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  • 11.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239064

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 09.05.2023 – 6 WF 53/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt 
    6. Senat für Familiensachen

    09.05.2023


    Tenor

    Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Gründe

    I.

    Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgten Ansatz einer Terminsgebühr aus einem dem Kosteninteresse entsprechenden Wert trotz Klagerücknahme.

    Die volljährige Beschwerdeführerin hatte den Beschwerdegegner in der Hauptsache auf Leistung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hatte Termin zur mündlichen Verhandlung für den 15. November 2022 9:00 Uhr bestimmt. Mit per besonderem elektronischen Anwaltspostfach übermitteltem und am 14. November 2022 um 11:52 Uhr elektronisch eingegangenem Schriftsatz hatte die Antragstellerin ihren Antrag zurückgenommen. Die zuständige Richterin hatte am 15. November 2022 die Sache aufgerufen. Es war nur die Antragsgegnervertreterin erschienen. Der Schriftsatz vom 14. November 2022 wurde der zuständigen Richterin nach Ende des Termins zur mündlichen Verhandlung vorgelegt. Mit Beschluss vom 24. November 2022 hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens nach § 243 FamFG der Beschwerdeführerin auferlegt.

    Im nach entsprechendem Kostenfestsetzungsantrag durch die Rechtspflegerin durchgeführten Kostenfestsetzungsverfahren hat der Beschwerdegegner neben der Festsetzung hier unstreitiger Kosten beantragt, eine aus dem Kosteninteresse berechnete 1,2 Terminsgebühr und die Reisekosten zum Termin zur Erstattung festzusetzen.

    Mit dem angefochtenen, der Beschwerdeführerin am 27. März 2023 zugestellten, Beschluss, hat das Amtsgericht soweit vorliegend relevant von der Beschwerdeführerin zu erstattende Kosten in Höhe einer aus dem Kostenwert berechneten 1,2 Terminsgebühr und zu erstattende Reisekosten nebst Mehrwertsteuer festgesetzt.

    Nicht gegen die Höhe der angesetzten Kosten, aber gegen deren Ansatz dem Grunde nach richtet sich die am 27. März 2023 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die erfolgte Klagerücknahme ein Erscheinen der Beteiligten zum Terminstag nicht erforderlich gewesen sei. Es könne nicht zulasten der Antragstellerin gehen, dass das maßgebliche Schriftstück der zuständigen Richterin erst nach dem Termin vorgelegt wurde. Eine Aufhebung des Termins nach Eingang des Schriftsatzes und telefonische Abladung der Beteiligten sei aufgrund des Eingangszeitpunkts möglich gewesen, so dass weder Terminsgebühr noch Reisekosten entstanden wären.

    Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit dem Hinweis, dass die Antragsrücknahme 21 Stunden vor dem Termin stattgefunden hat und nicht gesichert sei, dass eine Terminsaufhebung rechtszeitig hätte erfolgen können. Im Übrigen habe die Antragstellervertreterin die Möglichkeit gehabt, selbst zu versuchen, die Antragsgegnervertreterin und die Richterin telefonisch zu informieren. Die Antragsgegnervertreterin habe sich pflichtgemäß verhalten, ihre Kosten seien angefallen.

    Die Beschwerdeführerin bleibt bei ihrer Auffassung und verweist auf eine behauptete Schwierigkeit, Mitarbeiter im Amtsgericht telefonisch zu erreichen.

    II.

    Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

    Für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdegegners ist eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen. Die Terminsgebühr in Zivilverfahren entsteht nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG für die Vertretung in einem der dort aufgeführten Termine, wenn dieser stattfindet, worüber das Gericht entscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - VIII ZB 16/10 -, Rn. 10, juris). Vorliegend war die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nach Beginn des Termins durch Aufruf der Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - VIII ZB 16/10 -, Rn. 10, juris) im Termin vertretungsbereit für diesen Mandanten anwesend (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2021 - 8 W 343/19 -, Rn. 4, juris). Darauf, ob verhandelt wurde, d.h. Anträge gestellt wurden, kommt es seit der mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz erfolgten Änderung der maßgeblichen Bestimmungen nicht mehr an (vgl. HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG VV 3104 Rn. 6). Auch wenn - wie hier - die Sache trotz Klagerücknahme aufgerufen wird, weil das Gericht von der Rücknahme keine Kenntnis hatte, ist die Sache aufgerufen und die Terminsgebühr entsteht (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV Vorbemerkung 3 Rn. 85, beck-online; Hansens RVGReport 2020, 225 (226)).

    Im Übrigen würde eine Terminsgebühr auch entstehen, wenn das Gericht Kenntnis von der Rücknahme hat, den Termin aber dennoch nicht aufhebt. Zwar kann bei Klagerücknahme die Aufhebung eines Termins veranlasst sein (vgl. Feskorn in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 227, Rn. 1). Die Aufhebung des Termins ist aber weder rein deklaratorisch (a.A. BeckOK ZPO/Jaspersen, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 227 Rn. 3) noch zwingend (a.A. wohl MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 227 Rn. 8). Für Entscheidungen über die Kosten nach Klagerücknahme ist nach § 128 Abs. 3 ZPO die mündliche Verhandlung freigestellt (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 269 Rn. 14; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 269 Rn. 68), was nicht bedeutet, dass sie ohne mündliche Verhandlung ergehen müssen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2021 - 8 W 343/19 -, Rn. 2, juris).

    Ob die Terminsgebühr aus einem Wert entsteht, der nur dem Kosteninteresse entspricht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2021 - 8 W 343/19 -, Rn. 4, juris; KG Berlin, Beschluss vom 5. Januar 2006 - 1 W 258/05 -, Rn. 4, juris; Hansens RVGReport 2020, 225 (226)) oder dem Wert des Gegenstands der Hauptsache (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, Teil D Anhang VI Rn. 332, beck-online) kann hier dahingestellt bleiben. Denn vorliegend wurde dem Beschwerdegegner von diesem unbeanstandet nur die Erstattung einer nach dem Kostenwert bemessenen Terminsgebühr zugesprochen. Auch die geltend gemachten Reisekosten sind gemäß Nr. 7003, 7005 VV RVG entstanden, werden in der Höhe von der Beschwerdeführerin auch nicht beanstandet.

    Die angefallene Terminsgebühr und die Reisekosten sind auch nach der für die Kostengrundentscheidung maßgeblichen Vorschrift des § 243 FamFG zu erstatten (zur für die Kostengrundentscheidung maßgeblichen Vorschrift als Maßstab für eine Erstattungsfähigkeit siehe BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 - XII ZB 447/16 -, Rn. 12, juris). Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend ergänzend als Maßstab für die Entscheidung über eine Erstattungsfähigkeit von Kosten §113 Abs. 1 ZPO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. März 2020 - 15 WF 52/18 -, Rn. 26, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Januar 2015 - II-6 WF 83/14 -, Rn. 5, juris) oder ob der allgemeine kostenrechtliche Grundsatz der aus Treu und Glauben folgenden Obliegenheit einer Kosten sparenden Verfahrensführung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - XI ZB 2/13 -, Rn. 13, juris) greift. Denn selbst wenn vorliegend die Erstattungspflicht nach § 91 Abs. 1 ZPO auf die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung beschränkt wäre, wären Terminsgebühr und Reisekosten zu erstatten. Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Abzustellen ist auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation. Aus dieser Sicht ist zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter die Sachdienlichkeit bejahen würde. Hierfür maßgeblich ist der jeweilige Informationsstand der Partei, weil sie nur auf dieser Grundlage die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme treffen kann. Nicht maßgeblich ist ein sich hiervon gegebenenfalls unterscheidender, alle Informationen umfassender Wissensstand des die Sachdienlichkeit ex post Beurteilenden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 112/17 -, Rn. 24, juris, m.w.N.). Nach diesen Maßstäben durfte es die Vertreterin des Beschwerdegegners als sachdienlich ansehen, dass sie den für den 15. Februar 2023 anberaumten Termin wahrnimmt. Dafür spricht schon, dass weder sie noch der Beschwerdegegner wussten, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Leistung von Unterhalt zurückgenommen hatte. Entscheidend ist, dass der Termin vom 15. Februar 2023 nicht aufgehoben worden war. Selbst wenn der Beschwerdegegner oder seine Vertreterin von der Antragsrücknahme gewusst hätten, hätten sie eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung als sachdienlich betrachten dürfen, solange sie zu dieser durch das Gericht geladen waren und der Termin nicht aufgehoben war.

    Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf Nr. 1912 VV FamGKG und §§ 113 Abs. 1, 104 Abs. 3 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

    Eine Wertfestsetzung ist angesichts der für die Gerichtskosten anfallenden Festgebühr nach Nr. 1912 VV FamGKG nicht veranlasst.

    RechtsgebieteTerminsgebühr, KlagerücknahmeVorschriften§ 126 Abs. 3 ZPO, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG