Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 11.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239060

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 23.11.2023 – 19 W 75/23

    Der Geschäftswert eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs bestimmt sich nach § 36 GNotKG; hierbei ist ein Bruchteil des Nennwerts der Grundschuld anzusetzen.


    Oberlandesgericht Karlsruhe 

    Beschluss vom 23.11.2023


    Tenor:

    Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gegen die Geschäftswertfestsetzung in Ziffer 3 des Ausschließungsbeschlusses des Amtsgerichts Bruchsal vom 23.08.2023, Az. 33 II 7/23, wird zurückgewiesen.

    Gründe

    I.

    Die Antragsteller haben beantragt, den Brief zu der in Abteilung III Nr. 3 eingetragenen Grundschuld mit einem Nominalwert von DM 25.000 für kraftlos zu erklären; sie haben hierzu eine Verzichtserklärung der im Grundbuch eingetragenen Bausparkasse vorgelegt und versichert, dass der Brief verlorengegangen sei und Nachforschungen zu ihm ohne Erfolg geblieben seien. Nach einem Beanstandungsschreiben des Amtsgerichts wurden die Beschwerdeführer für die Antragsteller tätig. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht nach vorherigem Aufgebot den Grundschuldbrief für kraftlos erklärt und den Geschäftswert unter Berufung auf § 36 GNotKG auf EUR 1.950 - rund 15% des Nominalwerts der Grundschuld - festgesetzt. Gegen diese den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 31. August 2023 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 6. September 2023 eingegangene Beschwerde, mit der eine Heraufsetzung des Geschäftswerts auf den vollen Nominalbetrag der Grundschuld - mithin auf umgerechnet EUR 12.782,30 - begehrt wird. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

    II.

    Die wegen der erstrebten Geschäftswerterhöhung als im eigenen Namen der Verfahrensbevollmächtigten eingelegt auszulegende Beschwerde ist nach § 83 Absatz 1 Satz 1 GNotKG zulässig (vgl. zur Beschwerdebefugnis der Verfahrensbevollmächtigten BeckOK KostR/von Selle, 43. Ed. 1.10.2023, GNotKG § 83 Rn. 10), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht als Geschäftswert des Aufgebotsverfahrens lediglich einen Bruchteil des Nominalwerts der Grundschuld zugrunde gelegt und dabei mit der Zugrundelegung eines Werts von rund 15% des Nominalwerts eine nachvollziehbare Schätzung vorgenommen.

    1. Es entspricht ganz überwiegender Auffassung, dass der Geschäftswert des Aufgebotsverfahrens nach § 36 Absatz 1 GNotKG zu bestimmen ist (vgl. etwa Fackelmann/Heinemann/Otto, GNotKG, KV 15212, Rn. 18; Holzer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 433 FamFG Rn. 5) und damit § 53 GNotKG keine Anwendung findet (NK-HK/Heinemann, 3. Auflage, KV 15212, Rn. 15; a. A. wohl - gemeinsames Zitat von §§ 36 und 53 GNotKG - OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019 - 3 Wx 39/19, juris-Rn. 30). Das findet seine Rechtfertigung darin, dass Gegenstand des Aufgebotsverfahrens zu dem Grundschuldbrief nicht das Recht selbst, sondern lediglich der zu dem Grundpfandrecht ausgestellte Brief ist.

    2. Es entspricht nahezu einhelliger Auffassung im Schrifttum und eines Teils der Rechtsprechung, dass bei Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs (lediglich) ein Bruchteil des Nennwerts anzusetzen ist, sofern nicht der Wert des Grundstücks noch niedriger ist; insoweit entspricht es weitgehender Praxis, einen Wert von 10 % bis 20 % des Nennbetrages der Grundschuld anzusetzen (zur vergleichbaren Rechtslage vor Inkrafttreten des GNotKG LG Hildesheim NJW 1964, 1232; LG Berlin, Beschluss vom 27. Mai 1988 - 82 T 176/88, juris; Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 15. Auflage, Rn. 2269; Fackelmann/Heinemann/Otto, GNotKG, KV 15212, Rn. 18; Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand der 125. Aktualisierung August 2019, KV 15212, Rn. 8; Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Auflage, § 433 Rn. 25; Rehberg u.a., RVG-Kommentar, 8. Auflage, Aufgebotsverfahren, Ziffer 8; Prütting/Gehrlein, ZPO, 15. Auflage, § 3 ZPO, Rn. 51) Die - soweit ersichtlich - einzig abweichende Auffassung im Schrifttum (LK-GNotKG, 2. Auflage, KV 15212, Rn. 23), wonach der Wert der Grundschuld zugrundezulegen sei, ist mit einer näheren Begründung oder Rechtsprechungsnachweisen nicht versehen. Soweit das Landgericht Potsdam (MDR 2008, 653 [LG Potsdam 14.03.2008 - 7 T 142/07]; diesem folgend Musielak/Voit/Heinrich, 20. Aufl. 2023, ZPO § 3 Rn. 23, Stichwort Aufgebotsverfahren) einen höheren Wert angesetzt hat, lag dem eine andere Fallgestaltung zugrunde; es war ein Aufgebotsverfahren zu beurteilen, in dem nicht bekannt war, wie hoch und zu wessen Gunsten die Grundschuld valutiert.

    Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung im Schrifttum an. Die Kraftloserklärung des § 1162 BGB bezieht sich lediglich auf den Brief als Urkunde und damit nicht auf das dingliche Recht als solches, gleichfalls nicht auf die abgesicherte Forderung, die beide von einem Briefverlust unberührt bleiben (vgl. BeckOGK/Volmer, 1.8.2023, BGB § 1162 Rn. 2). Daher erscheint es - trotz der Erschwerung des Grundstücksverkehrs bei Verlust des Briefs - nicht gerechtfertigt, den Nominalwert der Grundschuld als Geschäftswert anzusetzen.

    3. Die von den Beschwerdeführern angeführte Rechtsprechung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

    a) Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 2014 (V ZB 146/13, juris), auf den die Beschwerdeführer abheben, betraf ein Aufgebotsverfahren nach § 1171 BGB und nicht - wie hier - ein solches nach § 1162 BGB. Das Interesse an der Kraftloserklärung eines Briefs kann mit demjenigen an dem Ausschluss unbekannter Gläubiger nicht gleichgesetzt werden.

    b) Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 22. Dezember 2017 (34 Wx 302/17, NJOZ 2018, 1410) ist in einem Verfahren ergangen, in dem das Aufgebotsverfahren zum Ausschluss unbekannter Gläubiger (§§ 1192, 1170 BGB) durchgeführt worden ist. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 12. August 2016 (34 Wx 106/16, BeckRS 2016, 14693) betraf kein Aufgebotsverfahren, sondern eine Beschwerde gegen eine grundbuchamtliche Entscheidung, der lediglich ein Aufgebotsverfahren vorausgegangen war.

    c) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 12. Juni 2019 (3 Wx 39/19, juris-Rn. 30), in der der volle Nennbetrag der Grundschuld als Geschäftswert angenommen wird, ist deshalb nicht vergleichbar, weil hier die Vorinstanz davon ausgegangen war, es liege ein Antrag zur Ausschließung unbekannter Gläubiger nach § 1170 BGB vor. Die Entscheidung desselben Gerichts vom 20. März 2019 (3 Wx 204/18, juris) betrifft dagegen - entgegen der wohl vom Amtsgericht vertretenen Auffassung (Hinweis vom 15. September 2023, As. I 63) - einen vergleichbaren Fall, weil hier ein Antrag nach § 1162 BGB zu beurteilen war. Die dort vertretene Auffassung (Rn. 27), der Wert des Beschwerdeverfahrens entspreche dem Kaufpreisanteil, der erst dann auszuzahlen sei, wenn ein Ausschließungsbeschluss vorliege, vermag indes nicht zu überzeugen. Über das Aufgebot ist unabhängig von einem konkreten Verkaufsvorfall zu entscheiden; die Vereinbarungen in einem von dem Eigentümer geschlossenen Kaufvertrag können daher keinen geeigneten Maßstab für die Geschäftswertbestimmung geben.

    d) Die Ausführungen der Beschwerdeführer dazu, dass es den Antragstellern auf ein möglichst rasches Aufgebotsverfahren angekommen sei, rechtfertigen keine andere Beurteilung; sie ändern nichts daran, dass der Wert des Aufgebots des Grundschuldbriefs nicht mit demjenigen des eingetragenen Rechts gleichgesetzt werden kann.

    III.

    1. Einer Entscheidung über die Kosten und den Geschäftswert der Beschwerde bedarf es im Hinblick auf § 83 Absatz 3 GNotKG nicht.

    2. Die Zulassung der weiteren Beschwerde kommt bereits nach §§ 83 Absatz 1 Satz 5, 81 Absatz 4 Satz 1 GNotKG nicht in Betracht.

    RechtsgebieteGeschäftswert, AufgebotsverfahrenVorschriften§ 36 GNotKG