 - darum, die Kosten für Streitigkeiten über Wohnraum zu dämpfen. (...)

    Ohne die Vorschrift würde sich der Gebührenstreitwert aufgrund der Verweisung in § 48 Absatz 1 Satz 1 GKG nach den Zuständigkeitsstreitwerten der ZPO bemessen. Der Bundesgerichtshof hat zur Feststellungsklage eines Mieters mit dem Ziel der Mietminderung entschieden (Beschluss vom 14.06.2016, VIII ZR 43/15), dass der Wortlaut des § 41 GKG die Feststellungsklage auf Minderung der Miete nicht erfasst und daher insoweit § 9 ZPO (dreieinhalbfacher Jahresbetrag) anwendbar sei.

    Unterschiedliche Wertbemessungsgrundlagen bei Mieterhöhung und Mietminderung erscheinen, vor allem aus dem Blickwinkel betroffener Mieterinnen und Mieter, nicht nachvollziehbar, da sich deren Kostenrisiko mit der Anwendung des § 9 ZPO deutlich erhöht. § 41 Absatz 5 Satz GKG soll daher um den Fall der Minderung der Miete ergänzt werden.

    Bei Feststellung einer Minderung der Miete für Wohnraum soll daher der Jahresbetrag der Mietminderung Grundlage für die Wertberechnung sein. (...)"

    [11] Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Feststellungsansprüche zu § 556d Abs. 1 BGB versehentlich nicht mit geregelt hat. Diese Bestimmung ist bereits 2015 in Kraft getreten und der BGH hat mit dem erwähnten, in seine amtliche Sammlung aufgenommenen Urteil vom 27.05.2020 den Gebührenwert solcher Fälle nach § 9 ZPO bemessen. Der Beschluss des BGH vom 14.06.2016 führte (a. a. O. Tz. 12) zur vorherigen Fassung des § 41 Abs. 5 GKG aus, dass der Gesetzgeber keine allgemeine Begrenzung des Gebührenstreitwerts geschaffen hat, um sozialpolitischen Belangen Rechnung zu tragen, sondern sich darauf beschränkt hat, die Regelungen zum (Wohnraum-) Mietrecht im Gerichtskostengesetz jeweils nur punktuell und vor dem Hintergrund einer Kontroverse in der Rechtsprechung zu erweitern. Im Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ist lediglich eine Regelung zu Klagen auf Feststellung einer Mietminderung - und nur für Wohnraummietverhältnisse - eingefügt worden. Damit ist der Gesetzgeber offenbar weiterhin dem Regelungskonzept gefolgt, den Gebührenstreitwert durch Aufzählung von Einzeltatbeständen zu begrenzen. Jedenfalls geht aus der Gesetzesbegründung nicht mit der erforderlichen Klarheit hervor, dass der Wert sämtlicher Feststellungsklagen bezüglich der Miethöhe auf den Jahresbetrag begrenzen werden sollte.

    [12] Zwar mag aus sozialpolitischen Erwägungen viel dafür sprechen, den Gebührenstreitwert einer Klage des Mieters auf Feststellung einer nach § 556d Abs. 1 BGB unzulässigen Miethöhe dem Wert einer Klage auf Feststellung, dass eine Mieterhöhung etwa gemäß § 557b BGB, § 558 BGB, § 559 BGB oder § 560 BGB unwirksam sei, anzugleichen. Eine solche Regelung ist aber dem Gesetzgeber vorbehalten.

    [13] Der Streitwert für den Klageantrag zu 1 (auf Auskunft) ist daher mit dem geltend gemachten monatlichen Überschreitungsbetrag von 489,28 € x 47 Monate x 10 % = 2.299,62 € festzusetzen. Hinzu kommen 489,28 € für den Klageantrag zu 2 (auf Rückzahlung) sowie die eingeklagten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, soweit sie - wie im angefochtenen Beschluss zutreffend und unangefochten ausgeführt - in Höhe von 921,54 € über eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO hinausgehen.

    [14] Der überschiessende Wert des Vergleichs wird gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen auf 42 x 489,28 € = 20.549,76 € festgesetzt.

    [15] Der Kostenausspruch beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebietMietrechtVorschriften§ 41 Abs. 5 GKG; § 9 S. 1 ZPO; § 556d Abs. 1 BGB