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  • 31.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239398

    Landgericht Baden-Baden: Urteil vom 04.10.2023 – 2 Qs 92/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    LG Baden-Baden

    Beschluss vom 04.10.2023 


    LG Baden-Baden

    Beschluss

    in dem Bußgeldverfahren gegen pp.

    Verteidiger:

    wegen Verstoßes gegen die StVO

    hier: Sofortige Beschwerde wegen Kostenentscheidung

    hat das Landgericht Baden-Baden - 2. Strafkammer (Große Strafkammer) - durch die unterzeichnenden Richter am 4. Oktober 2023 beschlossen

    Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Kostenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts Rastatt vorn 02.08 2023 (8 OW1 305 Js 6841/23) wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

    Gründe:

    Die mit Verteidigerschriftsatz vom 07 08.2023 (AS 99) am gleichen Tag eingekommene sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die im Beschluss des Amtsgerichts Rastatt vorn 02.08.2023 (AS. 93) getroffene Entscheidung, seine im vorliegenden Bußgeldverfahren entstandenen notwendigen Auslagen nicht der Staatskasse zu überbürden. ist gemäß § 46 Abs 1 OWiG i. V. m. §§ 464 Abs. 3 S. 1, 311 Abs. 2 StPO statthaft und zulässig, auch wenn der Beschwerdeführer hier durch die Hauptentscheidung, das Verfahren gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a Abs. 1 StPO einzustellen, nicht beschwert ist; die Beschränkung des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz, StPO gilt nämlich dann nicht, wenn gegen die Hauptentscheidung wie hier gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a Abs. 2 StPO zwar ein Rechtsmittel statthaft und deren Anfechtbarkeit weder ausdrücklich noch nach dem systematischen Gesamtzusammenhang ausgeschlossen ist, das Rechtsmittel aber nur einem bestimmten Prozessbeteiligten mangels Beschwer nicht zusteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023. § 464 Rn. 19).

    Die sofortige Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet. Im Ergebnis hat das Amtsgericht zu Recht in dem angefochtenen Beschluss gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO die notwendigen Auslagen des Betroffenen bei ihm belassen.

    Nach der Vorschrift des § 467 Abs. 3 S 2 Nr. 2 StPO kann das Gericht davon absehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, wenn er wegen einer ihm vorgeworfenen Tat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Im Rahmen des nach dieser Regelung eingeräumten Ermessens ist der im Grundgesetz verankerte, aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Grundsatz der Unschuldsvermutung zu beachten. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO indes - verfassungs-rechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 1992, 1612) - bei einer auf der Grundlage des § 206 a StPO außerhalb der Hauptverhandlung erfolgten Verfahrenseinstellung angewendet werden, wenn bei dem zum Zeitpunkt der Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht fortbesteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung einer Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungs-gemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.02.2003 - 3 Ws 248/02 - juris; BGH NStZ 2000. 330: Meyer-Goßner/Schmitt a. a. 0., § 467 Rn. 16 mit weiteren Nachweisen).

    Die insoweit in der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung des Akteninhalts vorgenommene, tatrichterliche Bewertung des Amtsgerichts ist tragfähig und aus Sicht der Beschwerdekammer nach eigener Prüfung mit Blick auf das vom Fahrzeuglenker gefertigten Foto nach Ab-gleich mit dem Lichtbild des Betroffenen nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die Verteidigung habe _Fragen an einer ordnungsgemäßen Messung aufgeworfen", trifft dies nicht zu; mit Verteidigerschriftsatz vom 11.01.2023 (AS. 49) wurde lediglich Einsicht in Wartungs- und Eichnachweise des Messgeräts, in die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe u. s. w. beantragt, ohne zu diesem Zeitpunkt oder später Einwendungen gegen den Messungsvorgang geltend zu machen.

    Wegen dieses verbleibenden Tatverdachts. mit dem in Ansehung der Unschuldsvermutung keine Schuldzuweisung verbunden ist, kann vier demnach ein Auslagenersatz versagt werden.

    Auch sonstige Ermessensgesichtspunkte geben keinen Anlass zu einer gegenteiligen Entscheidung. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte „Ermessensfehler“ der Bußgeldbehörde. die trotz seiner telefonischen Mitteilung vom 1 4 04.2023. dass die Angelegenheit wegen einer fehlerhaften Zustellung verjährt sei, dennoch das Verfahren nicht eingestellt. sondern an das Gericht weitergegeben und damit Kosten „mutwillig provoziert" habe, dringt nicht entscheidend durch. Unabhängig vom Bestand einer gesetzlichen Zustellungsvollmacht im Sinne von § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG, die, wovon das Amtsgericht hier ausgegangen ist, mangels Aktenkundigkeit der Verteidigerstellung durch eine sich in den Akten befindliche Vollmachtsurkunde zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides nicht vorgelegen nat. und unter Verneinung einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht (a.A im Hinblick auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens -KK-OWiG/Lampe, 5. Aufl. 2018. § 51 Rn 85a) ist durch die Verteidigung des Betroffenen indes der Anschein einer solchen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung gesetzt worden. Der Verteidiger hat nämlich nicht nur mit Schriftsatz vom 11 01 2023 (AS 49) die „anwaltliche Verteidigung" des Betroffenen angezeigt, seine „ordnungsgemäße Beauftragung" zur Verteidigung anwaltlich versichert und vollständige Akteneinsicht beantragt, sondern sich den Bußgeldbescheid der Stadt Rastatt vom 01.02.2023 (AS. 57) unbeanstandet zustellen lassen und gegen diesen auch noch mit Schriftsatz vom 10.02.2023 (AS 77) Einspruch eingelegt ohne eine vermeintlich fehlerhafte bzw. unwirksame Zustellung zu erwähnen. und. nachdem ausreichend verjährungsrelevante Zeit verstrichen war den Verjährungseinwand unter Berufung auf eine fehlerhafte Zustellung erhoben Auch wenn sich dieses Verhalten des Verteidigers noch im Rahmen einer zulässigen Verteidigung bewegt haben sollte, ist jedenfalls zu konstatieren. dass er der Bußgeldbehörde erfolgreich diese - seit langem bekannte - „Verjährungsfalle" gestellt und bei ihr eine irrige Annahme über das Vorliegen seiner Zustellungsvollmacht hat fortbestehen lassen, ohne eine in diesem Punkt erkannte Unwirksamkeit der Zustellung des Bußgeldbescheides bis zu dem vom Amtsgericht Rastatt schließlich festgestellten Verjährungseintritt zu offenbaren.

    Unter diesen Umständen ist es auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nach pflichtgemäßem richterlichen Ermessen sachgerecht, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen gemäß der genannten Regelung des § 467 Abs 3 S 2 Nr. 2 StPO selbst zu tragen hat.

    Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der sich aus §§ 46 Abs 1 OWiG. 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

    RechtsgebieteOWi-Verfahren, Auslagen, RechtsmissbrauchVorschriften§ 51 Abs. 3 S. 1 OWiG; § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO